OLG Frankfurt 21 W 80/23
Testamentsauslegung: Adoptivkinder als durch den Begriff des Abkömmlings eingesetzte Testamentserben

12.09.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Frankfurt
05.03.2024
21 W 80/23
NJW-RR 2024, 753

Leitsatz | OLG Frankfurt 21 W 80/23

  1. Beruft der Erblasser ausdrücklich die Abkömmlinge seiner leiblichen Kinder als Nacherben, so umfasst dies mangels konkreter Anhaltspunkte für einen davon abweichenden Erblasserwillen jedenfalls auch solche als Volljährige an Kindes Statt angenommenen Adoptivkinder, die mit den Wirkungen einer Minderjährigenadoption (§ 1772 BGB) adoptiert worden waren. (Rn. 35) (Rn. 38)
  2. Zur Fassung des Nacherbenvermerks bei noch offenem Kreis der als Nacherben berufenen Abkömmlinge des Erblassers. (Rn. 26)
  3. Setzt der Erblasser mehrere Vorerben ein, muss der Erbschein nicht darauf hinweisen, dass der Erblasser einem der Vorerben einen Vermögensgegenstand (hier: Betriebsvermögen) als Vorausvermächtnis zugewendet hatte. (Rn. 57) (Rn. 59)
     

Sachverhalt | OLG Frankfurt 21 W 80/23

Der Erblasser ist 1986 gestorben und hatte zwei Söhne und es bestand ein notarielles Testament vom 19.12.1978 mit folgendem Wortlaut: „Ich setze meine beiden Söhne […] als Vorerben je zur Hälfte ein. Nacherben jeder meiner beiden Söhne sollen zu gleichen Teilen die Abkömmlinge meiner beiden Söhne […] sein.“ Zudem erhielten ein Sohn, der Beteiligte zu 1), das Baugeschäft des Erblassers als Vorausvermächtnis.

Zum Todeszeitpunkt des Erblassers waren nur die Kinder des 2002 nachverstorbenen Sohns, die Beteiligte zu 2) und ihre beiden Brüder, sowie der kinderlose Beteiligte zu 1) vorhanden. Anschließen adoptierte der Beteiligte zu 1) am 07.04.2022 seine beiden fast 60 Jahre alten Stiefkinder mit den Wirkungen der Annahme eines Minderjährigen. Der Beteiligte zu 1) stellte am 12.04.2022 einen notariellen Antrag, ihm als Vorerbe des Erblassers einen Erbschein unter namentlicher Benennung seiner beiden Adoptivkinder als Nacherben nach seinem Tod auszustellen.

Nach Ansicht der Beteiligten zu 2) seien die Adoptivkinder jedoch nicht vom Begriff Abkömmlinge umfasst, sodass sie keine Nacherben werden können. Zweck der Vor- und Nacherbschaft sei ein Grundstück im Eigentum und Besitz der leiblichen Familie zu halten. Das ergebe sich aus dem Testament der Mutter des Erblassers und seinen eigenen Äußerungen, dass die Ehefrau des Beteiligten zu 1) und ihre Kinder nichts erhalten würden. Zudem ergebe sich aus dem Testament, dass jeweils die Abkömmlinge beider Söhne des Erblassers zusammen Nacherben sein sollen und keine Nacherbschaft nach Stämmen erfolge, sodass die Beteiligte zu 2) und ihre Brüder auch Nacherben des Beteiligten zu 1) seien. Zudem sollen sie bereits in der Familienpraxis als alleinige Nacherben behandelt worden sein.

Der Beteiligte zu 1) bestreitet hingegen, dass Adoptivkinder nach dem Testament ausgeschlossen seien und meint die Nacherbschaft solle nach Stämmen erfolgen. Die erste Instanz folgte dem Beteiligten zu 1), wogegen die Beteiligte zu 2) Beschwerde einlegte.

Auf Anfrage des OLG stellte der Beteiligte zu 1) mit Schreiben vom 07.08.2023 klar, dass er lediglich einen Teilerbschein ohne namentliche Nennung seiner Stiefkinder als Abkömmlinge beantrage und dies bereits in seinem Antrag vom 12.04.2023 enthalten gewesen sei.

Entscheidung | OLG Frankfurt 21 W 80/23

Die Beschwerde sei gem. § 58 FamFG statthaft und auch sonst zulässig.

Zunächst wird ausgeführt, es könne kein Erbschein auf namentlich genannte Nacherben erfolgen, da diese bei einer abstrakten Bezeichnung als Abkömmlinge erst im Zeitpunkt des Nacherbfalls feststehen. Der Beteiligte zu 1) habe zwar ursprünglich einen Erbschein für seine namentlich benannten Adoptivkinder als alleinige Nacherben beantrag, darin sei aber als Minus die Erteilung eines Teilerbscheins auf seine nicht namentlich benannten Abkömmlinge als Nacherben ebenfalls beantragt worden. Eine Beschränkung auf diesen Hilfsantrag ergebe sich insbesondere aus dem Schreiben des Beteiligten zu 1) vom 07.08.2023. Darin sei zwar eine Antragsänderung zu sehen, jedoch sei ein Antrag, der ein Minus zum vorherigen Hauptantrag darstellt auch vor der Beschwerdeinstanz zulässig.

Des Weiteren ergebe sich aus einer Auslegung des Testaments, dass auch Adoptivkinder als Nacherben umfasst seien. Der Wortlaut ergebe klar, dass mit Abkömmlingen auch Adoptivkinder gemeint seien, zumindest solche, die gesetzliche Erben gem. § 1924 BGB werden können. Das sei bei Adoptivkindern mit Wirkung einer Annahme als Minderjähriger der Fall. 

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den Äußerungen des Erblassers, da diese vor der Adoption getätigt wurden und es dem Regelfall entspreche, dass nicht adoptierte Stiefkinder keine Abkömmlinge seien und daher nichts erhalten würden. Die Absicht ein Grundstück im Besitz der leiblichen Familie zu halten sei auch nicht nachweisbar, sodass davon nicht ausgegangen werden könne. Ebenfalls ergebe sich aus dem Testament der Mutter des Erblassers nicht, dass diese Adoptivkinder ausgeschlossen hätte. Damit sei für eine andere oder ergänzende Auslegung kein Raum.

Dass ein Nacherbe nach Stämmen anfalle sei der Regelfall und ergebe sich direkt aus dem Wortlaut, dass die Abkömmlinge jedes Sohnes zu gleichen Teilen Nacherben seien. Es ginge dem Erblasser gerade darum sein Erbe zwischen den Stämmen hälftig zu verteilen.

Des Weiteren sei auch kein Vermerk erforderlich, dass das dem Beteiligten zu 1) testamentarisch als Vorausvermächtnis zugewendete Betriebsvermögen nicht der Nacherbschaft unterliegt. Dies sei nur bei einem einzelnen Vorerben erforderlich, da sich bei mehreren Vorerben mangels eines dinglichen Ausscheidens des Vermächtnisgegenstands aus der Vorerbschaftsmasse keine Veranlassung bestehe darauf hinzuweisen, dass der Vermächtnisgegenstand von den Belastungen aus der Nacherbschaft freigeblieben ist.

Praxishinweis | OLG Frankfurt 21 W 80/23

Diese Entscheidung zeigt erneut die Gefahren bei Vor- und Nacherbschaft auf und auch wie weit sich Streitigkeiten über abstrakte Formulierungen erstrecken können. Besonders relevant ist dabei die Auslegung des Begriffs „Abkömmling“, welche überzeugend auf die Erbfähigkeit gestützt wird. Dennoch wurden Adoptivkinder nicht von vornherein ausgeschlossen, die nicht mit Wirkung der Annahme Minderjähriger adoptiert wurden. Diese werden zwar gem. § 1770 I BGB nicht mit den Verwandten des Annehmenden verwandt und erhalten kein Erbrecht nach diesen, jedoch gelten sie als Kinder des Annehmenden und können daher vom Wortlaut „Abkömmlinge“ umfasst sein.

Das Gericht stellt hier klar, dass Adoptivkinder mit Wirkung der Annahme Minderjähriger umfasst sind, solange sich nichts Gegenteiliges aus der weitgehenden Auslegung eines Testaments nach dem Willen des Erblassers ergibt. Bei anderen Fällen der Annahme Volljähriger wird daher durch eine solche Auslegung zu beweisen sein, dass diese Adoptivkinder doch umfasst sein sollen.

Hinsichtlich der Entbehrlichkeit des Vermerks eines Vorausvermächtnisses auf dem Erbschein bei mehreren Vorerben folgt das OLG Frankfurt dem OLG Hamm (NJW-RR 2020, 891). Dabei bleibt abzuwarten, ob dadurch die Rechtssicherheit gefährdet wird und daher ein Vermerk dennoch zu empfehlen ist.