03.03.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BGH
19.09.2024
IX ZR 173/23
ZIP 2024, 2418
Anspruchsgegner der Anfechtung nach § 135 Abs. 2 InsO bei Finanzierungshilfe durch Dritte [ PDF ]
Eine Rechtshandlung, mit der eine Schuldnerin für eine Forderung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung auf Rückgewähr eines Darlehens Befriedigung gewährt, ist nicht allein deswegen gegenüber dem Gesellschafter der Schuldnerin anfechtbar, weil dieser zugleich maßgeblich an der das Darlehen gewährenden Gesellschaft beteiligt ist und deswegen die Gewährung der Finanzierungshilfe veranlassen konnte.
Im Juni 2020 wurde über das Vermögen der W-GmbH (Schuldnerin) auf Eigenantrag ein Insolvenzverfahren eröffnet, bei dem der Kläger als Insolvenzverwalter fungiert. Am Stammkapital der Schuldnerin war die AB-GmbH mit 50 % der Anteile beteiligt. An der AB-GmbH waren wiederum der Beklagte zu 1 mit 43 % und der Beklagte zu 2 mit 6 % beteiligt.
Im Juni 2018 erhielt die Schuldnerin von der C-AG einen Kreditrahmen von 300.000 €, den sie vollständig ausschöpfte. Zur Absicherung trat die Schuldnerin sämtliche Forderungen gegen Dritte aus Warenlieferungen im Wege der Globalzession an die C-AG ab. Zusätzlich übernahm die AA-GmbH im Wege des Schuldbeitritts als Gesamtschuldnerin die Haftung für die Erfüllung der Verbindlichkeiten der Schuldnerin.
An der AA-GmbH waren jeweils der Beklagte zu 1 mit 47,5 % und der Beklagte zu 2 mit 5 % beteiligt. Weitere 5 % der Stimmanteile der AA-GmbH hielt die AH-GmbH, an der die Beklagten zu jeweils 50 % beteiligt waren Die Beklagten waren zudem als Geschäftsführer der AA-GmbH im Handelsregister eingetragen.
Nach einer Zessionsabrechnung kehrte der Kläger im Juni 2021 Kundenzahlungen von 53.059,71 € an die C-AG aus. Der Kläger verlangt nun diesen Betrag von den Beklagten als Gesamtschuldner. Nach erstinstanzlichem Erfolgt lehnte das Berufungsgericht die Klage ab.
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Zunächst stellt der 9. Senat fest, dass ein Anfechtungsanspruch gegen die Beklagten in entsprechender Anwendung des § 143 Abs. 3, § 135 Abs. 2 InsO nicht in Betracht kommt.
Wird die am Gesellschaftsvermögen und am Vermögen eines Gesellschafters besicherte Forderung eines Gläubigers nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft durch Verwertung der Gesellschaftssicherheit befriedigt, sei der Gesellschafter nach ständiger Rechtsprechung des BGH in entsprechender Anwendung des § 143 Abs. 3 S. 1 InsO zur Erstattung des an den Gläubiger ausgekehrten Betrags zur Insolvenzmasse verpflichtet. Der Anspruch scheitere also nicht schon daran, dass die in dem Schuldbeitritt liegende Sicherheit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens dadurch frei geworden ist, dass der Insolvenzverwalter die gesicherte Forderung der C-AG befriedigt habe.
Ein Gesellschafter, der sowohl an der Finanzierungshilfe annehmenden Gesellschaft als auch an der hilfeleistenden GmbH maßgeblich beteiligt ist, sei jedoch nicht Gegner eines Insolvenzanfechtungsanspruchs aus § 135 Abs. 2 InsO, auch wenn er an der hilfeleistenden Gesellschaft maßgeblich beteiligt ist und deswegen Einfluss auf die Entscheidung über die Gewährung der Finanzierungshilfe nehmen konnte.
Für die Annahme einer Gesellschaftersicherheit im Sinne des § 135 Abs. 2 InsO im Falle einer formal von einem Dritten gewährten Finanzierungshilfe sei ausreichend, dass der Dritte einem Gesellschafter gleichzustellen ist oder die gewährte Finanzierungshilfe bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise dem Gesellschafter wie eine eigene Finanzierungshilfe an seine Gesellschaft zuzurechnen ist. Insbesondere könne die Gewährung einer Finanzierungshilfe durch einen Nicht-Gesellschafter dem Gesellschafterdarlehensrecht unterfallen, wenn es sich um Finanzierungshilfen zwischen verbundenen Unternehmen handelt. Die Annahme einer durch die Beklagten vermittelten (horizontalen) Verbindung zwischen der Schuldnerin und der AA-GmbH erfordere eine maßgebliche Beteiligung der Beklagten an der hilfeleistenden AA-GmbH, welche nur bei einer Zusammenrechnung ihrer Beteiligungen gegeben sei. Ob die Voraussetzungen für eine Zusammenrechnung der Beteiligungen der Beklagten vorlägen, könne allerdings offenbleiben.
Denn die Stellung des Anfechtungsgegners im Fall des § 135 Abs. 2 InsO knüpfe tatbestandlich an eine Doppelstellung als Gesellschafter und Sicherheitsgeber an. Diese Voraussetzungen seien weder von AA-GmbH noch von den Beklagten erfüllt. Die den Schuldbeitritt erklärende AA-GmbH hielt keine Gesellschaftsanteile an der Schuldnerin. Die Beklagten waren zwar (mittelbare) Gesellschafter der Schuldnerin. Gleichwohl verpflichtete die gewährte Sicherung in Form des erklärten Schuldbeitritts nur die AA-GmbH als juristische Person und – wegen der Trennung der Vermögensmassen – nicht deren Gesellschafter selbst. Es handele sich um eine Verbindlichkeit der AA-GmbH, für welche die Beklagten nach § 13 Abs. 2 GmbHG nicht persönlich haften würden.
Abschließend lässt der Senat offen, ob ein Rückgewähr- oder Erstattungsanspruch nach § 143 InsO im Fall eines Vertragskonzerns auch gegen die Muttergesellschaft, die selbst keine Finanzierungsleistung erbracht hat, geltend gemacht werden kann, da ein Vertragskonzern im Streitfall offensichtlich nicht vorliege.
Nach Ansicht des 9. Zivilsenats des BGH kann die Gewährung einer Finanzierungshilfe durch einen Nicht-Gesellschafter also dem Gesellschafterdarlehensrecht insbesondere dann unterfallen, wenn es sich um Finanzierungshilfen zwischen verbundenen Unternehmen handelt. Eine Verbindung zwischen den beteiligten Unternehmen kann nach der Rechtsprechung des BGH – die auch für die Gewährung einer Sicherheit nach § 135 InsO gilt – auf mehrere Weisen bestehen.
Zum einen kann eine vertikale Verbindung gegeben sein, was der Fall ist, wenn der finanzierungsgewährende Dritte an einer Gesellschafterin der Schuldnergesellschaft beteiligt ist. Zum anderen kann auch eine horizontale Verbindung vorliegen, wenn der Dritte an beiden Gesellschaften – der darlehensnehmenden und der darlehensgebenden Gesellschaft – beteiligt ist, und zwar an der darlehensgebenden Gesellschaft in maßgeblicher Weise. Eine solche maßgebliche Beteiligung ist zu bejahen, wenn der Gesellschafter faktisch die wesentlichen Entscheidungen des hilfeleistenden Unternehmens, insbesondere über die Gewährung und den Abzug von Leistungen, maßgeblich steuern kann. Zusätzlich ist auch eine Kombination aus vertikalen und horizontalen Verbindungen denkbar – beispielsweise, wenn der Dritte, der nur mittelbar an der darlehensnehmenden Gesellschaft beteiligt ist, gleichzeitig eine maßgebliche Beteiligung an der darlehensgebenden Gesellschaft hält.