24.09.2024
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Hamm
17.06.2024
8 U 102/23
ZIP 2024, 2025
Die Klägerin zu 3) wurde am 21. November 2017 gegründet, um ein Grundstück in U. zu erwerben, bestehende Gebäude zu sanieren und anschließend zu verkaufen. Zu den Gründungsgesellschaftern gehörten die Klägerinnen zu 1) und 2), die Beklagte sowie die Z. GmbH, alle mit einer Beteiligung von jeweils 25 %. Der Gesellschaftsvertrag regelte die Aufgabenverteilung, wobei die Beklagte als Geschäftsführerin für den Erwerb, die Sanierung und den Verkauf der Objekte verantwortlich war. Die Klägerinnen zu 1) und 2) gewährten der Gesellschaft jeweils Darlehen in Höhe von 230.000 €, verzinst mit 3 %.
Die Sanierungsarbeiten des betroffenen Grundstücks wurden jedoch nicht wie geplant durchgeführt, was zu einem Baustopp durch die Bauaufsichtsbehörde führte. Zudem überwies die Beklagte ohne Absprache 34.000 € vom Geschäftskonto der Gesellschaft auf ihr eigenes Konto, was zu Streitigkeiten zwischen den Parteien führte. Schließlich legte die Beklagte ihre Geschäftsführungsposition nieder. Daraufhin forderten die Klägerinnen die Abtretung der Gesellschaftsanteile von der Beklagten und der Z. GmbH, was durch ein Gerichtsurteil erzwungen wurde.
Die Klägerinnen verklagten die Beklagte in erster Instanz auf Rückzahlung der Darlehen sowie auf Schadensersatz wegen der Verletzung der gesellschaftsvertraglichen Pflichten und der unrechtmäßigen Überweisung. Sie warfen der Beklagten vor, ein unlauteres Geschäftsmodell verfolgt und die Investoren getäuscht zu haben.
Das Landgericht gab der Klage größtenteils statt.
Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung ein. Sie argumentierte, dass sie nach ihrem Ausscheiden aus der Gesellschaft nicht mehr für die Rückzahlung der Darlehen haftbar sei, da sie ihren Anteil unentgeltlich auf die Klägerinnen übertragen habe. Zudem verwies sie auf § 738 BGB, wonach die verbleibenden Gesellschafter den ausscheidenden Gesellschafter von den Verbindlichkeiten befreien müssen. Der Gesellschaftsvertrag sehe ebenfalls eine entsprechende Freistellung vor. Schließlich betonte die Beklagte, dass das Gesellschaftsvermögen vorrangig zur Begleichung der Verbindlichkeiten herangezogen werden müsse und bestritt zudem die Höhe des geltend gemachten Schadens.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.
Zunächst beurteilt der Senat die Sach- und Rechtslage hinsichtlich der Vorschriften des BGB zur GbR und des HGB zur Gesellschafterhaftung in der Fassung vom 10.08.2021 aufgrund des MoPeG. Die Änderungen der §§ 736, 738 BGB a.F. (§§ 723 ff., 728, 728b BGB n.F.) sind nach Art. 1 MoPeG gemäß Art. 137 MoPeG ohne Übergangsvorschriften in Kraft getreten. Die Änderungen des § 128 HGB a.F. (§ 126 HGB n.F.) und § 160 HGB a.F. (§ 137 HGB n.F.) fallen nach Art. 51 MoPeG nicht unter die Übergangsregelungen in Art. 89 EGHGB gemäß Art. 52 MoPeG.
Es wird vertreten, dass die Regelung des § 721 BGB n.F., die seit dem 01.01.2024 die Haftung von BGB-Gesellschaftern für Verbindlichkeiten der GbR regelt, grundsätzlich auch auf Altgesellschaften ab dem Inkrafttreten Anwendung findet. Maßgeblich ist jedoch der Zeitpunkt der haftungsauslösenden Handlung, also die Verwirklichung des Tatbestands der Gesellschafterhaftung. Haftungstatbestände, die vor dem 01.01.2024 verwirklicht wurden, sind weiterhin nach der früheren akzessorischen Gesellschafterhaftung gemäß §§ 128 ff. HGB a.F. zu beurteilen, da der Regelungsgehalt von § 721 BGB a.F. dem entspricht. Dies stützt sich auf den Grundsatz lex temporis actus, wonach es grundsätzlich auf das zum Zeitpunkt des zu beurteilenden Sachverhalts geltende Recht ankommt, wenn sich die gesamte Entstehung unter dem alten Recht vollzogen hat. Eine ältere Entscheidung des Bundesgerichtshofs besagt, dass die Rückwirkung neuen Rechts auf unter dem früheren Recht begründete Rechtsverhältnisse grundsätzlich nicht anzunehmen ist; sie muss ausdrücklich bestimmt oder eindeutig dem neuen Gesetz entnommen werden. Andernfalls greift der Grundsatz, dass Schuldverhältnisse in Bezug auf Inhalt und Wirkung dem Recht unterliegen, das zum Zeitpunkt der Verwirklichung ihres Entstehungstatbestands galt. Die besseren Argumente sprechen jedoch dafür, die neuen Vorschriften, namentlich die §§ 721, 728 und 728b BGB n.F., für den vorliegenden Fall anzuwenden. Dem MoPeG kann eindeutig entnommen werden, dass die neuen Normen Anwendung finden, wenn sich der Regelungsgehalt der neuen Normen nicht inhaltlich von den bis zum 31.12.2023 geltenden Vorschriften unterscheidet. Der Gesetzgeber hat bewusst keine Übergangsvorschriften mit Ausnahme der nicht berührenden Art. 89 EG-BGB (über § 52 MoPeG) und des Art. 229 § 21 und § 61 EGBGB verabschiedet. Dies erlaubt den Umkehrschluss, dass für Normen, die nicht unter die genannten Übergangsvorschriften fallen, dem MoPeG auch ohne ausdrückliche Klarstellung eindeutig entnommen werden kann, dass diese ab dem 01.01.2024 gelten sollen. Denn die ratio des Rechtsgrundsatzes lex temporis actus, den an einem Rechtsgeschäft bzw. Schuldverhältnis beteiligten Parteien Rechtssicherheit und Vertrauensschutz in Bezug auf die Fortgeltung der materiellen Rechtslage einzuräumen, die zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Entstehungstatbestands galt, greift lediglich für Normen, die die Rechtslage gegenüber dem früheren Stand ändern. Daher sind mangels gesetzlicher Regelung (außerhalb der genannten abschließend kodifizierten Übergangsvorschriften) Übergangsfragen bei Altgesellschaften und deren Rechtsakten (nur dann) nach den allgemeinen Regeln des intertemporalen Rechts zu beurteilen, wenn sich alte und neue Rechtslage materiell unterscheiden. Dementsprechend ist bei jeder Norm, die die Rechtslage gegenüber dem früheren Stand ändert, im Einzelnen nach Maßgabe des intertemporalen Privatrechts zu ermitteln, welches nach dem materiellen-rechtlichen lex temporis actus der maßgebliche Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung der konkreten Anknüpfung ist. Während insbesondere für das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis wegen der erheblichen Änderungen der normativen Regelungen vor allem über Art. 229 § 61 EGBGB in vielen Fällen noch das Recht maßgeblich sein wird, welches zum Zeitpunkt der maßgeblichen Handlung galt, und für den Entstehungstatbestand des Anspruchs gegen eine GbR grundsätzlich die zurzeit der Entstehung geltenden materiell-rechtlichen Regelungen Anwendung finden müssen, haben die Regelungen der akzessorischen Haftung des GbR-Gesellschafters für Gesellschaftsverbindlichkeiten (§ 128 HGB a.F. analog bzw. § 721 BGB n.F.), der fünfjährigen Nachhaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters (§ 160 HGB a.F. analog bzw. § 728b BGB n.F.) und der Ansprüche eines nicht durch Kündigung ausgeschiedenen Gesellschafters gegen die Gesellschaft (§§ 736 Abs. 2, 738 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. bzw. § 728 Abs. 1 BGB n.F.) sich mit den neuen Normen materiell-rechtlich nicht geändert, so dass kein Bedürfnis besteht, entgegen Wortlaut und Systematik des MoPeG über die abschließenden Übergangsregelungen hinausgehend auf allgemeine intertemporale Rechtsgrundsätze zurückzugreifen, deren Schutzzwecke gar nicht zum Tragen kommen.
Demnach kann für die ursprünglich nach §§ 128, 160 HGB a.F. analog begründete Nachhaftung eines GbR-Gesellschafters für Drittansprüche sowie für die Ansprüche des Gesellschafters bei Ausscheiden ohne Kündigung im Falle der Abbedingung der §§ 723-728 BGB a.F. im Gesellschaftsvertrag nach §§ 736 Abs. 2, 738 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. ab dem 01.01.2024 uneingeschränkt auf die in ihrem Wesensgehalt inhaltsgleichen Regelungen in den §§ 721, 728b BGB sowie § 728 Abs. 1 BGB n.F. auch für Altverbindlichkeiten abgestellt werden; nur dann, wenn der Gesellschaftsvertrag einer Alt GbR die bis zum 31.12.2023 geltenden §§ 723-728 BGB a.F. zur Auflösung der Gesellschaft bei Ausscheiden eines Gesellschafters nicht abbedungen hat, kann gemäß Art. 229 § 61 EGBGB die Fortgeltung des früheren Rechts verlangt werden. Vorliegend hat der Gesellschaftsvertrag (GV) der Klägerin zu 3) in §§ 8 Abs. 3, 15-17 die §§ 723-728 BGB a.F. durch die Regelungen über die Verpflichtung zur entgeltlichen Abtretung des Gesellschaftsanteils unter näheren Voraussetzungen sowie die Regelungen über die Folgen des Ausscheidens eines Gesellschafters, die Übertragung von Gesellschaftsanteilen und das Abfindungsguthaben abbedungen, so dass auch insoweit kein durchgreifender Grund für die Fortgeltung des alten Rechts besteht.
Im Hinblick auf die Ansprüche des ausgeschiedenen Gesellschafters, die Haftung für den Fehlbetrag und die Nachhaftung ist die Rechtslage ab dem 01.01.2024 daher grundsätzlich nach den §§ 728, 728a, 728b BGB n.F. zu beurteilen. Nur für die (vorliegend nicht streitgegenständliche) Haftung auf den Fehlbetrag nach § 728a BGB n.F. ist entscheidend auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestandes abzustellen. Damit sind Anspruchsgrundlage für den Anspruch der Klägerin zu 1) gegen die Beklagte die §§ 488 Abs. 1 Satz 2, 721, 728b Abs. 1 BGB n.F. i.V.m. § 6 Abs. 2 des Darlehensvertrags vom 21.11.2017. Diese Anspruchsvoraussetzungen sind dem Grunde nach erfüllt.
Des Weiteren war das Landgericht im Recht, dass es sich bei der Darlehensrückforderung um eine Gesellschaftsverbindlichkeit der Klägerin zu 3) in Form eines sog. „Drittanspruchs“ und nicht um eine gesellschaftsinterne Verbindlichkeit handelt.
Drittansprüche sind solche, die ihre Grundlage in einem Rechtsverhältnis haben, das mit dem Gesellschaftsvertrag unmittelbar nichts zu tun hat und das die Gesellschaft in gleicher Weise mit einem Dritten eingehen könnte. Drittansprüche seien danach etwa Ansprüche aus Kauf-, Miet-, Pacht und Darlehensverträgen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter. Der Rechtsgrund der Gesellschaftsverbindlichkeit liege auch dann in dem besonderen Vertrag und nicht im Gesellschaftsverhältnis, wenn der Gesellschaftsvertrag – wie vorliegend – Regelungen enthalte, wonach der Gesellschafter im Rahmen seiner Beitragspflicht gehalten sei, Verträge dieser Art mit der Gesellschaft abzuschließen. Bei der Durchsetzung seiner Drittgläubigerforderungen müsse der Gesellschafter-Gläubiger nicht zunächst die Gesellschaft in Anspruch nehmen, bevor er die Drittgläubigerforderung gegen die Mitgesellschafter geltend mache; es komme nicht darauf an, ob eine Befriedigung aus dem Gesellschaftsvermögen zu erwarten sei oder nicht. Eine generell nur subsidiäre Haftung der Mitgesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft aus Drittgeschäften mit einem Gesellschafter auf Grund der gesellschaftsvertraglichen Treuepflicht bestehe mangels Schutzbedürftigkeit der Mitgesellschafter nicht. Ansonsten hafteten dem Gesellschafter-Gläubiger seine Mitgesellschafter nach § 128 HGB als Gesamtschuldner; der Gesellschafter-Gläubiger müsse sich allerdings die eigene Haftungsquote anrechnen lassen. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe handele es sich bei dem Anspruch der Klägerin zu 1) aus dem Darlehensvertrag mit der Klägerin zu 3) um einen Drittanspruch i.S.d. § 128 HGB. Die §§ 721 S. 1, 728b Abs. 1 BGB n.F. hat an der landesgerichtlichen Einschätzung der persönlichen Haftung nichts Entscheidungserhebliches geändert. Bei einer Drittverbindlichkeit der GbR gegenüber einem Gesellschafter haften die Mitgesellschafter grundsätzlich gemäß § 721 S. 1 BGB n.F. gesamtschuldnerisch, wobei sich der Gläubiger-Gesellschafter seinen eigenen Verlustanteil, die Quote gemäß § 709 Abs. 3 BGB n.F., abziehen lassen muss, was nach Abtretung fortgilt. Die Klägerin zu 3) schuldet den Klägerinnen zu 1) und zu 2) als ihren Gesellschafterinnen somit aufgrund der Darlehensverträge vom 21.11.2017 und ihren jeweiligen zweimaligen Verlängerungen seit dem 01.01.2021 aus § 6 Abs. 2 der Verträge i.V.m. § 488 Abs. 1 S. 2 BGB die Rückzahlung der jeweils schrittweise ausgezahlten Darlehensvaluta und der vereinbarten Vertragszinsen.
Auch nach Inkrafttreten des MoPeG am 01.01.2024 können Altverbindlichkeiten weiterhin nach den alten Vorschriften beurteilt werden. Daher ist es wichtig, etwaige Übergangsvorschriften zu beachten.
Bei Verträgen zwischen der GbR und ihren Gesellschaftern sollten außerdem Drittverbindlichkeiten berücksichtigt werden. Diese umfassen z. B. Ansprüche aus Darlehens-, Kauf- oder Mietverträgen und unterliegen der gesamtschuldnerischen Haftung nach § 721 BGB n.F. Gesellschafter sollten sich bewusst sein, dass sie in solchen Fällen nicht nur die Gesellschaft, sondern auch direkt die Mitgesellschafter in Anspruch nehmen können; sie müssen jedoch ihren eigenen Verlustanteil quotal gemäß § 709 Abs. 3 BGB n.F. abziehen. Des Weiteren ist die fünfjährige Nachhaftung ausgeschiedener Gesellschafter nach § 728b BGB n.F. zu beachten.
Zuletzt ist es in der Praxis vorteilhaft, klare Regelungen im Gesellschaftsvertrag zu schaffen für den Fall, dass ein Gesellschafter austritt oder Gesellschaftsanteile abgetreten werden. Insbesondere muss geregelt sein, ob und unter welchen Bedingungen die §§ 723 ff. BGB abbedungen werden.