Abstract
"Abfindungsklauseln sind in der Praxis ein bewährtes Mittel zur Senkung von Abfindungsansprüchen ausscheidender GmbH-Gesellschafter. Treiben es die Gesellschafter mit der Reduzierung der Abfindungshöhe im Vergleich zum tatsächlichen Wert der Geschäftsanteile zu weit, sind derartige Satzungsregelungen nichtig. Probleme entstehen, weil die grundsätzliche analoge Anwendung des § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG auf die GmbH eine Heilung nichtiger Abfindungsklauseln durch bloßen Ablauf der dort geregelten Drei-Jahres-Frist bewirkt. Auch wenn die Praxis davon ausgeht, dass § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG (analog) eine endgültige Heilung nichtiger Abfindungsklauseln zur Folge hat, mit der Folge der endgültigen Legalisierung auch unzweifelhaft sittenwidriger Abfindungsvereinbarungen, erweist sich genau diese Rechtsfolge bei genauerer Betrachtung als nicht geklärt. Der vorliegende Beitrag geht der genauen Reichweite der analogen Anwendung von § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG auf nichtige Abfindungsklauseln in GmbH-Satzungen nach. Weiterhin wird insbesondere die Frage diskutiert, ob anfänglich nichtige und nachträglich unwirksame Abfindungsklausel in GmbH-Satzungen spezifische Mitwirkungspflichten der Gesellschafter bei der Korrektur derartiger Klauseln zur Folge haben können."
Fazit
"1. Die analoge Anwendung von § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG auf gemäß § 241 Nr. 4 AktG (analog) anfänglich nichtige Abfindungsklauseln bewirkt zwar, dass die Nichtigkeit einer Abfindungsklausel nicht mehr geltend gemacht werden kann. Ein ausscheidender Gesellschafter kann folglich nicht nach dem gesetzlichen Regelfall Abfindung in Höhe des tatsächlichen Verkehrswerts verlangen. Insofern kann von einer Heilung der Nichtigkeit gesprochen werden. Allerdings führt die Heilung analog § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG nicht dazu, dass der Rechtsverstoß, der in der unwirksamen Abfindungsklausel zu sehen ist, endgültig legalisiert wird. Die Heilung bewirkt nicht, dass eine anfänglich nichtige Begrenzung der Abfindungshöhe durch Zeitablauf im Ergebnis einen sittenwidrig niedrigen Abfindungsanspruch zur Folge hat.
2. Die Heilung führt vielmehr nur dazu, dass die anfänglich nichtige Klausel in den Stand einer zwar wirksamen, jedoch der Ausübungskontrolle unterworfenen Abfindungsregelung gehoben wird. Wie bei nachträglicher Unwirksamkeit legt also das Gericht den Abfindungsanspruch in angemessener Höhe fest („Ausübungskontrolle“). Die Rechtsfolge von § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG (analog) besteht darin, dass eine anfänglich nichtige, nachträglich geheilte Abfindungsklausel wie eine nachträglich unwirksame Abfindungsklausel behandelt wird. Sie ändert nichts daran, dass eine anfänglich unwirksame, jedoch geheilte Klausel mit den gleichen Argumenten angegriffen werden kann, wie eine anfänglich wirksame.
3. Den Problemen im Zusammenhang mit unwirksamen Abfindungsklauseln kann durch Heilungs-/Auffangregelungen in der Satzung begegnet werden. Dies gilt sowohl für anfängliche als auch nachträglicher Unwirksamkeit.
4. Gesellschafter einer GmbH haben gegen ihre Mitgesellschafter einen Anspruch auf Mitwirkung an einer Korrektur einer unwirksamen Abfindungsklausel. Dieser Anspruch folgt aus der Treuepflicht. Der Anspruch besteht gleichermaßen hinsichtlich anfänglich und nachträglich unwirksamer Abfindungsklauseln."
Quelle:
Autor: Prof. Dr. Heribert Heckschen
Fundstelle: FS Bergmann, 2018, S. 259