Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis: Wer bekommt die Nachlassfrüchte?

I. Einleitung

Bei der Errichtung eines Testaments stehen dem Erblasser vielfältige Gestaltungsinstrumente zur Verfügung. Häufig kommt es jedoch vor, dass sich der Erblasser nicht mit allen Folgefragen, die sich aus der Erbeinsetzung ergeben, auseinandergesetzt hat. Dies kann im Erbfall zu unerwünschten Ergebnissen führen. Eine fachkundige Beratung bei der Testamentserrichtung ist daher ratsam. In diesem Beitrag wird eine der möglichen Folgefragen behandelt, nämlich: Wem stehen die Nachlassfrüchte zu, die zwischen dem Erbfall und der Anspruchserfüllung eines Vorausvermächtnisses und einer Teilungsanordnung entstanden sind?  

 

II. Unterschiede zwischen Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung

Zunächst sind zwei Institute zu unterscheiden: Die Teilungsanordnung und das Vorausvermächtnis. Beide Anordnungen ermöglichen es dem Erblasser, einen konkreten Nachlassgegenstand einem bestimmten Erben zuzuordnen. Obwohl es auf den ersten Blick scheinen mag, dass beide Institute zum gleichen Ergebnis führen, ist das Gegenteil der Fall.

Durch ein Vorausvermächtnis kann der Testator dem Erben zusätzlich zu seinem Erbteil weitere Gegenstände vermachen. Die Erfüllung des Vorausvermächtnisanspruchs, also die Herausgabe des Nachlassgegenstandes, kann der Erbe sofort nach Anfall des Vermächtnisses verlangen. Der Erbe kann das Vorausvermächtnis unabhängig von seinem Erbteil auch ausschlagen (Horn, in: Kroiß/Horn, § 2150 Rn. 10).

Mit einer Teilungsanordnung ordnet der Erblasser dem konkreten Erben ebenfalls bestimmte Gegenstände zu. Im Unterschied zum Vorausvermächtnis ist die Zuordnung jedoch für alle Erben bindend und kann nicht isoliert vom Erbteil ausgeschlagen werden. Zudem erfolgt die Zuordnung durch Anrechnung auf den bestehenden Erbteil des Bedachten. Dies bedeutet, dass die Höhe des Erbteils von der Teilungsanordnung unberührt bleibt. Schließlich kann der Teilungsanordnungsbegünstigte die Herausgabe des Gegenstandes erst im Zeitpunkt der Erbenauseinandersetzung verlangen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Vorausvermächtnis dem Erben mehr Handlungsmöglichkeiten bietet als die Teilungsanordnung. Der Vorausvermächtnisnehmer kann das Vermächtnis ausschlagen, den Erbteil aber trotzdem behalten. Der Anordnungsbegünstigte hingegen muss den Erbteil entweder unverändert annehmen oder vollständig ausschlagen. Kommt es dem Erblasser besonders auf die konkrete Verteilung der Nachlassgegenstände an, die von den Erben nicht leicht umgangen werden kann, ist die Teilungsanordnung ein durchaus geeignetes Instrument dafür. Bei der Formulierung solcher Klauseln im Testament ist jedoch Vorsicht geboten. Lassen sich nämlich die Anordnungen nicht eindeutig einem der beiden Institute zuordnen, müssen die Gerichte eine Abgrenzung vornehmen und selbst feststellen, ob eine Teilungsanordnung oder ein Vorausvermächtnis vom Erblasser gewollt war.   

 

III. Zuordnung der Erzeugnisse

Insbesondere bei streitigen Erbfällen kann sich die Nachlassauseinandersetzung über Jahre hinziehen. In dem Zeitraum zwischen Erbfall und Erbenauseinandersetzung können Nachlassgegenstände, wie vermietete Immobilien oder Unternehmen, Früchte und Erträge erzeugen. Fehlt eine ausdrückliche Regelung im Testament, ist es fraglich, wem diese Früchte zustehen.

Im Falle eines Vermächtnisses ist die Antwort auf diese Frage im Gesetz zu finden. Die Erben müssen dem Vermächtnisnehmer seit dem Anfall des Vermächtnisses gezogene Früchte herausgeben (§ 2184 BGB). Seien es die Mieteinnahmen aus vermietetem Grundstück, die Gewinnbezugsrechte aus Gesellschaftsanteilen oder aber auch die Ernte der Obstbäume aus dem Familiengarten - all dies (und mehr) steht dem Vorausvermächtnisnehmer zu, wenn ihm ein bestimmter Nachlassgegenstand vermacht wurde. Der Erblasser kann jedoch von dieser Regelung abweichen und die Verteilung der Früchte vor Annahme des Vermächtnisses anders regeln. Eine solche Anordnung muss aber im Testament ihren Niederschlag finden.

Demgegenüber ist die Frage der Verteilung der Nachlassfrüchte bei Teilungsanordnungen schon deshalb problematisch, weil das Gesetz hierzu, anders als bei Vermächtnissen, schweigt. Der Gesetzgeber hat diese Problematik bei der Normierung der Teilungsanordnung übersehen (Trappe, ZEV, 2018, 123, 126). Der überwiegende Teil der Literatur und die Rechtsprechung wenden daher die Vorschrift über das Vorausvermächtnis (§ 2184 BGB) analog auch auf Teilungsanordnungen an (Rudy, in: MüKo, § 2184 BGB Rn. 2). In beiden Fällen entspricht es in der Regel dem Willen des Erblassers, dass die Nachlassfrüchte des erfassten Gegenstandes dem Vermächtnisnehmer bzw. dem Anordnungsbegünstigten, unabhängig von der Dauer der Erbauseinandersetzung, zustehen (BGH, BeckRS 2012, 5319, Rn. 15). Würden die Früchte bis zur Anspruchserfüllung dem Gesamtnachlass zugeteilt, bestünde die Möglichkeit, dass die durch Teilungsanordnung beschwerten Erben die Auseinandersetzung und somit auch die Herausgabe des Nachlassgegenstandes hinauszögern können und dadurch ihren eigenen Erbteil erhöhen (OLG Celle, BeckRS 2002, 30294749). Dies bedeutet, dass der durch die Teilungsanordnung begünstigte Erbe die Herausgabe aller ab dem Erbfall erwirtschafteten Früchte des Nachlassgegenstandes im Zeitpunkt der Erbenauseinandersetzung verlangen kann. Auch von dieser Bestimmung kann der Erblasser jedoch abweichen, indem er die Verteilung der Früchte im Testament ausdrücklich regelt.

 

IV. Fazit

Bei der Zuweisung eines ertragsbringenden Gegenstandes an einen konkreten Erben hat der Erblasser somit einiges zu beachten. Zunächst muss er sich entscheiden, ob er den Gegenstand in Form eines Vorausvermächtnisses oder einer Teilungsanordnung zuwenden will, und dies in der letztwilligen Verfügung klar zum Ausdruck bringen. Entscheidet sich der Erblasser für die Teilungsanordnung, sollte er sich dann auch mit der Folgefrage auseinandersetzen, ob dem Begünstigten die erzeugten Früchte aus der Sache bereits mit dem Erbfall oder erst ab der Erbenauseinandersetzung zustehen sollen und dies ebenfalls in der letztwilligen Verfügung klarstellen.  Die herrschende Lehre in der Literatur und auch die Rechtsprechung vertritt zwar die Meinung, dass bei fehlender Regelung im Testament die Erträge einer Nachlasssache dem Teilungsanordnungsbegünstigten bereits ab dem Erbfall zukommen sollen. Eine ausdrückliche Anordnung kann jedoch die gesamte Abwicklung des Erbfalls wesentlich vereinfachen und beschleunigen.

Autor: Prof. Dr. Oswald van de Loo, Notar

 

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