09.10.2024
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Frankfurt a.M.
21.12.2023
21 W 91/23
ZEV 2024, 171
Die Erblasserin war kinderlos und verwitwet. Ihre einzige Schwester starb bereits einige Jahre zuvor.
Weiter relevant sind insbesondere folgende Beteiligte:
- Beteiligte zu 1) und 4): Cousins der Erblasserin
- Beteiligte zu 2): Hausarzt der Erblasserin; Inhaber von Betreuungsverfügung und Vorsorgevollmacht
- Beteiligter zu 3): Nachbar der Erblasserin
- Beteiligte zu 5): Freundin der Erblasserin
Nach dem Tod ihrer Schwester änderte die Erblasserin ihr Testament mehrfach. Zuletzt erstellte sie ein Testament (2021), dass die Beteiligten zu 1) - 5) je zu Erben in Höhe von 20 % einsetzte.
Das Nachlassgericht hielt dieses Testament jedoch wegen der Erbeinsetzung des Beteiligten zu 2) für teilunwirksam, da die Einsetzung des Beteiligten zu 2) gem. § 32 BO-Ä gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB verstieße. Der vom Beteiligten zu 2) beantragte Erbschein wurde nicht erteilt.
Dagegen wendet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 2).
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Das Testament (2021) ist wirksam errichtet worden.
Zunächst bestehen keine Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit der Erblasserin im Sinne von § 2229 BGB.
Außerdem ist das Testament (2021) - entgegen der Auffassung des Nachlassgerichtes - nicht gem. § 134 BGB iVm § 32 BO-Ä teilnichtig.
Gemäß § 32 Abs. 1 BO-Ä ist es „Ärztinnen und Ärzten nicht gestattet, von Patientinnen und Patienten (…) Geschenke oder andere Vorteile (…) sich versprechen zu lassen oder anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird“.
Richtig erkannt wurde zwar, dass § 32 BO-Ä als Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB anzusehen ist. Nach der Rechtsprechung des BGH können nämlich auch Vorschriften berufsständischer Satzungen von Selbstverwaltungskörperschaften Verbotsgesetze iSv § 134 BGB darstellen. So wurde die Verbotsgesetzqualität bereits für § 31 BO der Ärztekammer Westfalen-Lippe oder § 8 Abs. 5 der BO für die bayrischen Zahnärzte bejaht. Jedoch gebietet eine verfassungskonforme Auslegung, dass ein etwaiger Verstoß des Arztes nicht die Nichtigkeit der Testierung nach sich zieht.
Entsprechend der zu § 14 HeimG entwickelten Grundsätze ist eine testamentarische Zuwendung dabei als „anderer Vorteil“ zu bewerten - ein Verstoß kann also dann vorliegen, wenn dem Arzt die Zuwendung bekannt ist und er mit dieser einverstanden ist.
Dennoch kommt es bei der Beurteilung der Wirksamkeit eines Testamentes nicht auf die Frage nach einem Verstoß gegen § 32 BO-Ä an. Selbst im Falle eines Verstoßes gegen § 32 BO-Ä ist das Testament nicht nichtig. § 32 BO-Ä kann nämlich nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Vorschrift auch ein gegen den Testierenden gerichtetes Testierverbot enthält. Dies würde einen unverhältnismäßigen Eingriff in die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Testierfreiheit darstellen.
Die im Hinblick auf § 14 HeimG entwickelten Grundsätze sind nicht vollumfänglich übertragbar. § 14 HeimG dient - anders als § 32 BO-Ä - auch dem Schutze der Testierfreiheit selbst, weswegen ein darin beinhaltetes Testierverbot verhältnismäßig ist. § 32 BO-Ä richtet sich allerdings in erster Linie an den Arzt und nicht an einen etwaig Testierenden. Insofern ist auch (nur) der Arzt Adressat der Verbotsnorm - ein Verstoß gegen das einseitige Verbot aus § 32 BO-Ä führt daher nicht zur Unwirksamkeit der Erbeinsetzung.
Im Übrigen ist keine Sittenwidrigkeit iSd § 138 BGB zu erkennen. Dies kann nur in besonderen Ausnahmefällen angenommen werden - ein bloß standeswidriges Verhalten ist dafür nicht ausreichend. Hier sind keine Anhaltspunkte für die Ausnutzung einer Zwangslage, von Unerfahrenheit oder Willensschwäche der Erblasserin erkennbar. Der Beteiligte zu 2) ist vielmehr seit vielen Jahren Vertrauter und langjähriger Bevollmächtigter der Erblasserin. Es ist daher davon auszugehen, dass der Beteiligte zu 2) vordergründlich als Vertrauter und nicht in seiner Rolle als Arzt zum Erbe eingesetzt wurde.
Im Ergebnis ist das Testament (2021) daher vollumfänglich wirksam.
Das Nachlassgericht - dem die Erteilung des Erbscheins obliegt - wurde entsprechend angewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Adressaten der Standesrichtlinien sind lediglich die Ärztinnen und Ärzte, nicht aber deren Patienten. Ein Verstoß gegen standesrechtliche Verbote wie § 32 BO-Ä führt daher nicht zur Nichtigkeit der Erbeinsetzung. Auch vermag die standesrechtswidrige Erbeinsetzung für sich genommen noch keine Sittenwidrigkeit iSd § 138 BGB zu begründen. Die zu § 14 HeimG entwickelten Grundsätze sind wegen der verschiedenen Schutzrichtungen der Vorschriften nicht auf § 32 BO-Ä übertragbar.