KG Berlin 1 W 252/21
Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers

11.01.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

KG Berlin
18.12.2023
1 W 252/21
NJW-RR 2022, 299

Leitsatz | KG Berlin 1 W 252/21

  1. Der nur für die Vorerbschaft eingesetzte Testamentsvollstrecker ist nicht kraft Gesetzes an die Beschränkungen gebunden, die dem Vorerben gegenüber dem Nacherben in den §§ 2113, 2114 BGB auferlegt sind.
  2. Der Erblasser kann gem. § 2208 I 1 BGB anordnen, dass der für die Vorerbschaft ernannte Testamentsvollstrecker nur die Rechte des (nicht befreiten) Vorerben ausüben und deshalb der Beschränkung des § 2113 I BGB unterliegen soll. Eine solche Beschränkung ist gem. § 354 II FamFG in einem Testamentsvollstreckerzeugnis anzugeben.

 

Sachverhalt | KG Berlin 1 W 252/21

Seit dem Tod des Erblassers sind Miteigentümer des Grundstücks zum einen C, zum anderen A und B in Erbengemeinschaft. Grundlage für die Eintragung von A und B war ein Erbschein, der u.a. A als Vorerben und die Abkömmlinge des A als Nacherben festlegte. Zudem wurde Testamentsvollstreckung angeordnet. Im Grundbuch sind ein Nacherbenvermerk und ein Testamentsvollstreckervermerk eingetragen.

C, auch in ihrer Eigenschaft als Testamentsvollstreckerin, bewilligte die Eintragung einer Auflassungsvormerkung nebst Wirksamkeitsvermerk im Grundbuch. Um ihre Verfügungsbefugnis nachzuweisen, nahm C auf ein Testamentsvollstreckerzeugnis Bezug. Demnach soll sie den Erbteil des A auch nach Erledigung der ihr sonst übertragenen Aufgaben verwalten und die Testamentsvollstreckung erst mit Tod des A enden.

Das Grundbuchamt hat den Eintragungsantrag zurückgewiesen, da es für den Wirksamkeitsvermerk einer Mitwirkung der Nacherben bedürfe, für die gem. § 1913 BGB ein Pfleger zu bestellen sei.

 

Entscheidung | KG Berlin 1 W 252/21

Die Beschwerde hat Erfolg, die Voraussetzungen für die Eintragung der Vormerkung liegen vor. Grundsätzlich kann bei der Bestellung einer Vormerkung, die auch bei Eintritt des Nacherbfalls bestehen bleibt, ein Vermerk zur Klarstellung verlangt werden, dass der eingetragene Nacherbenvermerk gegenüber diesem Recht keine Unwirksamkeit i.S.v. § 2113 BGB anzeigt. Dies ist hier der Fall, da die Vormerkung auch bei Eintritt des Nacherbfalls voll wirksam bleibt.

Die Verfügungsbefugnis von C kann vorliegend allein durch ein Zeugnis nachgewiesen werden. In diesem Fall ist das Grundbuchamt nicht zu einer ergänzenden oder berichtigenden Auslegung des Testaments berechtigt. Grundsätzlich ergibt sich die Verfügungsbefugnis der C aus § 2205 S. 2, 3 BGB. Trotz der Anordnung der Dauervollstreckung bis zu As Tod unterliegt sie nicht den Beschränkungen des § 2113 Abs. 1 BGB. Denn auch wenn der Testamentsvollstrecker nur für die Vorerbschaft eingesetzt ist, ist er nicht kraft Gesetzes an die Beschränkungen gebunden, die den Vorerben gegenüber dem Nacherben in den §§ 2113, 2114 BGB binden. Da er sein Amt aus eigenem Recht und nicht aus von dem Vorerben abgeleiteten ausübt, kann er mehr Rechte als der Vorerbe haben.

Aus dem Testament ergibt sich, dass C nicht als Nacherbenvollstreckerin gem. § 2222 BGB ernannt wurde. Aus dieser Norm folgt auch keine Beschränkung der Verfügungsbefugnis, da sie der Kontrolle der Vorerben im Interesse der Nacherben dient und v.a. in Betracht kommt, wenn der Erblasser im Übrigen keine Testamentsvollstreckung angeordnet hat.

Dass sich die Verfügungsbefugnis von C nur nach § 2205 S. 2, 3 BGB richtet, entspricht der allgemeinen Ansicht, wonach eine Beschränkung nach § 2113 Abs. 1 BGB nicht greift, wenn der Testamentsvollstrecker auch für den Nacherben eingesetzt wurde. Dies gilt, wenn der Nacherbenvollstrecker gem. § 2222 BGB während der Vorerbschaft für den Nacherben handeln kann und wenn eine normale Testamentsvollstreckung vorliegt, die für den Nacherben erst mit dem Eintritt der Nacherbfolge beginnt. Für eine unbeschränkte Verfügungsbefugnis spricht schließlich auch, dass die Zustimmung zur Veräußerung während der Vorerbschaft zu erteilen war. In diesem Zeitpunkt stand jedoch noch nicht fest, ob auch die Nacherbschaft der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegt.

 

Praxishinweis | KG Berlin 1 W 252/21

Das KG hat sich in der vorliegenden Entscheidung mit der Frage beschäftigt, ob der nur für die Dauer der Vorerbschaft eingesetzte Testamentsvollstrecker denselben Beschränkungen wie der Vorerbe unterliegt. Dies hat das KG mit der Begründung verneint, dass der Testamentsvollstrecker eine eigene und keine vom Vorerben abgeleitete Rechtsmacht ausübt. In der notariellen Praxis lässt sich diese Frage durch Gestaltungsmöglichkeiten umgehen, die die Möglichkeit des Handelns für den Nacherben eröffnen oder obsolet machen. In Betracht hierfür kommt die Anordnung von Testamentsvollstreckung für den Vor- und Nacherbfall, die Anordnung von Nacherbenvollstreckung gem. § 2222 BGB, die Erteilung einer General- und Vorsorgevollmacht, die auch zur Vertretung der Nacherben vor Eintritt des Nacherbfalls berechtigt oder die Befreiung des Testamentsvollstreckers und/oder Vorerben von den Beschränkungen der §§ 2113 f. BGB.