BGH IX ZR 216/22
Gesellschaftsdarlehensrecht im Rahmen einer GmbH & Co. KG

12.12.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
07.11.2024
IX ZR 216/22
BeckRS 2024, 32925

Leitsatz | BGH IX ZR 216/22

Die fehlende Beteiligung der Komplementär-GmbH am Kapital der darlehensnehmenden GmbH & Co. KG steht einer Anwendung des Gesellschafterdarlehensrechts auf den Gesellschafter der Komplementär-GmbH nicht entgegen.

Sachverhalt | BGH IX ZR 216/22

Der Kläger ist Verwalter im am 05. März 2018 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der A. GmbH, der Beklagte ist Verwalter im am 20. Februar 2015 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der A-GmbH & Co. KG (Schuldnerin). H. A. war bis Mai 2016 Alleingesellschafter und Geschäftsführer der A. GmbH. Komplementärin der Schuldnerin war die A. Beteiligungs-GmbH (im Folgenden: Komplementär-GmbH), an der H. A. zu 10% und B. A. zu 90% beteiligt waren. Geschäftsführer der Komplementär-GmbH waren B. A. und bis zum 12. August 2014 auch H. A. Die Komplementär-GmbH war am Kapital der Schuldnerin nicht beteiligt. Einziger Kommanditist der Schuldnerin war B. A.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin am 20. Februar 2015 meldete die A. GmbH bei dem Beklagten eine Forderung in Höhe von 87.111 € als „Darlehen“, basierend auf einem Darlehensvertrag vom 01. Juli 2010, im Rang des § 38 InsO zur Insolvenztabelle an. Der Beklagte widersprach der Forderung und wies (auch) darauf hin, dass sie nachrangig sei (§ 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Variante 2 InsO).

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A. GmbH erhob der Kläger Klage auf Feststellung der Darlehensforderung im Rang des § 38 InsO, die vom Landgericht abgewiesen wurde. Auch die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen. Der Kläger verfolgt seinen Feststellungsantrag nun in der Revision, die aufgrund grundsätzlicher Bedeutung zugelassen wurde.

Entscheidung | BGH IX ZR 216/22

Die Revision wurde als unbegründet zurückgewiesen. Im Wesentlichen führte der BGH aus, dass ein Darlehen, das von einem Gesellschafter einer Komplementär-GmbH an eine GmbH & Co. KG gewährt würde, als einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechend eingestuft werden könne, auch wenn die Komplementär-GmbH nicht am Kapital der KG beteiligt sei. Eine wirtschaftliche Beteiligung an der das Darlehen nehmenden Gesellschaft sei mithin (nicht mehr) konstitutiv für die Anwendbarkeit des § 39Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Variante 2 InsO, wenn eine vertikale oder horizontale Verbindung bestehe. Da H. A. der alleinige Gesellschafter der darlehensgebenden A. GmbH gewesen sei, habe er bestimmenden Einfluss auf die Darlehensgewährung gehabt. Durch seine 10%-Beteiligung an der Komplementär-GmbH sei er zudem mittelbarer Gesellschafter der Schuldnerin gewesen. Darüber hinaus sei er bis zum 12. August 2014 auch Geschäftsführer der Komplementär-GmbH gewesen. Diese Verbindung rechtfertige die Gleichstellung des Darlehens mit einem Gesellschafterdarlehen gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Variante 2 InsO. 

Das Kleinbeteiligtenprivileg des § 39 Abs. 5 InsO greife nicht ein, weil H. A. als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Komplementär-GmbH im Zeitpunkt der Darlehensgewährung auch die Geschäfte der Schuldnerin geführt habe. 

Im Streitfall habe damit eine den Anforderungen des § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Variante 2 InsO genügende horizontale Verbindung bestanden, die Forderung der A. GmbH sei daher im Ergebnis nachrangig. 

Praxishinweis | BGH IX ZR 216/22

Die Entscheidung verdeutlicht, dass auch Darlehen, die von einem Gesellschafter der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG gewährt werden, unter bestimmten Umständen als Gesellschafterdarlehen im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Variante 2 InsO einzustufen sind ohne dass die Komplementär-GmbH am Kapital der KG beteiligt sein muss. Unternehmen, die Darlehen in derartigen Konstellationen gewähren, sollten deshalb zukünftig die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse und den Einfluss der beteiligten Parteien sorgfältig prüfen, um sicherzustellen, dass die Auswirkungen im Insolvenzfall in Übereinstimmung mit den Regelungen des § 39 Abs. 1 InsO berücksichtigt werden.