I. Abfindungsklauseln und ihre Unwirksamkeit
Scheidet ein Gesellschafter aus einer GmbH aus, hat er einen Anspruch auf Abfindung. Dieser Anspruch stellt ein Grundrecht des Gesellschafters dar und bemisst sich normalerweise nach dem wirtschaftlichen Wert seines Geschäftsanteils.
In vielen Fällen enthalten GmbH Satzungen jedoch Abfindungsklauseln, die Zahlungsmodalitäten und insbesondere die Höhe der Abfindung bestimmen. Eine solche Beschränkung ist unter anderem sinnvoll, wenn der Wert des Geschäftsanteils nicht aus der vorhandenen Liquidität der Gesellschaft geleistet werden kann. Grundsätzlich ist die Höhe der Abfindung dispositiv und im Fall einer gemeinnützigen GmbH oder im Rahmen von Mitarbeitermodellen ist sogar ein kompletter Abfindungsausschluss möglich. Denn in diesen Fällen besteht ein sachlicher Grund für den Ausschluss darin, dass die Ausscheidenden kein eigenes Kapital eingesetzt haben oder der Einsatz von Anfang an nur darauf ausgerichtet war, ein gemeinnütziges Ziel zu verfolgen. Da das Abfindungsrecht allerdings ein Grundrecht der Gesellschafter darstellt, darf es in allen sonstigen Fällen nicht komplett ausgeschlossen oder übermäßig beschränkt werden.
Liegt jedoch bereits bei Schaffung der Abfindungsklausel ein Missverhältnis zwischen dem Verkehrswert des Gesellschaftsanteils und dem vereinbartem Abfindungsanspruch vor, ist die Klausel sittenwidrig und gemäß § 241 Nr. 4 AktG analog oder § 138 BGB nichtig. Bei einer Gläubigerbenachteiligung kann eine Nichtigkeit nach § 241 Nr. 3 AktG analog gegeben sein. Für die Bewertung der Nichtigkeit ist stets der Einzelfall zu betrachten. An die Stelle der anfänglich nichtigen Klauseln tritt dann ein Anspruch auf Gewährung einer angemessenen Abfindung, meist in Höhe des Wertes des Geschäftsanteils.
Entsteht die Diskrepanz zwischen Verkehrswert und Abfindungsbetrag erst im Laufe der Zeit, also nachträglich, ist die Klausel zunächst wirksam. Denn um eine Nichtigkeit nach §§ 241 ff. AktG analog zu begründen, muss der die Nichtigkeit begründende Umstand bereits bei Aufnahme der Klausel in die Satzung vorliegen. Man kann der Geltendmachung dieser Klausel jedoch einen Rechtsmissbrauch gem. § 242 BGB oder die Änderung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB entgegenhalten. Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung wird die Klausel dann von der Rechtsprechung dahingehend korrigiert, dass ein angemessener Abfindungsbetrag geschuldet wird. Es findet folglich eine Ausübungskontrolle statt.
Besteht eine Auffangregelung, die zu einer gerechten Abfindung führen würde, wenn die eigentliche Abfindungsklausel anfänglich oder nachträglich nichtig ist, ist dies allgemein zulässig. Hierfür spricht zunächst der ausdrückliche Wille der Gesellschafter. Weiterhin gibt es im GmbH Recht kein grundsätzliches Verbot der geltungserhaltenden Reduktion. Da durch die Auffangklausel bereits verhindert wird, dass der Gesellschafter eine zu geringe Abfindung erhält, ist ein Eingreifen in die Satzungsautonomie der Gesellschafter nicht mehr gerechtfertigt.
II. Heilung einer anfänglich nichtigen Klausel
Gem. § 242 Abs. 2 S. 1 AktG analog kann nach Ablauf von drei Jahren eine anfängliche Nichtigkeit von Abfindungsklauseln nicht mehr geltend gemacht werden. Dies wirkt nicht nur im Innenverhältnis, sondern auch gegenüber Dritten. Zu beachten ist jedoch, dass die Heilung sittenwidriger Rechtsgeschäfte grundsätzlich den Wertungen der deutschen Rechtsordnung widerspricht. Die punktuelle Ausnahmeregelung des § 242 Abs. 2 S. 1 AktG ist nur durch ein erhöhtes Bedürfnis nach Rechtssicherheit gerechtfertigt, welches aus der typischen Gestaltung der Aktiengesellschaft als Publikumsgesellschaft resultiert. Aus diesem Grund ist zwar allgemein anerkannt, dass § 242 Abs. 2 S. 1 AktG analog auf die GmbH angewendet werden kann. Allerdings ist nicht abschließend geklärt, wie sich diese Anwendung auf anfänglich nichtige Abfindungsklauseln auswirkt.
Ein Teil der Literatur vertritt die strikte analoge Anwendung des § 242 Abs. 2 S. 1 AktG, aus der eine uneingeschränkte Heilung der Abfindungsklausel folgt. Hieraus resultiert wiederum, dass nach Fristablauf eine Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters zu den in der Klausel festgelegten Konditionen erfolgt.
Im Gegensatz dazu vertritt eine andere Ansicht, dass sich der Ausscheidende gem. § 242 Abs. 2 S. 1 AktG analog zwar nicht mehr auf die Nichtigkeit der Klausel nach Ablauf der Frist berufen kann. An die Stelle der Klausel tritt jedoch eine Ausübungskontrolle wie bei später unwirksam gewordenen Klauseln. Dies lässt sich auf verschiedene dogmatische Anknüpfungspunkte stützen. Zunächst wäre auf die Treuepflicht der Gesellschafter hinzuweisen, wonach diese verpflichtet sind, alles ihnen Mögliche zu tun, damit der Ausscheidende eine angemessene Abfindung für den Verlust seiner Mitgliedschaft erhält. Als Argument dient auch der Gleichbehandlungsgrundsatz. Denn es scheint nicht gerechtfertigt, dass eine nachträglich nichtig gewordene Klausel durch Vertragsanpassung korrigiert werden kann, dies aber nicht auch für eine von Anfang an nichtige gilt. Vielmehr würde es einen Widerspruch darstellen, wenn ein eigentlich schlimmerer Verstoß vollständig geheilt werden könnte, ein nachträglicher, weniger schlimmer Verstoß jedoch nicht. In beiden Fällen wäre es den Gesellschaftern verwehrt, sich auf eine ehemals nichtige, nun aber geheilte Klausel zu berufen (siehe hierzu Born, Die Zeit heilt doch nicht alle Wunden – Plädoyer für die Anpassung von anfänglich sittenwidrigen aber geheilten Abfindungsklauseln, in FS Gehrlein (2022), S. 81). Dasselbe Ergebnis resultiert auch aus § 242 BGB.
Am sinnvollsten scheint es jedoch, eine Einschränkung im Rahmen der analogen Anwendung des § 242 Abs. 2 S. 1 AktG vorzunehmen. Zwar besteht für die Aktiengesellschaft, wie oben erläutert, ein erhöhtes Interesse an Rechtssicherheit. Dies trifft jedoch nicht in demselben Maße auf die GmbH zu, weshalb keine hinreichende Vergleichbarkeit einer GmbH mit einer Aktiengesellschaft vorliegt. Aus diesem Grund ist die Heilungswirkung des § 242 Abs. 2 S. 1 AktG analog dahin zu beschränken, dass man sich zwar nicht mehr auf die Nichtigkeit der Klausel berufen kann. An ihre Stelle tritt jedoch die Ausübungskontrolle (zum Ganzen siehe auch Heckschen, Heilung unwirksamer Abfindungsklauseln, in FS Bergmann (2018), S. 259).
III. Fazit
Es bleibt zu beachten, dass keine eindeutig herrschende Meinung hinsichtlich der Heilung von anfänglich nichtigen Ausübungsklauseln mehr auszumachen ist. Vermehrt wird jedoch vertreten, dass keine endgültige Heilung nach § 242 Abs. 2 S. 1 AktG analog mehr eintritt, sondern eine Ausübungskontrolle durchzuführen ist. Dieser Meinung hat sich auch Richter Born (II. Zivilsenat am BGH) angeschlossen. Folglich kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass eine anfänglich nichtige Abfindungsklausel auf jeden Fall nach drei Jahren vollständig geheilt wird. Interessant wird zu verfolgen sein, wie der BGH den Streit über die Heilung anfänglich unwirksamer Abfindungsklauseln entscheiden wird.
Autoren: Heckschen/Weitbrecht
Quelle: BB 2023, 259 - 262