Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht 2 Wx 56/22
Unverzüglichkeit der Einreichung nach § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG bei schuldhaftem Zögern durch die vollziehende Notarin

13.09.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
20.03.2023
2 Wx 56/22
DNotZ 2024, 629 = NZG 2023, 750 = NJW-RR 2023, 1014

Leitsatz | Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht 2 Wx 56/22

  1. Im Rahmen von 16 Absatz 1 S. 2 GmbHG kommt für die Unverzüglichkeit auf die Einreichung der Gesellschafterliste beim Handelsregister an.
  2. Dabei ist auch die verspätete Einreichung durch die Notarin als schuldhaftes Zögern im Sinne des § 16 Absatz 1 S. 2 GmbHG anzusehen.
  3. Unverzüglich im Sinne des § 16 Absatz 1 S. 1 GmbHG ist eine Einreichung zum Handelsregister allenfalls dann, wenn sie innerhalb einer Frist von höchstens 2 Wochen nach Vornahme der Rechtshandlung erfolgt. Eine Zeitspanne von über 2 Wochen lässt sich schon begrifflich nicht mehr als unverzüglich ansehen und ist weder mit dem Normzweck des § 16 Absatz 1 S. 1 GmbHG noch mit dem Ausnahmecharakter von § 16 Absatz 1 S. 2 GmbHG vereinbar.
     

Sachverhalt | Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht 2 Wx 56/22

Die Beschwerdeführerin ist eine GmbH. Der vormalige Alleingesellschafter, eingetragen in der Gesellschafterliste des Handelsregisters und Geschäftsführer, übertrug seine Geschäftsanteile an der Beschwerdeführerin mit notariellem Vertrag vom 04.05.2022 vollständig an einen neuen Alleingesellschafter. Ausweislich derselben notariellen Urkunde hielt der neue Alleingesellschafter im Anschluss eine Gesellschafterversammlung ab, in der er den vorherigen (Gesellschafter)Geschäftsführer abberief und sich selbst zum neuen Geschäftsführer einsetzte. Zudem beschloss er eine Sitzverlegung im Rahmen einer Satzungsänderung.

Die Notarin reichte die beglaubigte Anmeldung durch den neuen Gesellschafter als neu bestellten Geschäftsführer und unter Beifügung der aktualisierten Gesellschafterliste am 31.05.2022 beim Handelsregister ein. Zur Begründung führte diese später aus, dass eine frühere Zusendung wegen der Auswirkungen der Coronapandemie nicht möglich gewesen sei. Das Handelsregister leitete den Antrag an das Handelsregister bei dem zuständigen Amtsgericht für den neuen Sitz nach § 13h Abs. 2 S. 1 HGB weiter. Dieses wies den Antrag nach Hinweis auf die fehlende Eintragungsfähigkeit zurück.

Entscheidung | Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht 2 Wx 56/22

Das OLG hat die Beschwerde als zulässig, aber unbegründet zurückgewiesen.

Das Handelsregister bei dem Amtsgericht in dessen Bezirk die Sitzverlegung erfolgen sollte, ist zuständig für die Prüfung nach § 13h Abs. 2 S. 3 HGB.

Die Beschwerde sei unbegründet, da keine wirksame Beschlussfassung vorliege und die Anmeldung nicht durch den Geschäftsführer vorgenommen worden sei. Zwar habe sich der neue Gesellschafter zum Geschäftsführer bestellt, aber auch dieser Beschluss sei unwirksam.

Nach § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG gilt nur derjenige gegenüber der Gesellschaft als Gesellschafter, der in der Gesellschafterliste nach § 40 GmbHG eingetragen ist. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung war der neue Gesellschafter noch nicht in der Gesellschafterliste eingetragen. Nicht ausreichend ist, dass die Gesellschafterstellung aus den eingereichten sonstigen Urkunden ersichtlich gewesen ist, da das Gesetz die Eintragung in die Gesellschafterliste erfordert.

Die Beschlüsse sind auch nicht nach § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG wirksam geworden. Dafür wäre eine unverzügliche Eintragung in der Gesellschafterliste nach der Beschlussfassung erforderlich gewesen.

Dabei kommt es nach Ansicht des OLG auf die Einreichung der Liste beim Register an (bereits Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 GmbHG, Rn. 49; Verse in Henssler/Strohn GmbHG § 16 Rn. 25) und nicht auf die Aufnahme der Liste im Register (so jedoch Gasteyer/Goldschmidt, ZIP 2008, 1906, 1909; wohl auch Wicke, GmbHG § 16 Rn. 11), auch wenn der Wortlaut zweiteres vermuten lässt. Eine zeitliche Verzögerung durch das Register geht nicht zulasten der neuen Gesellschafter. Beginn des Fristlauf ist die Beschlussfassung, die durch die unverzügliche Einreichung zur Wirksamkeit gebracht werden soll.

Nach Auffassung des OLG Schleswig meint unverzüglich spätestens nach zwei Wochen. (So auch Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 49; Wilhelmi in: BeckOK GmbHG, § 16 Rn. 51; Gasteyer/Goldschmidt, ZIP 2008, 1906, 1909; Barthel, GmbHR 2009, 569, 570 Fn. 6; aA mit vier Wochen als ausreichend Seibt in Scholz, GmbHG § 16 Rn. 47; Wicke GmbHG § 16 Rn. 11) Vorliegend erfolgte die Anmeldung 27 Tage nach dem Beschluss und damit nach Auffassung des OLG verspätet. Zweck der Regelung ist, durch ein Eigeninteresse des Gesellschafters eine stets aktuelle, lückenlose und einfach nachvollziehbare Dokumentation über den Gesellschafterbestand für jedermann bereit zu stellen.
Die zeitliche Verzögerung durch die tätig gewordene Notarin ist der anmeldenden Person zuzurechnen. (h.M. Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG mwN, § 16 GmbHG, Rn. 49 mwN; aA Verse in Henssler/Strohn GmbHG § 16 Rn. 25; Wicke GmbHG § 16 Rn. 11; Link RNotZ 2009, 193, 212; Nolting GmbHR 2010, 584, 586; Wachter ZNotP 2008, 378, 381 f.) Die beurkundende Notarin ist für den neuen Gesellschafter tätig geworden und vertritt diesen im Registerverfahren, § 378 Abs. 2 FamFG.

Im Einzelfall kann unter außergewöhnlichen Umständen eine Einreichung auch nach Ablauf von zwei Wochen noch unverzüglich sein. Der pauschale, schlagwortartige Verweis auf die Coronapandemie und den Fachkräftemangel sei dafür „bereits im Ansatz“ nicht ausreichend.

Die Beschlüsse sind wegen Fristablaufs damit endgültig unwirksam. Daher waren sowohl die Geschäftsführerbestellung als auch die Sitzverlegung unwirksam. Die Anmeldung konnte zudem nicht durch den Neugesellschafter als Gesellschafter erfolgen, da diese nur durch den Geschäftsführer vorzunehmen ist, der jedoch nicht wirksam bestellt wurde.

Praxishinweis | Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht 2 Wx 56/22

Allein die Gesellschafterliste erbringt den Nachweis über die Gesellschafterrechte gegenüber der Gesellschaft (und damit gegenüber dem Handelsregister)
Der Notar ist zur rechtzeitigen Einreichung verpflichtet. Dem Anmeldenden werden Verzögerungen durch den Notar zugerechnet und schließen die Unverzüglichkeit aus. Für verspätete Einreichungen durch Notare besteht daher ein konkretes Haftungsrisiko. Es kann mit hoher Wahrscheinlichkeit, aber nicht mit absoluter Sicherheit davon ausgegangen werden, dass auch andere Gerichte einen Zeitraum von zwei Wochen für die Einreichung einräumen. Um weitere Sicherheit ohne Nachteile zu gewinnen, sollte eine Einreichung unmittelbar nach Beurkundung erfolgen. Nach der Beurkundung sollte es auch nicht mehr erforderlich sein, die Gesellschafterliste inhaltlich zu prüfen oder die weiteren Schritte zu überlegen, sodass die Einräumung einer Prüf- und Überlegungsfrist nicht erforderlich sein sollte. Die regelmäßig eingeräumten zwei Wochen im Rahmen der Unverzüglichkeit (§ 121 BGB), beruhen auf der Einräumung einer Prüf- und Überlegungsfrist, die im Rahmen der Einreichung der Gesellschafterliste nicht erforderlich sein dürften (vgl. BGH NJW 2008, 985; NJW-RR 1994, 1108; Wendtland in: BeckOK BGB § 121 Rn. 6 f.; Armbrüster in: MüKoBGB BGB § 121 Rn. 7: Überlegtes Vorgehen).

Das Problem kann dadurch umgangen werden, dass der Listengesellschafter die Handlungen des neuen Gesellschafters genehmigt oder diesem eine Vollmacht zur Ausübung der Gesellschafterrechte erteilt.

Obiter dicta hat das OLG Schleswig zudem festgestellt, dass es für die Rechtzeitigkeit nicht auf die Eintragung ankommt, sondern auf die Einreichung, sodass Verzögerungen durch das Registergericht nicht zum Nachteil der Parteien gehen. Wendet man die Grundsätze zu § 167 ZPO an, kann es im Ausnahmefall erforderlich sein, bei längeren Verzögerungen auf Seiten des Registergerichts den Sachstand anzufragen. Grundsätzlich besteht jedoch auch im Rahmen des § 167 ZPO keine Nachfragepflicht, (BGH NJW 2021, 1598 Rn. 45) wobei das Risiko besteht, dass die Praxis an Notare mit Amtspflichten höhere Anforderungen stellt, als an Rechtsanwälte. Der Notar ist nicht nur Interessenvertreter des Anmeldenden, sondern bekleidet ein öffentliches Amt.

Die Regelung des § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG wurde als Reaktion auf die häufige Unrichtigkeit und damit einhergehende fehlende Transparenz eingeführt. Mit der erhöhten Transparenz soll auch Geldwäsche verhindert werden. Daher können die Gesellschafter oder die Gesellschaft nicht wirksam auf den Schutz der Norm verzichten.