OLG Düsseldorf 12 W 12/22
Schenkungsanfechtung einer Auseinandersetzungsvereinbarung

21.08.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Düsseldorf
15.09.2022
12 W 12/22
BeckRS 2022, 40889

Leitsatz | OLG Düsseldorf 12 W 12/22

  1. Wird der gesetzliche Zugewinnausgleichsanspruch durch eine Auseinandersetzungsvereinbarung konkretisiert, handelt es sich um einen (gegebenenfalls nach § 133 Abs. 4 InsO anfechtbaren) entgeltlichen Vertrag, wenn die Vereinbarung sich darauf beschränkt, den ohnehin gesetzlich geschuldeten Ausgleichsbetrag festzulegen. Wird in der Auseinandersetzungsvereinbarung hingegen eine den gesetzlichen Ausgleichsanspruch übersteigende Geld- oder sonstige Forderung begründet, kommt – jedenfalls hinsichtlich des Differenzbetrags – (zusätzlich) eine Anfechtung nach § 134 InsO in Betracht.
  2. Bei einer den Wert der erbrachten bzw. zu erbringenden Gegenleistung übersteigenden Leistung des Schuldners hängt die Frage der teilweisen Unentgeltlichkeit davon ab, ob die Werte in einem groben Missverhältnis zueinander stehen und die Ehegatten den ihnen zustehenden Bewertungsspielraum bei der Auseinandersetzung missbräuchlich überschritten haben. Ob der Bewertungsspielraum überschritten ist, ergibt sich unter objektiven Gesichtspunkten.
  3. In einem auf § 134 Abs. 1 InsO gestützten Anfechtungsprozess obliegt dem Insolvenzverwalter die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer unentgeltlichen Leistung des Schuldners. Sind dabei Umstände aus dem Bereich des Anfechtungsgegners relevant, trifft diesen eine sekundäre Darlegungslast.
  4. Beruft sich der Anfechtungsgegner darauf, beide Teile seien von einem gleichwertigen Leistungsaustausch ausgegangen, muss der Insolvenzverwalter (nur) die von dem Anfechtungsgegner substantiiert dargelegten Umstände auszuräumen, die eine solche Annahme der Vertragsparteien erlauben.

 

Sachverhalt | OLG Düsseldorf 12 W 12/22

Die Antragstellerin ist Insolvenzverwalterin über das Vermögen des Schuldners. Der Schuldner hatte mit seiner geschiedenen Ehefrau, der Antragsgegnerin, im Dezember 2015 einen notariellen Eheauseinandersetzungsvertrag geschlossen. Darin hatte er sämtliche Miteigentumsanteile an der ehemals gemeinsamen Immobilie an die Antragsgegnerin übertragen. Im Gegenzug verzichtete die Antragsgegnerin auf den Unterhalt für sich und die gemeinsamen Kinder (seit der Trennung 2012 kam sie allein für die Kinder auf). Weiterhin übernahm sie eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit und Grundschulden, die gegenüber der Sparkasse Darlehensforderungen in Höhe von ca. 55.000€ sicherten. Ebenso übernahm sie die zugrundeliegenden Verpflichtungen „zur vollständigen Entlastung“ des Schuldners und verpflichtete sich, diesen im Innenverhältnis von allen Ansprüchen der Sparkasse freizuhalten. Die Genehmigung der Schuldübernahme wurde von der Sparkasse verweigert.

Die Antragstellerin ging von einer Anfechtbarkeit der Übertragung der Miteigentumsanteile gem. § 134 InsO aus und wollte mit der beabsichtigten Klage einen Anspruch auf Duldung der Zwangsversteigerung des gesamten Grundbesitzes zur Befriedigung der Insolvenzmasse durchsetzen. Den Antrag auf Prozesskostenhilfe lehnte das LG ab, da eine Anfechtung nach § 134 InsO nicht möglich sei. Gemischte Zuwendungen unterlägen nur dann der Schenkungsanfechtung, wenn der Hauptzweck des Rechtsgeschäfts auf Freigiebigkeit gerichtet sei, was hier von der Antragstellerin nicht hinreichend bewiesen worden wäre. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin.

 

Entscheidung | OLG Düsseldorf 12 W 12/22

Die sofortige Beschwerde hat überwiegend Erfolg.

Nach dem Sachvortrag der Antragstellerin hat diese einen Rückgewähranspruch aus § 143 Abs. 1 InsO, weil die Miteigentumsanteile zumindest teilweise unentgeltlich und damit insgesamt nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar, übertragen wurden. Dabei muss i.R.d. § 143 Abs. 1 InsO der betroffene Gegenstand in vollem Umfang zurück in die Insolvenzmasse gelangen, vorliegend durch die Rückübertragung des Bruchteileigentums. Danach kann dieses verwertet oder aber die Zustimmung des Anfechtungsgegners zur Teilungsversteigerung des gesamten Grundstücks verlangt werden.

Die unentgeltliche Leistung des Schuldners ist nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar. Grundsätzlich unterliegen ehevertragliche Vereinbarungen den Regelungen den §§ 129ff InsO. Soll in einem Auseinandersetzungsvertrag nur der gesetzlich geschuldete Ausgleichsanspruch geregelt werden, ist eine Anfechtung nach § 133 Abs. 4 InsO möglich. Übersteigt die Regelung jedoch diesen gesetzlichen Betrag, kommt § 134 InsO zur Anwendung. Dies wäre nach dem Vortrag der Antragstellerin der Fall, da die übertragenen Miteigentumsteile einen Wert von 50.000€ hätten, die übernommenen Verbindlichkeiten jedoch nur einen Wert von 27.000€. Hierbei sind die Grundsätze einer gemischten Zuwendung zu berücksichtigen. Eine Leistung ist dem BGH nach unentgeltlich, wenn dem Verfügenden kein entsprechender Gegenwert zufließt. Dies ist zunächst nach einer objektiven Wertrelation von Leistung und Gegenleistung zu beurteilen. Liegt eine Gegenleistung vor, sind die subjektiven Vorstellungen relevant für die Beurteilung, ob die Gegenleitung ein Entgelt darstellt und der Leistung wertmäßig entspricht. Bei teilweiser Unentgeltlichkeit, ist zumindest der unentgeltliche Teil der Leistung anfechtbar.

Im vorliegenden Fall liegt eine teilweise unentgeltliche Leistung des Schuldners vor. Hierfür hat dieser zwar dem Grunde nach die Darlegungs- und Beweislast. Jedoch trifft den Anfechtungsgegner in seinem Bereich eine sekundäre Darlegungslast. Beruft er sich darauf, beide Teile seien von gleichwertigen Leistungen ausgegangen, muss der Insolvenzverwalter zwar darlegen, dass keine objektiven Umstände eine solche Annahme rechtfertigten. Dabei hilft ihm aber die sekundäre Darlegungslast.

Zunächst stellt die Übernahme der Verpflichtungen gegenüber der Sparkasse eine Gegenleistung der Antragsgegnerin dar. Allerdings hat sie i.R. ihrer sekundären Darlegungslast nicht dargelegt, dass diese dem Wert des Miteigentumsteils entspricht. Auch ein Ausgleichs- oder Zugewinnausgleichsanspruch wurden in dem Eheauseinandersetzungsvertrag und späterem Vortrag nicht ausreichend beziffert und dargelegt. Hinreichend dargelegt wurde allein ein Anspruch aus § 426 Abs. 1 BGB wegen der von ihr allein getilgten Darlehensforderungen. Dieser entsprach nur um die 5.000€, womit ein Überschuss von ca. 19.500 € bleibt.

Auch der Vortrag der Antragsgegnerin, sie habe allein den Unterhalt für die gemeinsamen Kinder bestritten und den Schuldner im Innenverhältnis davon freigestellt, führt nicht dazu, dass die Antragstellerin hierfür die Beweislast trifft. Die behauptete Leistung und Freistellung sind in der Urkunde nicht erwähnt und die Antragsgegnerin erbringt auch keinen substantiierten Tatsachenvortrag, dass diese eine Gegenleistung für die Miteigentumsanteile darstellen sollten. Weiterhin besteht ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch nur, wenn ein Elternteil gerade für das andere eine Verpflichtung gegenüber dem Kind erfüllt. Der Unterhaltsanspruch ist auf Geld gerichtet, weshalb grundsätzlich nur geleisteter Barunterhalt, nicht aber Ersatz für eine Betreuung gefordert werden kann. Schließlich kann für die Vergangenheit nur ein Ausgleich gefordert werden, wenn der Verpflichtete in Verzug gekommen oder die Sache rechtshängig ist. All dies hat die Antragstellerin nicht hinreichend dargelegt.

Somit kommt es auf den Verkehrswert der Immobilie an. Diesen beziffert die Antragstellerin mit 100.000€, was von der Antragsgegnerin bestritten wird: Der Einkaufspreis hätte nur 37.000€ betragen und es wären keine werterhöhenden Maßnahmen durchgeführt worden. In der Beweisaufnahme muss daher der Immobilienwert festgestellt werden und davon ausgehend, ob der Schuldneranteil über dem Wert der dargelegten Gegenleistung liegt.

Der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten wurde von der Antragstellerin begründet. Bedenken bestehen hier nur hinsichtlich des Gegenstandwertes, der der Berechnung der außergerichtlichen Kosten zu Grunde gelegt wurde.

Praxishinweis | OLG Düsseldorf 12 W 12/22

Grundlage für den vorliegenden Beschluss des OLG Düsseldorf sind zwei Entscheidungen des BGH. Dieser legte zum einen am 01.07.2010 (IX ZR 58/09) fest, dass auch familienrechtliche Verträge der Anfechtung nach allgemeinen Regeln und der allgemeinen Beweislastverteilung unterliegen. Zum anderen entschied er am 22.10.2020 (IX ZR 208/18), dass es für die Bestimmung der Unentgeltlichkeit zunächst auf die objektive Wertrelation ankommt, die subjektive Fehlvorstellung hingegen erst relevant wird, wenn sie ihre Grundlage in objektiven Umständen des Vertragsschlusses findet. Hieran wird eine abgewogene Darlegungs- und Beweislastverteilung geknüpft. Das OLG Düsseldorf hat nun entschieden, dass die Partei, die sich auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände beruft, hierfür die Beweislast trägt. Für die Gestaltungspraxis ergibt sich, dass es in jedem Fall sinnvoll ist, die übertragenen Sachwerte und auch die dafür erbrachten Gegenleistungen in der ehevertraglichen Vereinbarung zu beziffern. In jedem Fall sollte aber zumindest der Rechtsgrund, für den geleistet wird (z.B. Unterhalt, Zugewinnausgleich…), genau bezeichnet werden. So kann auch eine Berechnung außerhalb der Urkunde miteinbezogen werden.