BGH II ZB 6/23
Berücksichtigung von Zuzahlungsvereinbarungen im Geschäftswert bei Beurkundung einer Stammkapitalerhöhung

28.08.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
12.09.2023
II ZB 6/23
ZIP 2023, 2410

Leitsatz | BGH II ZB 6/23

Für die Bemessung des Geschäftswerts eines Beschlusses über die Erhöhung des Stammkapitals einer GmbH ist innerhalb der durch § 105 I 2 und § 108 V GNotKG vorgegebenen Grenzen der den Ausgabepreis übersteigende Wert des auszugebenen Geschäftsanteils maßgeblich. Für die Bewertung kann eine mit dem Übernehmer der Geschäftsanteile geschlossene Vereinbarung über eine Zuzahlung in das Eigenkapital gem. § 272 II Nr. 4 HGB berücksichtigt werden.

Sachverhalt | BGH II ZB 6/23

Am 2. November 2020 beurkundete der Notar den Beschluss einer GmbH über die Erhöhung des Stammkapitals von 54.705 EUR um 16.270 EUR. Dies erfolgte durch die Ausgabe von 16.270 neuen Geschäftsanteilen, jeweils mit einem Nennbetrag von 1 EUR. Zuvor hatten die Gesellschafter der GmbH zusammen mit Investoren einen als Investment Agreement bezeichneten Vertrag geschlossen. Darin wurde festgelegt, dass für die neu ausgegebenen Geschäftsanteile eine Zuzahlung in die Kapitalrücklage nach § 272 II Nr. 4 HGB in Höhe von 7.076.961,90 EUR erfolgen soll. Bei der Kostenberechnung wurde diese Zuzahlung vom Notar zur Bestimmung des Geschäftswerts herangezogen.

Entscheidung | BGH II ZB 6/23

Der BGH entschied im Einklang mit der Vorinstanz, dass die Zuzahlung im Ergebnis zutreffend bei der Bemessung des Geschäftswerts berücksichtigt werden kann. Da § 108 V GNotKG a.F. nicht auf § 105 I GNotKG Bezug genommen hatte, war der Geschäftswert daher gem. § 36 GNotKG nach billigem Ermessen zu bestimmen. Auch wenn die Einzahlungsverpflichtung in einer gesonderten Vereinbarung vor oder zeitgleich mit dem Kapitalerhöhungsbeschluss getroffen wurde, ist sie werterhöhend bei der Festsetzung des Geschäftswerts zu berücksichtigen.

Nach der bestehenden obergerichtlichen Rechtsprechung ist ein vor dem Kapitalerhöhungsbeschluss zwischen den Gesellschaftern vereinbartes Aufgeld neben dem Nominalwert der übernommenen Geschäftsanteile bei der Bestimmung des Geschäftswerts zu berücksichtigen, was auch im Schrifttum Zustimmung erfahren hat (Bormann/Diehn/Sommerfeld/Bormann, GNotKG, 4. Auflage 2021, § 107 Rn. 31; Korintenberg/Tiedke, GNotKG, 22. Auflage, § 108 Rn. 1b; Fackelmann ZNotP 2018, 159; Thelen RNotZ 2020, 121 (145 f.); Heinemann/Trautrims/Stephan, Notarrecht, GNotKG § 108 Rn. 24). Für die Bemessung des Geschäftswerts eines Beschlusses über die Erhöhung des Stammkapitals einer GmbH ist der den Ausgabepreis übersteigende Wert des auszugebenden Geschäftsanteils maßgeblich, was sich aus den Grenzen der § 105 I 2 GNotKG und § 108 V GNotKG a.F. ergibt. Eine Vereinbarung über eine Zuzahlung in das Eigenkapital kann nach § 272 II Nr. 4 HGB für die Bewertung relevant sein.

Ein Beschluss über die Erhöhung des Stammkapitals hat nach allgemeiner Auffassung einen bestimmten Geldwert nach § 108 I 2 GNotKG, was bereits durch den Verweis auf § 105 I GNotKG bestätigt wird. Diese Norm zählt verschiedene Beschlussfassungen auf, bei welchen Geldbeträge im Handelsregister eingetragen werden, darunter in Nr. 3 ausdrücklich auch Beschlüsse zur Erhöhung oder Herabsetzung des Stammkapitals einer GmbH. Der Geschäftswert für die Beurkundung beträgt mindestens den im Handelsregister einzutragenden Betrag, um den das Stammkapital erhöht wird, nach § 105 I 2 GNotKG jedoch nicht weniger als 30.000 EUR und nach § 108 V GNotKG a.F. höchstens 5 Mio. EUR, selbst wenn mehrere Beschlüsse in einem Beurkundungsverfahren zusammengefasst werden.

Der Geschäftswert eines Beschlusses zur Erhöhung des Stammkapitals kann unter Berücksichtigung der Grenzen des § 108 I 2 und V GNotKG a.F. unter ergänzender Anwendung von § 97 I, II GNotKG ermittelt werden. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz kann jedoch nicht unmittelbar auf § 36 I GNotKG zurückgegriffen werden. § 108 I 2 GNotKG legt einen Mindestwert für Beschlüsse mit einem bestimmten Geldwert fest, bietet hierzu jedoch keine nähere Begriffsbestimmung. Der Geschäftswert richtet sich daher, wie auch in der Kostenordnung, nach dem jeweiligen Geldwert. Nach § 97 I GNotKG bestimmt sich der Geschäftswert bei der Beurkundung von Verträgen und Erklärungen nach dem Wert des Rechtsverhältnisses, das Gegenstand der Beurkundung ist. Diese Regelung gilt auch für Beschlüsse, sofern § 108 GNotKG keine spezielle Regelung vorsieht. Die Beurkundung eines Gesellschafterbeschlusses kann dabei entweder in der Form eines Tatsachenprotokolls oder als Willenserklärung erfolgen. Unabhängig von der gewählten Beurkundungsform soll der Geschäftswert einheitlich ermittelt werden, wobei § 97 I GNotKG als allgemeine Vorschrift herangezogen werden soll, sofern § 108 GNotKG keine speziellen Regelungen enthält.

Der Wert eines Beschlusses zur Erhöhung des Stammkapitals einer GmbH richtet sich nach dem Wert der neu geschaffenen oder erhöhten Geschäftsanteile, wenn diese den Ausgabebetrag übersteigen.

Entscheidend ist, ob der Beschluss geeignet ist, eine Verschiebung des Wertes im Verhältnis der Gesellschafter herbeizuführen. Bei einer Kapitalerhöhung entsteht das Mitgliedschaftsrecht des Übernehmers durch den Beschluss und den Übernahmevertrag kraft Gesetzes mit der Eintragung ins Handelsregister. Übersteigt der objektive Wert der neuen Geschäftsanteile den Ausgabebetrag, so führt dies zu einer Wertverschiebung zwischen den Gesellschaftern. Der Wert des Beschlusses wird daher bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht nur durch die Leistung des Gesellschafters, sondern auch durch den Wert des erworbenen Gesellschaftsanteils bestimmt. Eine Zuzahlung in die Kapitalrücklage nach § 272 II Nr. 4 HGB dient daher als wichtiger Anhaltspunkt für die Wertbestimmung.

Praxishinweis | BGH II ZB 6/23

Die vorherrschende Auffassung, der sich auch der Senat angeschlossen hat, hat in der Literatur auch Kritik erfahren (Strauß, MittBayNot 2018, 487 (488 f.); Weitnauer, GWR 2018, 245 (248); Herrler/Stopp, Gesellschaftsrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 2. Aufl. 2021, § 10 Rn. 87a).

In der Praxis wird sich weiter das Problem stellen, ob der beurkundende Notar auch Kenntnis vom Inhalt der vorgehenden schuldrechtlichen Vereinbarungen der Gesellschafter hat und diese in Folge auch berücksichtigen kann (Strauß, MittBayNot 2018, 487 (489). Insbesondere, wenn der Beschluss bei einem anderen Notar beurkundet wird, können sich unterschiedliche Geschäftswertansätze ergeben. Der Notar wird jedoch die obergerichtliche Rechtsprechung beachten müssen, daher sollte im Einzelfall überlegt werden, den Beteiligungsvertrag und die Kapitalerhöhung doch in einer Urkunde zusammenzufassen, um zumindest den Degressionseffekt nutzen zu können (Herrler/Stopp, Gesellschaftsrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 2. Aufl. 2021, § 10 Rn. 87a).

Das Urteil bezog sich noch auf die alte Fassung des § 108 GNotKG. Mit Wirkung zum 01.01.2024 wurde die Vorschrift durch das MoPeG geändert, sodass Absatz V nun wortgleich zu Absatz IV geworden ist.