03.02.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Oldenburg
20.12.2023
3 U 8/23
ErbR 2024, 280
1. Der Begriff des Barvermögens in einem Vermächtnis umfasst das gesamte Geld, das sofort, also auch über eine Kartenzahlung, verfügbar ist, nicht aber Wertpapiere.
2. Wertpapiere unterfallen dem erweiterten Begriff des Kapitalvermögens, das Barvermögen und alle sonstigen Kapitalwerte in Geld umfasst.
Die Parteien streiten um die Erfüllung eines Vermächtnisses und hierbei um den Begriff des „Barvermögens“. Die Klägerin und die Beklagten sind mit einem weiteren Bruder die einzigen Kinder des Erblassers D. Mit notariellem Testament setzte der Erblasser die Beklagten als Erben ein. Zuvor wurde der Klägerin vom Erblasser eine Immobilie in XY mit Grundstücksübertragungsvertrag vom unentgeltlich im Weg der vorweggenommenen Erbfolge unter Anrechnung auf spätere Erb- und Pflichtteilsansprüche zugewandt.
In § 3 des notariellen Testaments beschwerte der Erblasser die Beklagten mit einem Vermächtnis zugunsten der Klägerin wie folgt:
„Das bei Eintritt des Erbfalls vorhandene Barvermögen soll zu einem 1/3 Anteil an meine Tochter C, …, ausgezahlt werden.“
Die Klägerin forderte zunächst im Wege der Stufenklage Auskunft über den Bestand des gesamten Kapitalvermögens. Die Beklagten teilten mit, dass das Kapitalvermögen des Erblassers insgesamt 192.108,98 EUR beträgt, wobei unter anderem Bankguthaben, Genossenschaftsanteile, Depotvermögen und Bargeld vorhanden waren.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass unter "Barvermögen" sämtliche liquide Mittel, einschließlich Guthaben bei Kreditinstituten und Wertpapiere, zu verstehen sind.
Die Beklagten hingegen argumentieren, dass nur das vorhandene Bargeld gemeint sei.
Das LG hat die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 64.036,32 EUR nebst Zinsen zu zahlen.
Das OLG Oldenburg gab der zulässigen Berufung teilweise statt.
Die Klägerin habe einen Anspruch gegen die Beklagten auf Zahlung von 51.605,70 EUR gemäß §§ 2147, 2174 BGB aufgrund des Vermächtnisses des Erblassers im notariellen Testament vom 16.4.2018. Das LG habe richtig darauf hingewiesen, dass zur Ermittlung des wirklichen Erblasserwillens betreffend den streitigen Begriff des Barvermögens die erläuternde Testamentsauslegung herangezogen werden müsse. Das LG sei zu dem Schluss gekommen, dass die Klägerin nicht habe nachweisen können, dass der Begriff "Barvermögen" das gesamte Kapitalvermögen des Erblassers umfasse.
Das OLG Oldenburg definiert "Barvermögen" in der heutigen Zeit des überwiegend bargeldlosen Zahlungsverkehrs als Bargeld im engeren Sinne sowie sofort verfügbare Gelder bei Banken. Wertpapiere fielen nicht darunter, sondern würden unter dem erweiterten Begriff des Kapitalvermögens subsumiert. Die Aussage des Notars, auf die sich das LG maßgeblich stützte, biete keinen ausreichenden Beweis für eine andere Auslegung. Der Zeuge habe nicht eindeutig bestätigen können, dass der Erblasser Wertpapiere als Teil des "Barvermögens" betrachtete. Das Verständnis des beurkundenden Notars könne nicht mit dem Willen des Erblassers gleichgesetzt werden. Es sei auch hervorzuheben, dass der Erblasser selbst nach Angaben des Zeugen immer den Begriff des Barvermögens gewählt habe. Der Begriff des Kapitalvermögens sei zu keinem Zeitpunkt verwendet worden.
Die Entscheidung des BGH vom 22.10.1975 (Aktenzeichen IV ZR 17/74) führt nach Auffassung des OLG Oldenburg ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis, da der dortige Fall nicht mit der vorliegenden Konstellation vergleichbar sei. Im zu entscheidenden Fall habe es keine explizite Bestimmung des "Barvermögens" bei einer bestimmten Bank gegeben. Zum "Barvermögen" gehörten daher das aufgefundene Bargeld sowie das Bankguthaben. Die Genossenschaftsanteile und Wertpapiere seien nicht eingeschlossen. Daher ergebe sich ein Anspruch aufgrund des Vermächtnisses in Höhe von 51.605,70 EUR.
Da kaum ein Feld in der Juristerei mit so viel Streit verbunden ist wie das Erbrecht, verwundert es nicht, dass in der Praxis die Definition von „hinterlassenem Bargeld“, „Barvermögen“ oder „Barschaft“ immer wieder die Gerichte beschäftigt. Auch vor dem Hintergrund des Wandels von Barzahlung hin zu Zahlung mit Mobiltelefon und Smartwatch gehen die Definitionen zwischen den Generationen wohl auseinander. Um so wichtiger, dass der Notar den wahren Willen des Erblassers ermittelt und in eindeutigen Regelungen niederlegt.