07.03.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Frankfurt a.M.
12.09.2024
20 W 212/23
BeckRS 2024, 30100
Nachweis der Erbfolge gegenüber dem Grundbuchamt bei Pflichtteilsstrafklausel [ PDF ]
Gegenüber dem Grundbuchamt kann im Falle eines notariellen gemeinschaftlichen Testaments mit Pflichtteilsstrafklausel, sofern kein Erbschein vorgelegt wird, die Nichtgeltendmachung des Pflichtteils nach dem ersten Erbfall nur durch von einem Notar aufgenommene eidesstattliche Versicherung nachgewiesen werden.
Die Beteiligten sind Kinder der mittlerweile verstorbenen Eheleute A. Diese hatten im Jahr 2004 ein notarielles gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig als Erben einsetzten. Der Letztversterbende der Eheleute sollte danach von den Beteiligten zu gleichen Teilen beerbt werden, wobei im Falle des vorzeitigen Todes eines Beteiligten seine Kinder – also die jeweiligen Enkelkinder der Eheleute A – an dessen Stelle treten sollten. Zudem enthielt das Testament eine sog. Pflichtteilsstrafklausel, in der folgendes bestimmt war: „Sollte einer unserer Erben […] nach dem Erstversterbenden von uns den Pflichtteil verlangen, so soll er auch nach dem Zuletztversterbenden lediglich den Pflichtteil erhalten. Der frei werdende Nachlass fließt dann den übrigen Miterben, die keinen Pflichtteilsanspruch haben, zu gleichen Teilen zu.“ Zunächst starb der Ehemann A, im Jahr 2022 auch die Ehefrau A. Zum Nachlass gehörte auch ein Grundstück, welches im Rahmen eines notariellen Erbauseinandersetzungsvertrages an den Beteiligten zu 3 übertragen werden sollte. Einen entsprechenden Antrag der Beteiligten, dem das Testament als Erbnachweis beigefügt war, lehnte das Grundbuchamt mit einer Zwischenverfügung ab und forderte die Beteiligten auf, einen Erbschein oder eine eidesstattliche Versicherung vorzulegen, aus der hervorgeht, dass keiner von ihnen nach dem Tod des Erstverstorbenen den Pflichtteil geltend gemacht hat. Daraufhin reichten die Beteiligten beim Grundbuchamt eine öffentlich beglaubigte Erklärung ein, in der sie an Eides statt versicherten, nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils keinen Pflichtteilsanspruch geltend gemacht zu haben und somit zu gleichen Teilen Erben geworden zu sein. Die Erklärung beruhte auf einem Entwurf, den die Notarin den Beteiligten zur Unterschrift übersandt hatte und der im Anschluss von einem Ortsgerichtsvorsteher bzw. einem Ratsschreiber nach den maßgeblichen landesrechtlichen Vorschriften öffentlich beglaubigt wurde. Der Entwurf enthielt auch einen Hinweis auf die strafrechtlichen Folgen einer falschen eidesstattlichen Versicherung. Das Grundbuchamt lehnte eine Eintragung daraufhin weiterhin ab, wogegen die Beteiligten Beschwerde vor dem Oberlandesgericht einlegten.
Die Beschwerde blieb ohne Erfolg.
Das Grundbuchamt hat die Eintragung der Eigentumsübertragung zu Recht abgelehnt.
Gem. § 29 Abs. 1 GBO soll eine Eintragung nur vorgenommen werden, wenn die Voraussetzungen der Eintragung durch öffentliche Urkunden nachgewiesen wurden. Nach § 35 Abs. 1 S. 1 GBO ist dazu grundsätzlich ein Erbschein oder ein europäisches Nachlasszeugnis erforderlich. Ausnahmsweise soll nach Satz 2 dieser Vorschrift auch die Vorlage einer Verfügung von Todes wegen in öffentlicher Urkunde nebst Niederschrift ihrer Eröffnung ausreichen, wenn hierdurch die Erbfolge nachgewiesen werden kann. Diese Voraussetzungen sah das OLG Frankfurt a.M. im Hinblick auf das dem ursprünglichen Antrag beigefügte Testament nicht als gegeben an. Aufgrund der Pflichtteilsstrafklausel bestünde die Möglichkeit, dass möglicherweise alle Beteiligten aufgrund der Verwirkung der Pflichtteilsstrafklausel nach dem Tod des erstverstorbenen Vaters von der Erbfolge ausgeschlossen wurden. In diesem Fall wären – je nach Auslegung - entweder ihre Abkömmlinge, also die Enkel der verstorbenen Eheleute, antragsberechtigt, sodass kein Antrag eines Berechtigten vorläge. Alternativ könnte in diesem Fall die gesetzliche Erbfolge gelten, sodass der Nachweis der Erbfolge nicht i.S.d. § 35 Abs. 1 S. 1 GBO „durch“ die Verfügung von Todes wegen erbracht worden wäre. In beiden Fällen lägen also die Voraussetzungen für eine Eintragung nicht vor, weswegen es hier eines weitergehenden Nachweises bedurfte. Insoweit kann nach Auffassung des OLG eine eidesstattliche Versicherung den Nachweis der fehlenden Geltendmachung des Pflichtteils erbringen und somit das Eintragungshindernis überwinden. Dies gelte aber nur, wenn die eidesstattliche Versicherung vor einem Notar aufgenommen wurde. Nur in diesem Fall, kann von einer angemessenen Belehrung über die Bedeutung der eidesstattlichen Versicherung (§ 38 Abs. 2 BeurkG), und dementsprechendem einem hinreichenden Beweiswert der Erklärung ausgegangen werden. Das Gericht stellte dabei ausdrücklich klar, dass die öffentliche Beglaubigung der Erklärung – selbst durch einen Notar - allein nicht ausreichend sei, da es hier gemäß § 40 Abs. 2 BeurkG an einer entsprechenden Beratungspflicht fehle.
Bedeutung und Anforderungen einer eidesstattlichen Versicherung im Rahmen des grundbuchrechtlichen Verfahrens werden in Literatur und Rechtsprechung kontrovers diskutiert und bergen für die Beteiligten in der Praxis erhebliche Risiken – namentlich im Hinblick auf die aus erfolglosen Anträgen resultierenden Kosten- und Zeitverluste. Dieses Risiko verdeutlicht eine ebenfalls 2024 veröffentlichte Entscheidung des OLG Schleswig (Beschl. v. 16.08.2024 – 2x W 46/24), in der das Gericht in einer vergleichbaren Konstellation eine einfache notariell beglaubigte Erklärung in der Form des § 29 GBO über die unterlassene Geltendmachung des Pflichtteils genügen ließ und somit – anders als das OLG Frankfurt a.M. – gerade nicht voraussetzte, dass die Erklärung selbst vor einem Notar abgegeben wurde. Dies zeigt, dass bereits in der Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen zu den Anforderungen an eine taugliche eidesstattliche Versicherung existieren. In der Literatur gibt zudem Stimmen, die eine eidesstattliche Erklärung in Fällen der vorliegenden Art generell nicht als taugliches Beweismittel erachten. Als Argument hierfür wird angeführt, dass sich strafrechtliche Konsequenzen aus einer falschen eidesstattlichen Versicherung gem. § 156 StGB nur ergeben, wenn die Versicherung vor einer zuständigen Behörde abgegeben wird. Zuständigkeit setzt nach einer Grundsatzformel des BGH aber nicht nur die allgemeine Zuständigkeit zur Abnahme eidesstattlichen Versicherung voraus, sondern vielmehr, dass die konkrete Versicherung über den Gegenstand, auf den die Versicherung sich bezieht, abgenommen werden darf und nicht rechtlich völlig wirkungslos ist (vgl. BGH, Beschl. v. 18.01.2011 – 4 StR 611/10). Nach § 22 Abs. 2 BNotO ist der Notar grundsätzlich aber nur für die Aufnahme, d.h. die Beurkundung entsprechender Versicherungen, zuständig. Davon zu unterscheiden ist allerdings die Abnahme, also die strafrechtsrelevante Entgegennahme der eidesstattlichen Versicherung (Sander, in BeckOK BNotO, 10. Ed. 01.08.2024, § 22 Rn. 22). Deren Zulässigkeit hängt davon ab, ob die eidesstattliche Versicherung nach den gesetzlichen Bestimmungen auch vor einem Notar abgegeben werden kann, wie dies etwa für den Erbschein (§ 352 Abs. 3 Nr. 3 FamFG) ausdrücklich vorgesehen ist. In der Grundbuchordnung ist eine entsprechende Zuständigkeit allerdings geregelt, sodass sowohl der oben genannte Beschluss des OLG Schleswig als auch die vorliegende Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. durchaus Angriffsfläche bieten. Begrüßenswert ist insoweit, dass der Senat die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen hat, sodass sich die Praxis berechtigte Hoffnung auf eine Klärung dieser Frage machen darf. Bis dahin ist die Beantragung eines Erbscheins zum Nachweis der Erbfolge in vergleichbaren Konstellationen die sicherste Variante, wenngleich die Nachteile – Kosten- und Zeitaufwand – auch hier nicht von der Hand zu weisen sind.