30.12.2024
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Schleswig
06.03.2024
9 U 11/23
NZG 2024, 553
Der Kläger beteiligte sich durch Beitrittserklärung vom 20.12.2004 als atypischer stiller Gesellschafter mit einer Einlage i.H.v. 9.600 EUR an der F-GmbH. Vorgesehen war, dass die Einlage in 192 Monatsraten zu je 50 EUR aufgebracht wird. Nach vollständiger Einzahlung kündigte der Kläger im Jahr 2011 die stille Einlage. Die F-GmbH teilte dem Kläger mit, dass der Vertrag erst zum 31.12.2020 ordentlich kündbar sei und ein Sonderkündigungsrecht erst nach 15 Jahren zum 31.12.2019 bestehe. Die Kündigung wurde zum 31.12.2019 vorgemerkt.
Das Kapital der F-GmbH wurde im Wesentlichen in Aktien der TLG (Ltd.) investiert. Diese wurden in der Bilanz mit 15% der ursprünglichen Anschaffungskosten bewertet. Die Summe der Einlagekonten stiller Gesellschafter i.H.v. etwa 38 Mio. EUR war durch zugewiesene Verluste weitestgehend aufgezehrt, und entsprechende Buchverluste wurden den atypisch stillen Gesellschaftern zugewiesen. Die Verluste aus der atypisch stillen Gesellschaft stellten steuerlich negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb dar. Nach dem Prospekt sollten die zugewiesenen steuerlichen Verluste mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten verrechnet werden können.
Die F-GmbH wurde im Jahr 2018 gemäß dem Verschmelzungsplan vom 10.10.2018 und den Zustimmungsbeschlüssen der beteiligten Rechtsträger vom selben Tag und vom 8. November 2019 als übertragender Rechtsträger auf die britische CT, die Beklagte, verschmolzen. Die Verschmelzung wurde mit Ablauf des 31.12.2018 wirksam.
Der Kläger verlangt nun von der Beklagten die Zahlung der Geldsumme, die er im Wege der atypisch stillen Gesellschaft in die deutsche Rechtsvorgängerin der Beklagten investiert hatte.
Das LG Itzehoe hat seine internationale Zuständigkeit bejaht und der Klage auf Zahlung von 9.600 EUR nebst Zinsen gegenüber der Beklagten i.H.v. 6.876 EUR nebst Zinsen stattgegeben.
Zunächst stellt das OLG Schleswig fest, dass die Klage zulässig ist. Das LG habe zutreffend die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach Art. 17 Abs. 1 lit. c, Art. 18 EuGVVO bejaht. Das LG Itzehoe sei insbesondere gem. Art. 6, Art. 17 Abs. 1 lit. c und Art. 18 EuGVVO international und örtlich zuständig gewesen. Denn die Normen der EuGVVO seien auch nach dem 31.12.2020 für Klagen von in der Europäischen Union ansässigen Verbrauchern gegen Vertragspartner, die ihren Sitz im Vereinigten Königreich haben, anwendbar.
Gemäß Art. 67 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 126 des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft vom 24.01.2020 seien die Zuständigkeitsbestimmungen der EuGVVO nur für vor dem 31.12.2020 eingeleitete gerichtliche Verfahren, die einen Bezug zum Vereinigten Königreich aufweisen, anwendbar. Dies gelte jedoch mit der Einschränkung, dass mitgliedstaatliche Gerichte bei Sachverhalten mit Bezug zum Vereinigten Königreich auch zukünftig auf die EuGVVO zurückzugreifen haben, soweit diese Drittstaatenkonstellationen mitregelt (vgl. Art. 6 EuGVVO). Auch im Falle von Beklagten, die im Vereinigten Königreich ansässig sind, gelte daher u.a. der Schutzgerichtsstand zugunsten von Verbrauchern (Art. 18 Abs. 1 EuGVVO) weiter.
Weiter stellt das OLG Schleswig fest, dass die Klage (in voller Höhe) begründet ist. Dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung eines Abfindungsguthabens nach § 235 Abs. 1 HGB i.V.m. § 15 des Vertrags über die Errichtung einer atypisch stillen Gesellschaft i.H.v. 9.600 EUR zu.
Trotz der grenzüberschreitenden Verschmelzung und des Untergangs der F-GmbH sei auf den Streitfall sowie das Rechtsverhältnis der stillen Beteiligung deutsches Recht anwendbar. Denn durch die Verschmelzung trete die übernehmende Gesellschaft hinsichtlich sämtlicher Verträge, die von der übertragenden Gesellschaft geschlossen wurden, als Partei an deren Stelle. Demzufolge sei das Recht, das vor der Verschmelzung für diese Verträge galt, auch nach der Verschmelzung auf sie anzuwenden.
Die stille Beteiligung sei zudem nicht aufgrund der grenzüberschreitenden Verschmelzung beendet worden. Mit der grenzüberschreitenden Verschmelzung seien nach Maßgabe des § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG grundsätzlich alle Vermögenspositionen des übertragenden Rechtsträgers und demnach auch die stille Beteiligung, auf den übernehmenden Rechtsträger übergegangen. Dies gelte für eine stille Beteiligung jedenfalls insoweit, als im Gesellschaftsvertrag mit dem stillen Gesellschafter – wie vorliegend – nichts anderes bestimmt ist.
Das atypisch stille Beteiligungsverhältnis sei hingegen durch die vom Kläger erklärte ordentliche Kündigung zum 31.12.2019 beendet worden. Der Gesamtnachfolger erwerbe sämtliche Rechtspositionen jedoch in dem Zustand, in dem sie beim übertragenden Rechtsträger bestanden. Der übernehmende Rechtsträger erhalte durch die Universalsukzession keine andere oder bessere Rechtsposition, als sie der übertragende Rechtsträger innehatte. Ist ein Rechtsverhältnis beispielsweise anfechtbar, gekündigt oder unwirksam, sei es dies auch nach dem Übergang auf den übernehmenden Rechtsträger. ´
Auch die Vorschrift des § 23 UmwG führe zu keinem anderen Ergebnis. Ob eine stille Beteiligung unter § 23 UmwG fällt, sei im Schrifttum strittig. Das OLG Schleswig ließ die Entscheidung der Streitfrage allerdings offen, da § 23 UmwG nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Gewährung gleichwertiger Rechte gewähre, aber nicht die allgemeine Rechtsfolge des § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG ausschließen könne. Demnach würde die Gewährung eines schuldrechtlichen Anspruchs nach § 23 UmwG nichts an dem Umstand ändern, dass die stille Beteiligung jedenfalls im Wege der Universalsukzession auf den übernehmenden Rechtsträger übergegangen ist.
Abschließend führt das OLG Schleswig aus, dass sich der gegen die Beklagte gerichtete Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Abfindungsguthaben – entgegen der Ansicht des LG Itzehoe – auf 9.600 EUR belaufe. In Höhe von 2.723,98 EUR habe das LG Itzehoe rechtsfehlerhaft den klägerischen Anspruch aufgrund der Annahme einer Darlegungs- und Beweislast des Klägers abgelehnt. Denn zur Ermittlung der Höhe des Abfindungsanspruchs sei der Kläger als stiller Gesellschafter nicht in der Lage, sodass die Beklagte das Abfindungsguthaben zu errechnen, mitzuteilen und zu belegen habe. Da der Beklagte hierzu nur unzureichend vorgetragen habe, ist auf die Höhe der vom Kl. auf die stille Beteiligung erbrachten Einzahlungen abzustellen.
Das Urteil des OLG Schleswig beantwortet einige grundlegende Fragen in Verbindung mit der Verschmelzung einer deutschen Kapitalgesellschaft auf einen ausländischen Rechtsträger. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass auch nach der Verschmelzung auf einen ausländischen Rechtsträger, auf vor der Verschmelzung begründete Rechtsverhältnisse deutsches Recht anwendbar ist. Vermögenspositionen des übertragenden Rechtsträgers gehen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG auf den übernehmenden Rechtsträger über (Universalsukzession), und zwar so wie sie in der Hand des übertragenden Rechtsträgers bestanden.