28.01.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BGH
06.11.2024
XII ZB 176/24
BeckRS 2024, 34834
Nichtberücksichtigung der vom Betroffenen vorgeschlagenen Person bei der Betreuerauswahl [ PDF ]
Eine vom Betroffenen vorgeschlagene Person darf bei der Betreuerwahl nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn sich nach umfassender Abwägung aller relevanten Umstände Gründe von ganz erheblichem Gewicht ergeben, die auf einen Eignungsmangel im Sinne von § 1816 Abs. 2 Satz 1 BGB schließen lassen.
Am 08.03.2021 erteilte die Betroffene ihrer Tochter eine schriftliche Vorsorgevollmacht. In der Vollmacht war auch bestimmt, dass ihre Tochter im Falle einer Erforderlichkeit zur Betreuerin bestellt werden sollte. Wenige Monate später erlitt die Betroffene eine Hirnschädigung und war in der Folge geschäftsunfähig. Im Januar 2023 bestellte das Amtsgericht den Beteiligten zu 1) zum Berufsbetreuer der Betroffenen für die Aufgabenbereiche Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge, Gesundheitssorge und Widerruf der erteilten Vollmacht vom 08.03.2021. In der Folge widerrief der Beteiligte zu 1) die Vorsorgevollmacht der Tochter per MMS an ihre Mobilfunknummer. Auf die Beschwerden der Betroffenen und ihrer Tochter hat das Landgericht den Beteiligten zu 1) als Betreuer entlassen und den Beteiligten zu 4) zum ehrenamtlichen Betreuer für die Betroffene bestellt. Gegen diesen Beschluss richten sich die Rechtsbeschwerden der Betroffenen und ihrer Tochter. Die Tochter ist mittlerweile im Schuldnerverzeichnis eingetragen.
Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.
Nach Auffassung des BGH war die Bestellung eines Betreuers im vorliegenden Fall erforderlich. Der Senat führte aus, die Angelegenheiten der Betroffenen könnte entgegen § 1814 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BGB nicht gleichermaßen durch einen Bevollmächtigten besorgt werden. Zudem habe der Beteiligte zu 1) die Vollmacht der Tochter wirksam per MMS widerrufen. Keine Rechtsfehler weist zudem die vom Landgericht getroffene Betreuerauswahl auf. Das Landgericht hatte insoweit auf die Vorschrift des § 21 Betreuungsorganisationsgesetz (BtOG) abgestellt. Hiernach ist die Voraussetzung für die Führung einer Betreuung als ehrenamtlicher Betreuer die persönliche Eignung und Zuverlässigkeit. Die Zuverlässigkeit fehlt nach § 23 Abs. 2 BtOG in der Regel, wenn die Vermögensverhältnisse eine Person ungeordnet sind, was in der Regel der Fall ist, wenn sie im Schuldnerverzeichnis (§ 882b ZPO) eingetragen ist. Der Senat führt aus, dass die Verwirklichung eines der in § 23 Abs. 2 BtOG genannten Regelbeispiele zwar nicht zwangsläufig dazu führe, dass die Zuverlässigkeit der Person zu verneinen sei. Es sei aber insoweit ausreichend gewesen, dass das Landgericht die Tochter zu ihren Vermögensverhältnissen befragt und ihre konkrete Eignung als Betreuerin der Betroffenen überprüft hatte.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Betroffene in der Vorsorgevollmacht vom 08.03.2021 den Wunsch geäußert hat, ihre Tochter zur Betreuerin zu bestellen. Zwar bestimmt § 1816 Abs. 2 S. 1 BGB, dass dem Wunsch des Betroffenen, eine bestimmte Person zum Betreuer zu bestellen grundsätzlich zu entsprechen sei. Nach Halbsatz 2 gilt dies jedoch nicht, wenn die gewünschte Person zur Führung der Betreuung nicht geeignet ist. Da das Gesetz allerdings auch in § 1816 Abs. 3 BGB bei der Betreuerauswahl auf die familiären Beziehungen des Betroffenen abstellt, darf ein Angehöriger nur dann zugunsten eines Berufsbetreuers übergangen werden, wenn sich nach umfassender Abwägung aller relevanten Umstände Gründe von ganz erheblichem Gewicht ergeben, die auf einen Eignungsmangel schließen lassen. Im Revisionsverfahren kann der BGH dabei nur überprüfen, ob dem Beschwerdegericht bei der Durchführung der Abwägung Fehler unterlaufen sind. Das Vorliegen von Fehlern vereint der Senat allerdings. Insbesondere sei dem Amtsermittlungsgrundsatz aus § 26 FamFG hinreichend Rechnung getragen worden, in dem der Tochter Gelegenheit zur Äußerung gegeben wurde.
Betreuungsbedürftige Personen äußern regelmäßig den nachvollziehbaren Wunsch, die Wahrnehmung ihrer Angelegenheiten einem Angehörigen anstelle eines dem Betroffenen häufig nicht persönlich bekannten Berufsbetreuers zu übertragen. Der Gesetzgeber hat diesem Anliegen in gewissem Umfang Rechnung getragen, indem er in der seit 01.01.2023 geltenden Neufassung des § 1814 Abs. 3 BGB der Vertretung durch einen Bevollmächtigten insoweit Vorrang gewährt, als die Bestellung eines Betreuers für die Besorgung der Angelegenheiten des Betroffenen nicht erforderlich ist. In diesem Zusammenhang kommt insbesondere eine Vorsorgevollmacht als Bevollmächtigung im Sinne dieser Vorschrift in Betracht. Auch nach der neuen Rechtslage kann allerdings eine Vorsorgevollmacht widerrufen werden, wobei der Gesetzgeber durch die Reform des Betreuungsrechts zum 01.01.2023 die Anforderungen an einen derartigen Widerruf deutlich verschärft hat. Nach § 1820 Abs. 5 BGB muss das Festhalten an der Vorsorgevollmacht nunmehr eine künftige Verletzung der Person oder des Vermögens des Betreuten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten lassen und mildere Maßnahmen nicht zur Abwehr eines Schadens für den Betreuten geeignet erscheinen. Zudem bedarf es nach neuer Rechtslage einer Genehmigung des Widerrufs durch das Betreuungsgericht. Der Sachverhalt, der der Entscheidung des BGH zugrunde lag, könnte sich in der Form nach neuer Rechtslage also nicht mehr ereignen. Das Urteil zeigt zudem die Grenzen der Autonomie des Betroffenen im Rahmen der Betreuerbestellung auf. Soweit Eignungsmängel auf Seiten der vom Betroffenen als Betreuer vorgeschlagenen Person vorliegen, kann das Gericht einem familienexternen Berufsbetreuer den Vorzug geben, wobei die Entscheidung in den Rechtsmittelinstanzen nur der eingeschränkten Überprüfung auf Abwägungsfehler unterliegt. Beteiligte sollten sich dieser Einschränkungen im Vorfeld der Betreuerbestellung bewusst sein, um negative Überraschungen zu vermeiden und von vornerein Personen als gewünschten Betreuer benennen, welche die vom Gesetzgeber vorgegebenen Eignungskriterien erfüllen.