Durchführung einer Abspaltung trotz Unterbilanz der übertragenden GmbH

I. Einleitung

Bei einer Ausgliederung gem. § 123 Abs. 3 UmwG erhält die übertragende GmbH als Gegenleistung für die Übertragung eines Teils ihres Vermögens Anteile an der aufnehmenden Gesellschaft (Aktivtausch). Demgegenüber führt eine Abspaltung nach § 123 Abs. 2 UmwG regelmäßig zu einer Vermögensminderung der übertragenden GmbH, da die Anteile an der übernehmenden Gesellschaft den Gesellschaftern der übertragenden GmbH zugewiesen werden.

Durch die Zuweisung der Anteile an der aufnehmenden Gesellschaft an die Gesellschafter der übertragenden GmbH wirkt die Abspaltung faktisch wie eine Ausschüttung an diese Gesellschafter. Daher ist eine Abspaltung aufgrund des Verstoßes gegen den Grundsatz der Kapitalerhaltung gem. § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG nicht zulässig, wenn die Abspaltung zu einer Unterbilanz (Unterdeckung) bei der übertragenden GmbH führt. Eine solche Unterbilanz entsteht, wenn das nach der Abspaltung verbleibende Nettobuchvermögen der übertragenden GmbH – also das buchmäßige Aktivvermögen minus der Verbindlichkeiten und Rückstellungen– nicht mehr ausreicht, um das nominelle Stammkapital zu decken. Eine unzulässige Auszahlung an die Gesellschafter im Sinne von § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG liegt ebenfalls vor, sofern durch die Abspaltung eine bereits bestehende Unterbilanz der übertragenden GmbH vertieft wird oder die Abspaltung bei bilanzieller Überschuldung der übertragenden GmbH erfolgt.

Unabhängig davon, ob zur Verhinderung der Entstehung einer Unterbilanz eine vereinfachte Kapitalherabsetzung nach den § 58a ff. GmbHG vorgenommen wird, müssen alle Geschäftsführer der übertragenden Gesellschaft bei der Anmeldung der Abspaltung zum Handelsregister gem. § 140 UmwG persönlich erklären, dass das nominale Stammkapital der übertragenden Gesellschaft zum Zeitpunkt der Anmeldung der Abspaltung vollständig durch das nach der Abspaltung verbleibende Nettobuchvermögen gedeckt ist (sog. Kapitaldeckungserklärung).

Vor dem Hintergrund, dass die Abgabe unrichtiger Angaben im Rahmen der Kapitaldeckungserklärung gem. § 346 Abs. 2 UmwG strafbar ist, stellt sich die Frage, ob eine Abspaltung auch dann noch möglich ist, wenn bei der übertragenden GmbH bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung der Abspaltung eine Unterbilanz oder sogar eine bilanzielle Überschuldung vorliegt.

Soweit ersichtlich, ist zu dieser Frage bisher keine Rechtsprechung ergangen. In der Literatur werden unterschiedliche Ansichten vertreten.

 

II. Wege zur Durchführung der Abspaltung trotz Unterbilanz der übertragenden GmbH

1. Behebung der Unterbilanz vor Durchführung der Abspaltung

Nach einer in der Literatur weit vertretenen Auffassung kann eine Abspaltung gem. § 123 Abs. 2 UmwG bei einer bereits vorhandenen Unterbilanz der übertragenden GmbH nur durchgeführt werden, wenn diese Unterbilanz vor der Anmeldung der beabsichtigten Abspaltung zum Handelsregister durch eine Kapitalherabsetzung oder durch Sanierungsmaßnahmen (z.B. Zuzahlungen der Gesellschafter in die freie Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB) beseitigt wird. Um den Kapitalschutz der übertragenden GmbH zu gewährleisten, ist von den Geschäftsführern eine Kapitaldeckungserklärung abzugeben, die sicherstellen soll, dass das satzungsmäßige Stammkapital der übertragenden GmbH auch nach der Abspaltung weiterhin durch deren Aktiva (also dem verbleibenden Nettobuchvermögen ohne stille Reserven) gedeckt ist. Ist das Stammkapital der übertragenden GmbH nach der Abspaltung in der Handelsbilanz nicht vollständig abgedeckt, könne die Kapitaldeckungserklärung gem. § 140 UmwG nicht wahrheitsgemäß abgegeben werden.

Sollte nach Beseitigung der Unterbilanz durch die anschließende Abspaltung nochmals eine Unterbilanz bei der übertragenden GmbH entstehen, ist gem. § 139 UmwG eine vereinfachte Kapitalherabsetzung nach den §§ 58a ff. GmbHG durchzuführen. Dies gilt, sofern die durch die Abspaltung verursachte Vermögensminderung nicht vorrangig durch die Auflösung offener Eigenkapitalposten wie Kapital- und Gewinnrücklagen bis zu der in § 58a Abs. 2 GmbHG genannten Grenze oder durch die Verwendung von Gewinnvorträgen ausgeglichen werden kann. Der Vorteil der vereinfachten Kapitalherabsetzung im Vergleich zur ordentlichen Kapitalherabsetzung gem. § 58 GmbHG besteht insbesondere darin, dass einerseits kein Gläubigeraufruf nach § 58 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG erforderlich ist und andererseits das Sperrjahr gem. § 58 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG nicht abgewartet werden muss, bevor der Herabsetzungsbeschluss zum Handelsregister angemeldet werden kann.

Eine Beseitigung einer bereits vor der Abspaltung bestehenden Unterbilanz im Zuge einer abspaltungsbedingten vereinfachten Kapitalherabsetzung nach § 139 UmwG i.V.m. §§ 58a ff. GmbHG ist jedoch nicht möglich, da die Kapitalherabsetzung nur in dem Umfang der durch die Abspaltung verursachten Vermögensminderung zulässig ist (vgl. auch § 58b Abs. 1 GmbHG).

 

2. Durchführung der Abspaltung ohne Verschärfung der Unterbilanz

a) Anpassung der Kapitaldeckungserklärung

Eine andere gewichtige Auffassung in der Literatur vertritt, dass eine Abspaltung auch ohne vorherige Beseitigung einer bereits bestehenden Unterbilanz durchgeführt werden kann, sofern die Unterbilanz durch den abspaltungsbedingten Vermögensabfluss unberührt bleibt oder sich sogar verringert. Dies ist bilanziell wiederum der Fall, wenn der Buchwertsaldo der abgespaltenen Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten gleich Null oder negativ ist.

Der Schutzzweck des § 140 UmwG bestehe darin, eine Gefährdung der Gläubiger durch die Abspaltung selbst zu verhindern. Die Vorschrift erfordere daher nur, dass keine Unterbilanz im Zuge der Abspaltung entsteht. Für die Erklärung nach § 140 UmwG sei somit entscheidend, dass das Stammkapital der übertragenden GmbH durch die Abspaltung selbst nicht beeinträchtigt werde. Ansonsten wäre jeder Rechtsträger, dessen satzungsmäßiges Stammkapital bereits vor der Abspaltung nicht vollständig zur Verfügung stehe, von einer Abspaltung ausgeschlossen. Ist die Abspaltung also nicht ursächlich für die Unterbilanz, sei § 140 UmwG teleologisch zu reduzieren.

Im Rahmen der Kapitaldeckungserklärung sei demzufolge – abweichend vom Wortlaut des § 140 UmwG – zu erklären, dass die Abspaltung nicht die Ursache der Unterdeckung des Stammkapitals sei und durch den Abspaltungsvorgang keine Vertiefung der Unterbilanz erfolge.

 

b) Anpassung der Kapitaldeckungserklärung bei Unmöglichkeit der Kapitalherabsetzung

Innerhalb dieser Auffassung in der Literatur wird teilweise vertreten, dass eine teleologische Reduktion des § 140 UmwG nur gerechtfertigt ist, wenn eine (ggf. vereinfachte) Kapitalherabsetzung nicht bzw. nicht mehr durchführbar ist, weil die übertragende Gesellschaft lediglich über das gesetzlich vorgeschriebene Mindeststammkapital i.H.v. 25.000 EUR verfügt. Nach dieser Ansicht könne eine modifizierte Kapitaldeckungserklärung bei Gesellschaften mit einem Stammkapital von mehr als 25.000 EUR also erst abgegeben werden, wenn das Stammkapital zuvor auf 25.000 EUR reduziert wurde und die Abspaltung nicht zu einer Verschärfung der verbleibenden Unterbilanz führt.

 

c) Stellungnahme

Die zweite Auffassung ist vorzugswürdig, sodass die Abspaltung von einer GmbH trotz einer bereits vorhandenen Unterbilanz zulässig ist, sofern die Vermögensübertragung durch die Abspaltung nicht zu einer Verschärfung der Unterbilanz führt.

Da in einem solchen Fall die Stammkapitalsituation der übertragenden GmbH entweder unverändert bleibt oder sich sogar verbessert, ist eine Beeinträchtigung der von § 140 UmwG geschützten Vermögensinteressen der Gläubiger der übertragenden GmbH durch die Abspaltung ausgeschlossen. Der Ausschluss einer Abspaltung lediglich aufgrund einer bestehenden Unterbilanz ist demnach nicht gerechtfertigt.

 

III. Praxistipps

In der Praxis gilt es zu beachten, dass eine Abspaltung trotzdem gegen den Grundsatz der Kapitalerhaltung gem. § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG verstoßen kann, wenn im Zuge der Abspaltung stille Reserven auf die übernehmende Gesellschaft übertragen werden, auch wenn dadurch die bestehende Unterbilanz bilanziell nicht verschärft wird. Denn bei der Entziehung von stillen Reserven handelt es sich um eine verbotene Auszahlung des für die Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens gem. § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG. Demzufolge sollte eine Abspaltung eines Vermögensteils, welches die stillen Reserven einschließt, nur erfolgen nachdem die Unterbilanz bei der übertragenden GmbH beseitigt worden ist.

Darüber hinaus kann das Registergericht bei begründeten Zweifeln an der Richtigkeit der abgegebenen Kapitaldeckungserklärung aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes gem. § 26 FamFG weitere Nachweise zur Kapitaldeckung verlangen. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn die Schlussbilanz gem. §§ 125 Abs. 1 S. 1, 17 Abs. 2 S. 1 UmwG oder eine Abspaltungsbilanz Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Kapitaldeckungserklärung liefert. Um eine Strafbarkeit der Geschäftsführer der übertragenden GmbH wegen falscher Angaben über die Deckung des Stammkapitals gem. § 346 Abs. 2 GmbHG zu vermeiden, sollte bei Vorliegen einer Unterbilanz in der Kapitaldeckungserklärung deutlich darauf hingewiesen werden, dass die Abspaltung nicht kausal für die Unterdeckung des Stammkapitals ist und keine Verschärfung der Unterbilanz durch den Abspaltungsvorgang erfolgt.

Da es bislang keine einheitliche Praxis der Registergerichte hinsichtlich der Zulässigkeit einer Abspaltung bei einer bestehenden Unterbilanz der übertragenden Gesellschaft gibt, wird dringend geraten, im Vorfeld der geplanten Abspaltung eine frühzeitige Abstimmung mit dem zuständigen Registergericht durchzuführen, falls die bestehende Unterbilanz vor der Abspaltung nicht beseitigt werden kann oder soll.

 

IV. Fazit

Im Ergebnis lässt sich einerseits festhalten, dass eine Abspaltung nach § 123 Abs. 2 UmwG trotz Bestehen einer Unterbilanz bei der übertragenden GmbH bedenkenlos durchgeführt werden kann, sofern die Unterbilanz zuvor durch eine (ggf. vereinfachte) Kapitalherabsetzung nach § 58 oder §§ 58a ff. GmbHG, Zuzahlungen in die freie Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB oder vergleichbare Maßnahmen beseitigt wird.

Andererseits kommt nach der hier vertretenen Ansicht eine Abspaltung auch dann in Betracht, wenn die bestehende Unterbilanz durch den abspaltungsbedingten Vermögensabfluss unberührt bleibt oder sich sogar verringert. Um eine Strafbarkeit der Geschäftsführer wegen unrichtiger Angaben in der Kapitaldeckungserklärung gem. § 346 Abs. 2 GmbHG in einem solchen Fall von vornherein zu vermeiden, sollte bei der Anmeldung der Abspaltung zum Handelsregister unbedingt darauf hingewiesen werden, dass durch die Abspaltung keine Vertiefung der bereits bestehenden Unterbilanz erfolgt. Vor dem Hintergrund der verschiedenen Ansichten in der Literatur und des Fehlens von Rechtsprechung zu dieser Problematik ist zudem eine Vorabklärung mit dem zuständigen Registergericht hinsichtlich der Zulässigkeit der Abspaltung und des Inhalts der Kapitaldeckungserklärung nach § 140 UmwG dringend zu empfehlen.

 

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