28.09.2022
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
LG Leipzig
23.03.2022
06 O 68/21
NotBZ 2022, 275
GmbH-Geschäftsführer: Voraussetzungen eines Missbrauchs der Vertretungsmacht [ PDF ]
Die Klägerin ist eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand laut § 2 ihres Gesellschaftervertrages die Anpachtung und Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Nutzflächen, die Tierhaltung sowie die Vermögensverwaltung ist. Mit notariellem Vertrag vom 08.01.2020 verkaufte die Klägerin ein Grundstück, das eine Fläche von über 40.000 m2 aufweist zum Preis von 10.000,00 € an die Beklagte. Es wurde die Eintragung einer Auflassungsvormerkung für die Beklagte vereinbart und die Auflassung erklärt. Bei diesem Notartermin trat der damalige Geschäftsführer der Klägerin als Vertreter sowohl für die Klägerin als Verkäuferin sowie für die Beklagte als Käuferin auf. Die Klägerin behauptet, ihr damaliger Geschäftsführer habe das Grundstück im kollusiven Zusammenwirken mit der Beklagten zum Nachteil der Klägerin weit unter seinem tatsächlichen Wert verkauft, um sich und andere zu bereichern. Sie meint, er habe dadurch seine Vertretungsmacht missbraucht, da er die Klägerin zwar formal als Geschäftsführer vertreten durfte, ihm dies im Innenverhältnis aber nicht gestattet gewesen sei. Er habe hierbei zum Nachteil der Klägerin gehandelt, da das Grundstück einen Wert von 2,3 Mio. Euro habe und lediglich zum Preis von 10.000,00 € verkauft worden sei. Aufgrund dessen sei der Vertrag auch wegen Wuchers gemäß § 138 BGB nichtig. Die Klägerin begehrt die Löschung der Auflassungsvormerkung. Mit der Widerklage begehrt die Beklagte die lastenfreie Übereignung dieses Grundstücks sowie Feststellung des Übergangs der Nutzungen des Grundstücks und Auskunft über die gezogenen Nutzungen.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Klägerin stehe ein Anspruch gemäß § 894 ZPO auf Löschung der Auflassungsvormerkung, die im Grundbuch eingetragen ist, zu. Das Grundbuch sei unrichtig, da der Kaufvertrag, mit dem die Eintragung der Vormerkung bewilligt wurde und aufgrund dessen die Eigentumsübertragung erfolgen sollte, unwirksam sei. Zunächst hätte der Geschäftsführer die Klägerin wirksam vertreten (§ 35 I GmbHG) und auch die Beschränkung im Innenverhältnis wirke sich auf das Außenverhältnis nicht aus (§ 37 II GmbHG). Der dadurch erzielte Verkehrsschutz reiche nach ständiger Rechtsprechung jedoch nicht grenzenlos. Das Vertrauen des Geschäftspartners auf den Bestand des Geschäfts sei vielmehr nicht schutzwürdig, wenn er wisse oder es sich ihm geradezu aufdrängen müsse, dass der Geschäftsführer seine Vertretungsmacht missbraucht. Dann könne der Geschäftspartner keine vertraglichen Rechte geltend machen. Nicht nötig sei es nach der Ansicht des LG Leipzig, dass der Geschäftsführer und der Vertragspartner zum Nachteil der Gesellschaft wirkten. Lediglich dann (wie vorliegend), wenn der Geschäftsführer auf beiden Seiten auftrete und ein Insichgeschäft (§ 181 BGB) vollziehe, sei für die Unwirksamkeit des Geschäfts ein nachteiliges Vertreten zu Lasten der Gesellschaft nötig. Die Beklagte hätte mithin Kenntnis von dieser Beschränkung der Vollmacht im Innenverhältnis, da ihr gemäß § 166 Abs. 1 BGB die Kenntnis und das Kennenmüssen ihres Vertreters zuzurechnen sei. Da der Geschäftsführer der Klägerin bei Abschluss des Geschäfts nicht nur für die Klägerin, sondern auch für die Beklagte aufgetreten ist und seine Befugnisse kennen musste, sei dies der Beklagten zuzurechnen. Ferner handle es sich bei einem Verkauf eines Grundstücks dieser Größe, das nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin auch den wesentlichen Wertgegenstand der Klägerin darstellt, um eine Maßnahme, die erheblich über den "gewöhnlichen Geschäftsbetrieb" hinausgehe. Ein entsprechend notwendiger (§ 13 II des Gesellschaftsvertrags der Klägerin) Gesellschafterbeschluss lag nicht vor. Diese fehlende Vertretungsmacht aufgrund des Missbrauchs sei dem Wissen der Beklagten zuzurechnen. Letztlich sei das Grundbuch durch die eingetragene Vormerkung unrichtig. Diese ist gemäß § 894 ZPO zu löschen.
Werden die Parteien eines Vertrags auf beiden Seiten von einer Person vertreten, so sollte der § 181 BGB beachtet werden. Im Fall der Kollusion kann sich die Unwirksamkeit des Vertrags ergeben. Ebenfalls beachtlich bei einer Mehrfachvertretung ist dann, dass bei einem Mangel der Vertretungsmacht des Geschäftsführers dieses Wissen der anderen Partei hinzugerechnet wird. Der § 37 II GmbHG, welche eine Unbeachtlichkeit der Beschränkung im Innenverhältnis erklärt, ist dann nicht anzuwenden. Vielmehr greift § 166 I BGB. Conclusio ist mithin, dass beiden Vertragsparteien der Mangel bekannt ist und die Grenze des § 37 II GmbHG überschritten wird.