24.09.2024
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BGH
08.07.2024
NotSt (Brfg) 3/23
BeckRS 2024, 21211
Grundsätzliches Verbot der Vertretung eines Verbrauchers durch vollmachtlosen Vertreter [ PDF ]
Soweit die Richtlinien der Notarkammer für die Amtspflichten und sonstigen Pflichten ihrer Mitglieder vorsehen, dass eine systematische Beurkundung mit vollmachtlosen Vertretern in der Regel unzulässig ist, kann dies nicht als ein über die gesetzliche Regelung des § 17 IIa 2 Nr. 1 BeurkG hinausgehendes Verbot verstanden werden.
Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Gestaltung des Beurkundungsverfahrens, soweit der Schutzzweck des § 17 IIa 2 Nr. 1 BeurkG, die Verbesserung des Verbraucherschutzes durch die notarielle Verfahrensgestaltung, betroffen ist.
Insoweit verbleibt es bei dem bereits in der gesetzlichen Regelung des § 17 IIa 2 Nr. 1 BeurkG angelegten grundsätzlichen Verbot, Verbraucher durch einen vollmachtlosen Vertreter, der keine Vertrauensperson ist, vertreten zu lassen. (Rn. 8)
Es wird um die Berechtigung einer Disziplinarverfügung gestritten.
Die Klägerin ist Anwaltsnotarin mit Sitz in Rheine. Sie beurkundete von 2019 bis 2021 sechs Grundstückskaufverträge, wobei sie auf Anfrage der Stadt Rheine eine ihrer Mitarbeiterinnen als vollmachtlose Vertreterin für die Stadt einsetzte.
Die zuständige Notarkammer (Beklagte) leitete nach Kenntniserlangung ein Disziplinarverfahren ein. Die Klägerin habe demnach durch den systematischen Einsatz eines vollmachtlosen Vertreters auf Seiten der Stadt Rheine gegen die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Gestaltung des Beurkundungsverfahrens (§ 17 I BeurkG, § 14 I, III 2 BNotO) verstoßen. Dies wurde von der Beklagten zusammen mit anderen nicht bestrittenen Vorwürfen als einheitliches Dienstvergehen mit einer Geldbuße i.H.v. 2.500 € bedacht.
Die Klägerin erhob Anfechtungsklage zum OLG, das keine Amtspflichtverletzung hinsichtlich des Einsatzes von Mitarbeitern als vollmachtlose Vertreter feststellte und das Bußgeld auf 1.750 € verringerte. Dagegen stellte die Beklagte einen Antrag auf Zulassung der Berufung mit dem Ziel die Anfechtungsklage abzuweisen.
Der Antrag sei zwar zulässig, aber bleibe in der Sache mangels eines Grundes zur Zulassung der Berufung ohne Erfolg.
Zunächst bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils i.S.v. § 124 II Nr. 1 VwGO.
Der Notar habe sich gem. § 14 BNotO stets unparteiisch und unabhängig zu verhalten. Im Beurkundungsverfahren sei gem. § 17 I BeurkG darauf zu achten, dass Irrtümer und Zweifel vermieden sowie unerfahrene und ungewandte Beteiligte nicht benachteiligt werden. Deshalb sei bei Verbraucherverträgen auf die Abgabe aller rechtsgeschäftlicher Erklärungen durch den Verbraucher selbst oder dessen Vertrauensperson hinzuwirken. (vgl. § 17 IIa 1, 2 Nr. 1 BeurkG).
Dies werde durch die Richtlinien der Westfälischen Notarkammer lediglich konkretisiert. Daher sei die Festlegung, dass die systematische Beurkundung mit vollmachtlosen Vertretern i.d.R. unzulässig ist, nicht als ein über die gesetzliche Regelung hinausgehendes Verbot zu werten. Vielmehr verbleibe es bei dem Verbot eines vollmachtlosen Vertreters nur für Verbraucher. Geschäftserfahrene Beteiligte seien nicht belehrungsbedürftig und sollen sich daher auch systematisch vollmachtlos vertreten lassen dürfen. Insbesondere habe die Klägerin nicht ihre Schutzpflicht gegenüber der Stadt Rheine verletzt, da diese um die vollmachtlose Vertretung gebeten hatte.
Jedoch sei die Vertretung der Kommune durch einen Sachverständigen dieser zu übernehmen, um die Verhandlungsfunktion der Beurkundung zu wahren. Jedoch sei die Entscheidungsstruktur der öffentlichen Hand anders als bei privaten juristischen Personen, sodass auch ein bevollmächtigter Vertreter größeren Änderungen nicht ohne Rücksprache zustimmen dürfte. Daher mache das Vorliegen einer Vollmacht i.E. kaum einen Unterschied hinsichtlich möglicher Verhandlungen.
Stattdessen reiche es auch aus, wenn zuvor zumindest ein Entwurf versendet wurde, was von der Klägerin mehrfach getan wurde. Folglich werde der Verhandlungsfunktion genügt.
Es werde auch kein Anschein der Abhängigkeit oder Parteilichkeit durch einen planmäßigen Einsatz eigener Mitarbeiter als vollmachtlose Vertreter für die Stadt Rheine als „kostenlose Serviceleistung“ erweckt, da es sich um nur sechs Fälle in 18 Monate handele und die Vertragspartner der Stadt stets die Wahl des Notariats vornahmen.
Die Frage ob die während der Corona-Pandemie wünschenswerte Reduktion sozialer Kontakte gefördert wurde und eine Amtspflichtverletzung deshalb ausgeschlossen sei, wird offengelassen.
Des Weiteren bestehe auch keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gem. § 123 II Nr. 3 VwGO. Dafür sei die Klärung einer Rechtsfrage erforderlich, an der auch für vergleichbare Fälle ein Interesse besteht. Jedoch sei die Möglichkeit nicht ausreichend, dass andere Notare ihre Mitarbeiter auch für die öffentliche Hand als vollmachtlose Vertreter einsetzen. Darüber hinaus sei die Rechtslage zumindest nach diesem Beschluss nicht mehr unklar.
In dieser Entscheidung folgt der Senat hinsichtlich der Einordnung von Notarkammer-Richtlinien seiner ständigen Rechtsprechung. Angesichts dessen ist es folgerichtig ein Verbot zu verneinen, das über die gesetzlichen Verbote hinausgeht und seine Stütze nur im Wortlaut der Richtlinien findet.
Dabei wurde zwar der Einsatz eigener Mitarbeiter als vollmachtlose Vertreter grundsätzlich gebilligt, jedoch geht aus der gesonderten Prüfung durch den Senat hervor, dass auch „Nicht-Verbraucher“ schutzbedürftig sein können. Eine solche vollmachtlose Vertretung wäre in diesem Fall unter Umständen zu unterlassen. Des Weiteren werden die vom Senat genannten Grundsätze zur Verhandlungsfunktion zu beachten sein.