31.07.2024
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BFH
25.04.2023
II R 19/20
DNotZ 2024, 33
Leistungen Dritter als grunderwerbsteuerrechtliche Gegenleistung [ PDF ]
Mit Vertrag vom 22.12.2014 erwarb die A-GmbH sämtliche Geschäftsanteile der klagenden X-GmbH. Mit einem weiteren Vertrag vom selben Tag übertrug die A-GmbH der X-GmbH das Eigentum an einer Gewerbeimmobilie (Grundstückswert: 42.200.000 EUR). Den sofort fälligen Zahlungsanspruch i.H.v. 6.330.000 EUR stundete die A-GmbH als verzinsliches Gesellschafterdarlehen. Den Differenzbetrag zwischen dem Grundstückswert und dem vereinbartem Zahlungsanspruch i.H.v. 35.870.000 EUR übertrug die A-GmbH als freiwillige Zuzahlung in die freie Kapitalrücklage der Kl.
Dieser Übertragung vorangegangen war ein Anteilskauf- und Übertragungsvertrag vom 08.12.2014 über die Anteile der Kl. zwischen der A-GmbH als Verkäuferin sowie der C-AG und der D-GmbH jeweils als Käuferinnen, in welchem die Parteien von dem o.g. Grundstückswert ausgingen. Die C-AG und die D-GmbH beabsichtigten 94,9 % bzw. 5,1 % der Anteile an der Kl. zu erwerben (Kaufpreis: 34.064.355 EUR bzw. 1.830.645 EUR), vorausgesetzt, dass die Kl. zivilrechtliche Eigentümerin der Immobilie wird. Zusätzlich verkaufte die A-GmbH der C-AG den Rückzahlungsanspruch aus dem genannten Gesellschafterdarlehen.
Das damals zuständige Finanzamt setzte gegen die Kl. mit Bescheid vom 20.04.2015 für den Erwerb der Immobilie von der A-GmbH Grunderwerbsteuer i.H.v. 2.530.000 EUR fest. In den Erläuterungen zur Bemessungsgrundlage wurde angegeben, dass neben dem vereinbarten Kaufpreis i.H.v. 6.330.000 EUR auch der Betrag i.H.v. 35.870.000 EUR aus dem Anteilskauf- und Übertragungsvertrag vom 08.12.2014 als Gegenleistung zu berücksichtigen sei, da es sich dabei um eine Leistung der C-AG und der D-GmbH gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG handele. Die nach erfolgslos durchgeführtem Einspruchsverfahren eingelegte Klage wies das FG als unbegründet zurück.
Mit ihrer Revision rügt die Kl. eine Verletzung von § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG. Ihrer Ansicht nach hätten die C-AG und die D-GmbH durch die Zahlung des Anteilskaufpreises ausschließlich den Erwerb der Anteile an der Kl. bezweckt und nicht die Übertragung der Gewerbeimmobilie auf die Kl.
Die Revision ist unbegründet. Das FG habe zu Recht festgestellt, dass auch der von der C-AG und der D-GmbH an die A-GmbH gezahlte Betrag i.H.v. 35.870.000 EUR gem. § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG eine Gegenleistung für die Übertragung des Objekts B von der A-GmbH auf die Kl. darstellt.
Bei einem Grundstückskauf gelte gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung der Kaufpreis. In diesem Zusammenhang stellt der BGH klar, dass auch ein im Verhältnis zum Grundstückswert niedriger Kaufpreis als Gegenleistung nach § 8 Abs. 1 GrEStG anzusehen sein könne. Ein „symbolischer Kaufpreis, der nicht unter § 8 Abs. 1 GrEStG falle, sei erst anzunehmen, wenn der vereinbarte Kaufpreis in einem krassen Missverhältnis zu dem Grundstückswert steht und keine Umstände vorliegen, aus denen sich die Ernsthaftigkeit der Kaufpreisvereinbarung ergibt.
Gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG würden auch Leistungen, die von einer anderen Partei als dem Erwerber des Grundstücks an den Veräußerer erbracht werden, als Gegenleistung betrachtet, sofern sie dazu dienen, dass der Veräußerer das Grundstück dem Erwerber überlässt. Der Hauptzweck der Leistung des Dritten müsse folglich darauf gerichtet sein, dass der Veräußerer das Grundstück dem Erwerber überlässt. Die Zweckrichtung der Leistung werde aus der Sicht des Leistenden (also eines Dritten) bestimmt. Es sei zudem nicht erforderlich, dass das Interesse, das der Dritte mit seiner auf Überlassung des Grundstücks an den Erwerber gerichteten Leistung verfolgt, in der Förderung von (gleichgerichteten) Interessen des Erwerbers besteht. Es kann auch ausschließlich auf die eigenen Belange (des Dritten) gerichtet sein.
Für die Bestimmung der Gegenleistung sei entscheidend, welche tatsächlichen Leistungen die Vertragsparteien vereinbart haben, unabhängig davon, wie sie diese im Vertrag bezeichnen. Die Auslegung von Verträgen und Willenserklärungen sei Teil der Tatsachenfeststellung und binde den BFH gem. § 118 Abs. 2 FGO, sofern sie den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB entspricht und nicht gegen logische Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze verstößt.
Gemäß diesen Grundsätzen habe das FG rechtsfehlerfrei den Anteilskauf- und Übertragungsvertrags dahingehend ausgelegt, dass der Hauptzweck sämtlicher Leistungen der C-AG und der D-GmbH an die A-GmbH gewesen sei, die A-GmbH zu veranlassen, die Immobilie auf die Kl. zu übertragen. Diese Auslegung könne insbesondere daraus geschlossen werden, dass für den Fall des Scheiterns des Anteilskaufvertrags eine Pflicht zur Rückabwicklung der Grundstücksübertragung einschließlich eines Antrags auf Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung bestanden habe.
Darüber hinaus stellt der BFH fest, dass die in die Bemessungsgrundlage einzubeziehende Leistung eines Dritten nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG sich nicht aus dem Übertragungsvertrag selbst ergeben müsse, sondern sich auch aus einer anderen vertraglichen Vereinbarung – wie dem vorliegenden Anteilskaufvertrag – ergeben könne. Auch liege keine unzulässige Doppelbesteuerung vor, da die Besteuerung der Übertragung der Immobilie von der A-GmbH auf die Kl. nach § 1 Abs. 1 GrEStG und die Übertragung der Anteile an der Kl. von der A-GmbH auf die C-AG und D-GmbH nach § 1 Abs. 3 GrEStG (aF) – sofern der Anteilserwerb steuerbar wäre – eigenständig nebeneinander ständen, sodass die jeweiligen Gegenleistungen i.S.d. § 8 GrEStG gesondert zu ermitteln wären.
Die Frage, unter welchen Voraussetzungen auch Leistungen Dritter nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG zur Gegenleistung i.S.d. § 8 Abs. 1 GrEStG gehören, waren schon zuvor durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18.09.1985 – II R 168/82 und BFH-Beschluss vom 22.10.2003 – II B 158/02). Das FG hat diese Grundsätze rechtsfehlerfrei auf den vorliegenden Fall angewendet, sodass der BFH die Entscheidung des FG bestätigte.
Zu beachten ist, dass der vom BFH entschiedene Fall die Rechtslage vor Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG und vor Absenkung der Beteiligungsgrenze im Kontext des § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG von 95 % auf 90 % betrifft. Folglich hat der Vorgang auch keine grunderwerbsteuerrechtliche Doppelbesteuerung ausgelöst. Vergleichbare Fälle, die nach der derzeit geltenden Rechtslage zu beurteilen sind, sind hingegen geeignet, eine Doppelgrunderwerbbesteuerung auszulösen. Diese Doppelbesteuerung beruht jedoch nach Auffassung des BFH auf verschiedenen Erwerbsvorgängen und sei damit zulässig.