I. Einleitung
Beinahe jeder Arbeitgeber hat sich schon einmal mit der Frage konfrontiert gesehen, ob die Tätigkeit eines Beschäftigten eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit darstellt. Die Antwort auf diese Frage hat schließlich erhebliche sozialversicherungs- und arbeitsrechtliche Folgen.
Um Erwerbstätige und ihre Auftraggeber zu schützen, wurde das Statusfeststellungsverfahren geschaffen, ein Anfrageverfahren zur Statusklärung. Gerade damit Betroffene unkompliziert und schnell klären lassen können, welche Art der Beschäftigung vorliegt.
Abhängig Beschäftigte sind personell und materiell in den Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert und auch an dessen Weisungen gebunden. Während diese somit sozialversicherungspflichtig sind, unterliegen nur wenige Selbstständige der Rentenversicherungspflicht. Selbstständige sind in der Regel für mehrere Auftraggeber tätig. Sie gestalten die Art ihrer Tätigkeit selbst und können dafür auch selbst versicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftigen. Hat der Arbeitgeber allerdings mit einem hauptberuflich Selbstständigen einen Dienstvertrag geschlossen, zählt dieser regelmäßig zu den Arbeitnehmern, wenn er für diese Arbeit mindestens 30 % mehr Zeit aufwendet als für die selbstständige und auch mindestens 30 % höheren Profit daraus zieht. Auch im Bereich der GmbH sind Gesellschafter, die nicht wenigstens 50 % der Geschäftsanteile einer Gesellschaft halten, in der Regel ebenfalls sozialversicherungspflichtig. Mitarbeitende Minderheitsgesellschafter können nur dann sozialversicherungsfrei sein, wenn sie ein umfassendes Vetorecht gegen alle Beschlüsse der Gesellschafterversammlung haben (→ Fachbeitrag: Sozialversicherungspflicht der Geschäftsführer und mitarbeitenden Gesellschafter eines Unternehmens). Im Zweifelsfall kann es somit schnell zu Schwierigkeiten bzw. Fehlern bei der Bestimmung des Status kommen.
Auch in der Rechtsprechung gab es bezüglich dieser Thematik in den letzten Jahren einen Wandel: Wurde zunächst bezogen auf Geschäftsführer von Familienunternehmen die sogenannte „Kopf und Seele“-Rechtsprechung angewandt und auch einem Minderheitengesellschafter ausreichende Rechtsmacht im Unternehmen zugesprochen, wenn dieser aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse im Wesentlichen frei gestalten konnte, verwarf der 12. Senat des BSG mit Urteil vom 29.07.2015 (Az: BZ 12 KR 23/13) diese Rechtsprechung. Die Statuszuordnung könne nicht von einem rein faktischen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Gesellschafter abhängig gemacht werden, wenn es etwa zu Streitigkeiten innerhalb der Familie kommt. Dies sei nicht mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungsrechtlicher Tatbestände vereinbar.
Das Statusfeststellungsverfahren soll Klarheit für alle Seiten schaffen und sich günstig für die Betroffenen auswirken. Die Folgen eines ungeklärten Sozialversicherungsstatus können nämlich durchaus schwerwiegend sein: wenn sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilungen fehlerhaft sind, kann dies sogar die Existenz gefährden. Um diese Fehler zu verhindern, können Beteiligte einer Vertragsbeziehung nach § 7a SGB IV gemeinsam bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) die Entscheidung beantragen, ob eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt. Damit wird das Ziel verfolgt, unmittelbar nach Tätigkeitsaufnahme eine behördliche Einstufung zu erlangen, ob die Tätigkeit der gesetzlichen Sozialversicherung unterfällt oder ob ein sozialversicherungsfreies Verhältnis vorliegt.
Hintergrund dafür ist, dass Beanstandungen durch die Träger der DRV bei Fehleinschätzungen in Betriebsprüfungen Beitragsnachforderungen rückwirkend bis zu vier Jahren (§ 28p SGB IV) und bei Vorsatz sogar bis zu dreißig Jahren (§ 25 I SGB IV) auslösen können. Ebenso drohen daneben beitragsrechtliche Säumniszuschläge. Die Durchführung eines sog. Statusfeststellungsverfahrens kann diesem Vorsatzvorwurf begegnen und Rechtssicherheit schaffen.
Am 1. April 2022 sind die Änderungen zum Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV in Kraft getreten. Zweck der Reform ist es, das Statusfeststellungsverfahren effizienter und attraktiver zu machen und es auch für Dreiecksverhältnisse wie den Fremdpersonaleinsatz in einem Werkvertrag und für Gruppenfälle zu öffnen.
II. Inhaltliche Neuerungen
1. Feststellung des Erwerbsstatus
Von nun an wird die Behörde nicht mehr entscheiden, ob eine Sozialversicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung besteht, sondern nur noch, ob die betreffende Person selbstständig tätig oder abhängig beschäftigt wird. Somit wird separiert von der Frage der konkreten Sozialversicherungspflicht nur noch der Erwerbsstatus festgestellt. Dieser reduzierte Prüfungsumfang soll letztlich für eine Verfahrensbeschleunigung sorgen.
Dem gleichen Grund dient auch die Streichung der Parteianhörung. Aber dies lediglich dann, wenn die DRV Bund gedenkt, einem übereinstimmenden Antrag der Beteiligten nachzukommen. Bei allen anderen Fällen bleibt die Gelegenheit, sich zur beabsichtigten Entscheidung zu äußern, bestehen. Im Widerspruchsverfahren ist es künftig möglich, eine mündliche Anhörung mit allen Beteiligten zu beantragen.
2. Dreiecksverhältnisse
Einen gänzlich neuen Punkt stellt die Statusfeststellung in Dreiecksverhältnissen dar. Dabei geht es besonders um die Konstellation zwischen Dienstleister (Auftraggeber), einem Spezialisten (Auftragnehmer) und einem Dritten (Endkunden), also den Einsatz von Fremdpersonal im Rahmen von Werk- oder Dienstverträgen. Es wird auch geprüft, ob tatsächlich ein „echter“ Werk- oder Dienstvertrag vorliegt oder ob möglicherweise eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung mit zahlreichen ungewollten Nachwirkungen begründet wird. Hierbei kann von nun an geklärt werden, ob und wenn ja mit wem eine abhängige Beschäftigung vorliegt.
3. Prognoseentscheidung
Ferner neu ist die sog. „Prognoseentscheidung“ (zunächst befristet bis 30.06.2027), also die Statusfeststellung im Vorfeld der Tätigkeitsaufnahme. Dadurch soll bereits von vornherein die Risikoentstehung einer Scheinselbstständigkeit vermieden werden. Basis für die Entscheidung sollen die vertraglichen Vereinbarungen zwischen Auftragnehmer und -geber und die von ihnen beabsichtigten – antizipierten – Umstände der Vertragsdurchführung darstellen.
Da es durchaus möglich ist, dass die Parteien nicht bereits sämtliche Einzelheiten der Zusammenarbeit im Vorfeld kennen, verpflichtet der Gesetzgeber sie, Änderungen in der schriftlichen Vereinbarung oder der tatsächlichen Vertragsdurchführung, die sich bis zu einem Monat nach Aufnahme der Tätigkeit ergeben, unverzüglich mitzuteilen. Bei wesentlichen Änderungen hebt die Behörde die Entscheidung mit Wirkung für die Zukunft wieder auf. Sie kann auch bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Versäumen der Mitteilungspflicht rückwirkend, d.h. mit Wirkung auf den Zeitpunkt der Tätigkeitsaufnahme geändert werden. Durch eine erfolgte Prognoseentscheidung wird aber eine spätere anderweitige Feststellung bei Veränderung der Verhältnisse nicht ausgeschlossen.
4. Gruppenfeststellung
Als letzte nennenswerte Neuerung ist die sog. Gruppenfeststellung zu nennen. Durch diese soll vermieden werden, dass jede Einsatzperson getrennt überprüft werden muss, zB bei Bestehen eines Rahmenvertrages. Die DRV Bund äußert sich also, sofern sie in einem Einzelfall über einen Erwerbsstatus entscheidet, auch gutachterlich zum Erwerbsstatus anderer Einsatzpersonen im gleichen Auftragsverhältnis.
Zu beachten ist indes, dass es sich hierbei nicht um einen Bescheid mit Bindungswirkung handelt, sondern lediglich um eine gutachterliche Stellungnahme. Die Gruppenfeststellung schafft somit einen gewissen Vertrauensschutz, da eine etwa spätere anderslautende Entscheidung eines Versicherungs-trägers erst ab Bekanntgabe für die Zukunft wirkt .
III. Fazit
Das Statusfeststellungsverfahren bietet nunmehr neue Instrumentarien und einen insgesamt weiteren Anwendungsbereich. Ob das Statusfeststellungsverfahren fortan tatsächlich häufiger genutzt wird als bisher bleibt abzuwarten. Inhaltliche Klarheit, wer nun abhängig beschäftigt und wer selbstständig tätig ist, bringt auch diese Reform nicht.
Autor: Prof. Dr. Heribert Heckschen, Notar, Dresden
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