19.02.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BGH
23.04.2024
II ZR 99/22
DStR 2024, 1667
1. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist nur dann wirksam, wenn es erforderlich ist, um den Vertragspartner vor einer illoyalen Nutzung seiner Arbeitserfolge zu schützen und das notwendige Maß in räumlicher, gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht nicht überschreitet.
2. Es besteht kein Anspruch auf eine Karenzentschädigung, wenn der rückwirkende Wegfall der Entschädigung bei Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot wirksam vereinbart wurde.
3. Die isolierte Feststellung der Unwirksamkeit eines rückwirkenden Wegfalls der Karenzentschädigung stellt eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion dar.
Der Beklagte war Geschäftsführer der Klägerin und zuvor Vorstand der C. Aktiengesellschaft. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist laut Handelsregister der Betrieb von Kur- und Rehabilitationskliniken, Seniorenwohn- und Pflegeheimen sowie betreutes Wohnen.
Der Beklagte war aufgrund seines Arbeitsvertrages an ein zweijähriges nachvertragliches Wettbewerbsverbot gebunden. Hierbei galten alle Unternehmen, die räumlich und gegenständlich im gleichen Geschäftsbereich wie die Klägerin tätig sein oder tätig werden könnten als Konkurrenzunternehmen. Für die Dauer des Wettbewerbsverbots sollte der Beklagte eine monatliche Entschädigung in Höhe von 50% seines letzten Monatsgehalts erhalten. Ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot führt zu einem rückwirkenden Wegfall der Karenzentschädigung und die bereits erhaltenen Zahlungen müssen an die Gesellschaft zurückerstattet werden.
Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung wurde der Beklagte als Geschäftsführer abberufen. Am selben Tag widersprachen die Gesellschafter einer Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses und erklärten dem Beklagten vorsorglich die ordentliche Kündigung.
Der Beklagte war als Geschäftsführer der C. GmbH tätig. Die C. GmbH ist eine Unternehmensberatung, deren Kunden unter anderem Unternehmen aus der Gesundheits- und Sozialwirtschaft sowie Seniorenwirtschaft sind.
Der Beklagte hat im Rahmen einer Widerklage von der Klägerin eine Karenzentschädigung zuzüglich Zinsen gefordert. Das LG hat die Widerklage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Forderung teilweise stattgegeben. Die Klägerin verfolgt nun mit der vom Senat zugelassenen Revision die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Die Revision der Klägerin ist erfolgreich. Diese führt im zugelassenen Umfang zur Wiederherstellung des Urteils des LG.
Es besteht kein Anspruch des Beklagten auf Karenzentschädigung, weil ein Verstoß gegen das vertraglich vereinbarte Wettbewerbsverbot vorliegt.
Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot ist wirksam. Solche Wettbewerbsverbote sind angesichts der grundgesetzlich geschützten Berufsausübungsfreiheit lediglich dann gerechtfertigt und nicht gem. § 138 BGB sittenwidrig, wenn sie erforderlich sind, um einen Vertragspartner vor einer untreuen Nutzung seiner Arbeitserfolge durch den anderen Vertragspartner zu schützen. Wirksamkeitsvoraussetzung ist, dass sie das notwendige Maß in räumlicher, gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht nicht überschreiten. Um zu beurteilen, ob ein vertraglich vereinbartes Wettbewerbsverbot den Anforderungen genügt, ist anhand einer Abwägung der Interessen beider Parteien zu beurteilen. Hierbei müssen die konkreten Umstände des Einzelfalls und insbesondere der mit dem Wettbewerbsverbot angestrebte Zweck berücksichtigt werden.
Das Wettbewerbsverbot unterliegt keiner Inhaltskontrolle nach § 307 BGB, da es sich nicht um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt. Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot ist wirksam. Sofern die Klausel unwirksam wäre, gäbe es keine Anspruchsgrundlage für die Karenzentschädigung.
Zudem wird der Beklagte durch den vertraglich vorgesehenen rückwirkenden Wegfall der Karenzentschädigung nicht unbillig belastet. Für den Fall, dass der Geschäftsführer gegen das Wettbewerbsverbot verstößt, kann ein rückwirkender Wegfall der versprochenen Karenzentschädigung wirksam vereinbart werden. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Vereinbarung einer Karenzentschädigung bei einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot nicht verpflichtend. Sofern eine Entschädigung jedoch zugesagt wird, kann die Höhe der Karenzentschädigung von den Parteien frei festgelegt werden. Ebenso kann wirksam vereinbart werden, dass die zugesagte Karenzentschädigung rückwirkend entfällt, wenn der Geschäftsführer gegen das Wettbewerbsverbot verstößt.
Die Ansicht des Beklagten, dass eine andere Bewertung erforderlich sei, weil die Regelung keine Konsequenzen für ein Wettbewerbsverbot im Falle einer Pflichtverletzung der Klägerin vorsieht, ist nicht überzeugend. Es ist unklar, welche Pflichtverletzung der Klägerin sanktioniert werden müsste, um das Gleichbehandlungsinteresse zu wahren. Ein Missverhältnis, welches dem zwischen § 75 Abs. 1 und Abs. 3 HGB gleichkommt, ist nicht erkennbar.
Zudem ist aus der Klausel nicht ersichtlich, dass die Karenzentschädigung „erkennbar“ als Einkommensersatzleistung bestimmt wurde, die nicht rückwirkend genommen werden dürfte. Der Klägerin war es erlaubt, einseitig auf das Wettbewerbsverbot zu verzichten.
Darüber hinaus ist eine isolierte Feststellung der Unwirksamkeit des rückwirkenden Wegfalls der Karenzentschädigung ausgeschlossen, da dies eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots darstellt. Bei einer geltungserhaltenden Reduktion kann lediglich ein Wettbewerbsverbot, das die zulässigen zeitlichen Grenzen überschreitet, auf das erlaubte zeitliche Maß reduziert werden. Bei Wettbewerbsverboten, die nicht nur die zeitlichen Grenzen überschreite, müsste der übrige Inhalt der Vereinbarung vom Gericht rechtgestaltend festgelegt werden. Dies überdehnt jedoch den eingeräumten Gestaltungsspielraum. Eine weitergehende gestaltungserhaltende Reduktion würde zudem dem Zweck des § 138 BGB widersprechen, der das Risiko der Nichtigkeit der Vereinbarung den Betroffenen selbst zuweist. Zudem muss beachtet werden, dass wenn auch nur der rückwirkende Wegfall der Karenzentschädigung nichtig wäre, gemäß § 139 BGB im Zweifel auch das gesamte nachvertragliche Wettbewerbsverbot ungültig werden könnte. Dies hat den Hintergrund, dass nicht festgestellt werden konnte, ob das Wettbewerbsverbot von den Parteien auch ohne der Verfallsregelung vereinbart worden wäre. Solch ein übereinstimmender Parteiwille kann auch nicht angenommen werden, da die Klägerin das Wettbewerbsverbot auch ohne Zusage einer Karenzentschädigung hätte vereinbaren können. Die Tätigkeit des Beklagten verstößt gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbot.
Schließlich steht auch § 242 BGB der Klägerin nicht entgegen, den rückwirkenden Wegfall der Karenzentschädigung geltend zu machen. Allein die Tatsache, dass die Klägerin die monatlich fälligen Entschädigungszahlungen nicht leistet, genügt hierfür nicht. Es müsste vielmehr eine ernsthafte und endgültige Zahlungsverweigerung vorliegen, die den Beklagten zur Ausnahme der Konkurrenztätigkeit „herausgefordert“ hat. Im vorliegenden Fall ist jedoch schon nicht festgestellt worden, dass die Entschädigung eingefordert wurde.
Eine Vereinbarung, die den rückwirkenden Wegfall der Karenzentschädigung bei einem Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot vorsieht, kann in einem Dienstvertrag rechtlich wirksam vereinbart werden. Hierbei muss beachtet werden, dass das Verbot klar und angemessen formuliert wird und das notwendige Maß in räumlicher, gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht nicht überschritten wird. Eine Schutzfrist von zwei Jahren stellt zeitlich gesehen den Standard dar. Sofern diese Höchstfrist überschritten wird, kann von einer Absenkung im Wege einer geltungserhaltende Reduktion ausgegangen werden. Bei Wettbewerbsverboten, die nicht nur die zeitliche Grenze überschreiten, wird eine geltungserhaltende Reduktion hingegen abgelehnt und die Klausel ist insgesamt unwirksam.