KG 22 W 25/24
Keine Gleichwertigkeit der notariellen Online-Beglaubigung nach österreichischem Recht mit deutscher Beglaubigung mittels Videokommunikation

23.10.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

KG
17.07.2024
22 W 25/24
ZIP 2024, 2150

Leitsatz | KG 22 W 25/24

  1. Eine nach österreichischem Recht erfolgte notarielle Online-Beglaubigung ist einer deutschen Beglaubigung mittels Videokommunikation nach § 40a BeurkG nicht gleichwertig.
  2. Aus den Gesellschaftsrechtsrichtlinien in der Fassung der Digitalisierungsrichtlinie der EU ergibt sich keine Pflicht zu Anerkennung. 
     

Sachverhalt | KG 22 W 25/24

Der Geschäftsführer einer GmbH meldete eine inländische Adressänderung der GmbH zum Handelsregister (AG Charlottenburg) an. Er reichte eine von einem österreichischen Notar im Online-Verfahren erstellte Urkunde ein, die neben der handschriftlichen Unterzeichnung vom Geschäftsführer auch elektronisch signiert wurde und diesbezüglich einen Beglaubigungsvermerk des Notars enthält. Das AG lehnte die Eintragung ab. Eine im Ausland durchgeführte Online-Beglaubigung könne nur dann anerkannt werden, wenn sie den deutschen Anforderungen entspricht (§§ 40a, 16a Abs. 1 BeurkG). Nach Ansicht des AG werden österreichische Online-Beglaubigungen diesen Anforderungen nicht gerecht. Der Beschwerde des Geschäftsführers der GmbH hat das AG nicht abgeholfen, sodass die Sache dem Senat vorgelegt wurde. 

Entscheidung | KG 22 W 25/24

Die Beschwerde ist statthaft, jedoch unbegründet. Der Antrag wurde zu Recht abgelehnt, da die nach österreichischem Recht erfolgte notarielle Online-Beglaubigung einer deutschen Beglaubigung mittels Videokommunikation nach § 40a BeurkG nicht gleichwertig ist.

Die Anmeldungen zum Handelsregister entspricht nicht den § 12 Abs. 1 Satz 1, 2 HGB, §16a Abs. 1, § 40a Abs. 1 BeurkG, § 78p BNotO.

Gemäß § 12 HGB müssen Anmeldungen zum Handelsregister elektronisch in öffentlich beglaubigter Form eingereicht werden, wobei die Beglaubigung auch per Videokommunikation nach § 40a BeurkG erfolgen kann. Eine qeS kann nur dabei beglaubigt werden, wenn sie entweder bei Anwesenheit des Notar oder über das Videokommunikationssystem der Bundesnotarkammer bestätigt wurde. Die Identifizierung erfolgt gemäß § 16c BeurkG zwingend in zwei Schritten. Der Notar soll die Identität der Person anhand eines elektronischen Lichtbilds sowie eines elektronischen Identitätsnachweises oder Identifizierungsmittels durch einen weiteren Lichtbildabgleich überprüfen. Nur die Kombination dieser beiden Schritte gewährleistet eine dem klassischen Präsenzverfahren vergleichbare Identifizierung der Beteiligten, da der Notar im Online-Verfahren das Ausweisdokument nicht physisch überprüfen kann. 
Nach der österreichischen Notariatsordnung (§ 69b II NO) hingegen ist der Notar bei einer Online-Beglaubigung verpflichtet, sicherzustellen, dass die Identitätsfeststellung anhand eines elektronischen Verfahrens sicher und zweifelsfrei erfolgt. Hierfür ist die Durchführung eines amtlichen videogestützten elektronischen Verfahrens oder eines gesetzlich vorgesehenen Verfahrens ausreichend, sofern dieselben Informationen wie mit Vorlage eines amtlichen Lichtbildausweises übermittelt werden (elektronischer Ausweis).

Das deutsche Verfahren der Online-Beglaubigung unterscheidet sich von dem Verfahren nach österreichischem Recht in drei Punkten. Zum einen wird in Österreich eine Identitätsfeststellung anhand des sogenannten Video-Identifikationsverfahren akzeptiert, wobei das per Video sichtbare Ausweisdokument mit der per Video zugeschalteten Person optisch abgeglichen wird. In Deutschland hingegen werden das Lichtbild sowie alle zur Überprüfung der Echtheit des Dokuments erforderlichen Daten aus dem elektronischen Speicher- und Verarbeitungsmedium des elektronischen Identifizierungsmittels zu bestimmt. Zum anderen kann eine Identifikation nach österreichischem Recht auch durch geschulte und zuverlässige Mitarbeiter erfolgen, in Deutschland hingegen nur durch einen Notar. Schließlich können in Österreich auch externe Dienstleister das eingesetzte Videokommunikationssystem betreiben, während in Deutschland dieses ausschließlich über das Videokommunikationssystem der Bundesnotarkammer (mittelbare Staatsverwaltung) erfolgen kann. Eine Beurkundung über andere Videokommunikationssystemen ist aufgrund der hoheitlichen Eigenart des Beurkundungsverfahrens nicht denkbar. 

Dementsprechend widerspricht die österreichische Beglaubigung der vom BeurkG und von der BNotO vorgeschriebenen Form.

Aus der Gesellschaftsrechtsrichtlinie in der Fassung der Digitalisierungsrichtlinie (EU) 2019/1151 ergibt sich keine Anerkennungspflicht der österreichischen Online-Beglaubigung.
Diese Richtlinie formuliert keine Pflicht zur wechselseitigen Anerkennung von nach anderem Recht vorgenommenen notariellen Online-Beglaubigungen, sondern lässt nationale Rechtsvorschriften und Anforderungen unberührt. Sofern die Richtlinie bestimmte elektronische Identifizierungsmittel benennt, die von den Mitgliedsstaaten anerkannt werden, werden die Mitgliedsstaaten lediglich dazu aufgefordert die von einem Mitgliedstaat ausgestellten Identifizierungsmittel (z.B. elektronischer Personalausweis) anzuerkennen, nicht aber die vorgenommene Beurkundung. Dies hat den Hintergrund, dass den einzelnen Mitgliedstaaten die Entwicklung der Vorschriften über die Mittel und Methoden für die Durchführung der Identitätskontrolle überlassen bleiben soll.

Auch aus den kollisionsrechtlichen Grundsätzen lässt sich keine Anerkennungspflicht herleiten. Das Rechtsinstitut erlaubt zwar die Durchführung einer gesellschaftsrechtlich notwendigen Beurkundung von einem ausländischen Notar. Dies gilt jedoch nur dann, wenn das Kriterium der Gleichwertigkeit beider Beurkundungen erfüllt ist.

Der deutsche Gesetzgeber hat mit den §§ 16c, 40a BeurkG, § 78p BNotO tragende Grundsätze für die notarielle Online-Beglaubigung entwickelt. Um die Gleichwertigkeit des Online-Verfahrens zu einem Präsenzverfahren zu gewährleisten, ist folglich insbesondere die persönliche Identifizierung durch den Notar anhand einer Überprüfung des Lichtbilds, das Sicherheitsniveau „hoch“ im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 und der Ersatz der Unterschriften durch eine langzeitig überprüfbare qeS notwendig. Diese zwingenden Anforderungen an eine Online-Beglaubigung im deutschen Recht werden nicht von höherrangigem Recht verdrängt. Die Dienstleistungsfreiheit des handelnden Notars (Österreich) wird nicht verletzt. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass notarielle Dienstleistungen von der Dienstleistungsfreiheit gem. Art 56 AEUV umfasst sind und ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt. Im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit des Art 56 AEUV ist jedoch kein absolutes Beschränkungsverbot vorgesehen, sodass Beschränkungen durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden können. Bereits in einem Urteil zur Niederlassungsfreiheit hat der EuGH entschieden, dass notarielle Tätigkeiten im Allgemeininteresse liegende Ziele verfolgen. Insbesondere soll die Rechtsmäßigkeit und Rechtssicherheit von Akten zwischen Privatpersonen gewährleistet werden. Die Anforderungen des deutschen Online-Beurkundungsverfahrens sollen die Vertrauenswürdigkeit des Urkundsvorgangs sicherstellen und Straftaten verhindern. Die hohen Anforderungen sind nicht unverhältnismäßig, da es sich um bedeutende Rechtsgüter handelt. Zudem ist auch zu beachten, dass die Online-Beurkundung im Vergleich zur Präsenzbeurkundung ein deutlich höheres Missbrauchspotential bietet. 
 

Praxishinweis | KG 22 W 25/24

Bei der Einreichung ausländischer Urkunden ist besondere Sorgfalt geboten. Dass vorliegende Urteil verdeutlich, dass eine im Ausland vorgenommene Online-Beurkundung nur dann akzeptiert werden kann, wenn sie dem im § 16a BeurkG geregeltem Verfahren entspricht ist. Dies kann nur bei solchen ausländischen Online-Verfahren gelten, die eine vergleichbar sichere persönliche Identifizierung der Beteiligten durch Notar:innen anhand elektronischer Identifizierungsmittel und elektronisch übermittelter Lichtbilder ermöglichen, sodass der hoheitliche Charakter des Beurkundungsverfahrens erhalten bleibt. Folglich wird die Gleichwertigkeit einer Online-Beglaubigung nach österreichischem Recht ausdrücklich abgelehnt. Eine Identifizierung im dort zulässigen sogenannten Video-Identifikationsverfahren ist dem deutschen nicht gleichwertig.