Erbschein: Alles was Sie wissen müssen

I. Einleitung

Bei einem Erbfall sind viele Angelegenheiten zu regeln. Nicht selten fühlen sich die Hinterbliebenen, potenziellen Erben oder sonstige Bedachte bei der Erbschaftabwicklung überfordert. Oft müssen sie sich mit den Begriffen wie „Pflichtteil“, „Ausschlagung“ oder „Erbschein“ auseinandersetzen. Jeder hat diese Begriffe schon einmal gehört, aber nur wenige haben sich vor einem Erbfall intensiv damit beschäftigt. In diesem Fachbeitrag möchten wir die wichtigsten Informationen rund um den Erbschein von der Beantragung bis zu dessen Erteilung erläutern.

 

II. Was ist ein Erbschein?

Der Erbschein ist ein offizielles amtliches Zeugnis, welches bescheinigt, dass der Erbscheininhaber der wahre Erbe des Erblassers ist. Als eine sog. öffentliche Urkunde begründet er die Vermutung, dass sein Inhalt richtig ist. Der Erbschein wird auf Antrag von einem Nachlassgericht erteilt und enthält unter anderem die Angaben über den Erblasser, seine Erben und deren Erbquoten. Auch etwaige Beschränkungen der Erben, wie zum Beispiel eine angeordnete Testamentsvollstreckung, werden im Erbschein vermerkt. Mit dem Erbschein können sich die Erben bei verschiedenen Geschäften, insbesondere gegenüber Banken, dem Grundbuchamt oder anderen Behörden, als Rechtsnachfolger ausweisen und so diese Geschäfte nach dem Tod des Erblassers auch vor der endgültigen Nachlassabwicklung weiterführen.

Beispiel: Der Alleinerbe A hat von seinem Vater V ein Haus geerbt. Ein Testament wurde von V nicht verfasst. A möchte nun im Grundbuch als Eigentümer des Hauses eingetragen werden. Das Grundbuchamt verlangt für die Grundbuchberichtigung die Vorlage eines Erbscheins in Ausfertigung, ohne den es die Umschreibung nicht vornehmen wird.  

Es gibt verschiedene Arten von Erbscheinen. Ein sog. Alleinerbschein liefert zunächst einen Nachweis für die Rechtsstellung des Alleinerben. Daneben kann auch ein Teilerbschein beantragt werden. Dieser ist erforderlich, wenn zwar mehrere Erben vorhanden sind, der einzelne Erbe aber einen von den anderen Erben isolierten Nachweis über seinen Erbteil erhalten möchte, bzw. die Erbfolge hinsichtlich eines bestimmten Familienstamms unklar ist. Eine Erbengemeinschaft kann auch gemeinsam einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragen, welcher dann als Nachweis über den Gesamtnachlass gilt. Darüber hinaus fasst ein Sammelerbschein mehrere nacheinander eingetretene Erbfälle in einer Urkunde zusammen. Bei grenzüberschreitenden Erbfällen kann schließlich ein europäisches Nachlasszeugnis beantragt werden.

Da aber das Vermögen des Erblassers mit seinem Tod automatisch auf die Erben übergeht (sog. Universalsukzession), ist die Beantragung eines Erbscheins nicht immer sinnvoll. Ein notarielles Testament und ein Erbvertrag sind ein ausreichender Nachweis der Erbenstellung und machen somit einen Erbschein überflüssig. Ergibt sich ferner die Erbenstellung unzweifelhaft aus einem privatschriftlichen eigenhändigen Testament oder erteilte der Erblasser dem Erben vor seinem Tod eine transmortale Generalvollmacht (Vollmacht, die über den Tod des Erblassers hinaus gelten soll), ist ebenfalls kein Erbschein erforderlich. Dieser wird auch dann nicht benötigt, wenn sich im Nachlass keine Grundstücke oder sonstige Nachlassgegenstände befinden, für die sich der Erbe als Berechtigter ausweisen muss.

Beispiel: Wie im obigen Beispiel, nur hat V diesmal ein notarielles Testament errichtet. Das Grundbuchamt wird die Grundbuchberichtigung ohne Vorlage eines Erbscheins vornehmen, da das notarielle Testament als öffentliche Urkunde einen ausreichenden Nachweis der Erbenstellung darstellt. A erspart sich somit die Kosten für die Beantragung eines Erbscheins.  

Zu beachten ist auch, dass bei einer Erbscheinbeantragung die Annahme der Erbschaft durch den Erben erklärt werden muss, d.h. solange sich der Hinterbliebene nicht sicher ist, ob er die Erbschaft annehmen will, ist von einer Antragstellung abzuraten.

 

III. Erbscheinantrag

Der Erbschein ist beim Nachlassgericht zu beantragen, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Antragsbefugt sind neben den Erben unter anderem auch Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter. Die Beteiligten können aber auch einen Notar mit der Erbscheinbeantragung beauftragen. Die Kosten für die Antragstellung beim Notar und dem Nachlassgericht sind identisch. Beim Notar fällt allerdings noch die Umsatzsteuer von derzeit 19 % an. Der Notar berät jedoch auch umfassend, unterstützt bei der Einholung erforderlicher Unterlagen und übernimmt nach der Beurkundung des Erbscheinantrags die Kommunikation mit dem Nachlassgericht und wickelt somit das gesamte Verfahren für den Antragsteller ab.

Die Form des Erbscheinantrags ist zwar nicht vorgegeben, er muss jedoch zwingend bestimmte Angaben enthalten.

 

1. Angaben zum Antragsteller und dem Erblasser

Ein Erbscheinantrag muss zunächst die Personalien des Antragstellers sowie die Daten des Erblassers enthalten. Dazu gehören neben dem vollständigen Namen und der Anschrift auch die Staatsangehörigkeit und der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers. Ferner sind Ort und Datum des Todes anzugeben, welches durch die Vorlage einer Sterbeurkunde (ggf. in beglaubigter Abschrift) des Erblassers nachzuweisen ist.

 

2. Weitere Angaben bei gesetzlicher Erbfolge

Beim Erbscheinantrag ist weiterhin zu unterscheiden, ob sich der Antragsteller auf gesetzliche oder gewillkürte Erbfolge beruft. Bei gesetzlicher Erbfolge hat der Antragsteller neben der Bezeichnung des von ihm beanspruchten Erbteils sein Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser durch Vorlage einer Geburts- oder Eheurkunde darzulegen. War der Erblasser zum Todeszeitpunkt verheiratet, ist auch die Angabe des ehelichen Güterstandes erforderlich. Liegen letztwillige Verfügungen vor, muss der Antragsteller auch diese vorlegen, selbst wenn er deren Wirksamkeit bestreitet.

 

3. Weitere Angaben bei gewillkürter Erbfolge

Wurde der Antragsteller durch eine letztwillige Verfügung des Erblassers als Erbe eingesetzt, liegt eine gewillkürte Erbfolge vor. Auch in diesem Fall muss der Antrag die Angabe über den beanspruchten Erbteil enthalten. Außerdem ist die letztwillige Verfügung, auf die sich der Antragsteller beruft, zu bezeichnen und vorzulegen. Wurde die letztwillige Verfügung bereits eröffnet, genügt ein Hinweis darauf im Antrag. Darüber hinaus muss der Antragsteller das Nachlassgericht in seinem Antrag über alle weiteren letztwilligen Verfügungen des Erblassers informieren, unabhängig davon, ob diese noch wirksam sind. Demnach sind dem Gericht alle noch vorhandenen Schriftstücke vorzulegen, die den letzten Willen des Erblassers wiedergeben und von denen der Antragsteller Kenntnis hat.


4. Angaben zu weiteren Beteiligten

Unabhängig von der Art der Erbfolge sind Angaben darüber zu machen, ob ein streitiger Erbschaftprozess anhängig und wer gegebenenfalls der Prozessgegner ist. Der Antragsteller muss auch alle weiteren vorhandenen Personen nennen, die die Erbschaft des Antragstellers mindern oder ausschließen könnten und in welcher Weise diese Personen von der Erbfolge ausgeschlossen wurden (etwa durch Enterbung, Erbausschlagung oder Tod).  


5. Eidesstattliche Versicherung

Die Nachlassgerichte verlangen regelmäßig die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, die nur vom Antragsteller höchstpersönlich und vor einem Notar oder zu Niederschrift des Nachlassgerichts abgegeben werden kann. Der Antragsteller muss an Eides statt versichern, dass die Angaben in seinem Erbscheinantrag nach bestem Wissen und Gewissen vollständig sind, insbesondere, dass ihm andere mögliche Erben oder sonstige Berechtigte nicht bekannt sind.

Das Gericht kann von der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung absehen, wenn diese der weiteren Sachaufklärung nicht dient (OLG München, 31 Wx 80/06, BeckRS 2006, 14498). Dies geschieht jedoch nur in absoluten Ausnahmefällen nach Prüfung des Einzelfalls durch das Gericht. Ein solcher Ausnahmefall liegt vor, wenn die Erbverhältnisse bereits in einem anderen Erbscheinverfahren geklärt wurden (OLG Schleswig, NJW-RR 2014, 1039) oder der Sachverhalt so einfach gelagert ist, dass die Erbenstellung eindeutig ist.

Beispiel: Die Eltern E haben eine 5-jährige Tochter T. Sie hat von ihrem Opa ein Grundstück geerbt. T verstirbt plötzlich. In diesem Fall wird das Gericht höchstwahrscheinlich auf eine eidesstattliche Versicherung verzichten, da T noch nicht testierfähig war und daher nur ihre Eltern E als Erben in Betracht kommen.

Gegenbeispiel: Die volljährige T ist die Alleinerbin ihrer Mutter M. Ihr Vater ist vorverstorben. Sie versichert die Angaben im Erbscheinantrag nicht an Eides statt mit der Begründung, der Sachverhalt sei einfach gelagert. Hier wird das Nachlassgericht die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verlangen. Der Fall ist nicht eindeutig, da möglicherweise noch andere Erben (z.B. nichteheliche Kinder der Mutter, von denen T nichts weiß) in Betracht kommen. T muss die eidesstattliche Versicherung abgeben, sonst wird der Antrag zurückgewiesen.     

 

6. Annahme des Erbes

Wie bereits oben erwähnt, muss der Erbe mit dem Erbscheinantrag die Erbschaft endgültig annehmen. Diese Erklärung muss auch ausdrücklich in den Antrag aufgenommen werden.

 

7. Sonstiges

Der Antragsteller hat in seinem Antrag auf etwaige Beschränkungen seines Erbrechts, z.B. durch Testamentsvollstreckung oder Nacherbfolge, hinzuweisen. Darüber hinaus ist bei grenzüberschreitenden Sachverhalten anzugeben, ob ein ausländisches Recht zur Anwendung kommt. Befindet sich das Vermögen des Erblassers teilweise auch im Ausland, kann ein Erbschein mit der Beschränkung auf das inländische Vermögen beantragt werden, welcher in der Regel weniger kostenintensiv ist.

Der Antrag ist an keine Frist gebunden. So kann z.B. der Erbe eines Erben auch noch nach mehreren Jahren einen Erbschein beantragen.

 

IV. Erbscheinverfahren

Der Erbschein wird nur auf einen Antrag erteilt, das Gericht eröffnet einen Erbscheinverfahren nie von Amts wegen (automatisch). Ist der Antrag unvollständig oder mit Fehlern behaftet, kann das Nachlassgericht eine Zwischenverfügung zu der Fehlerbehebung erlassen. Dies ist notwendig, da das Nachlassgericht bei der späteren Erteilung des Erbscheins diesen nur mit dem Inhalt des Antrags erteilen darf.
Es ist zwischen dem unstreitigen und dem streitigen Erbscheinverfahren zu unterscheiden.

 

1. Unstreitiges Erbscheinverfahren

Erheben die Beteiligten im Verfahren keine Einwände und liegen alle formellen und materiellen Voraussetzungen für die Erbscheinerteilung vor, erlässt das Nachlassgericht einen Feststellungsbeschluss, in dem es alle Tatsachen für festgestellt erklärt. Der Erbschein wird dann dem Antragsteller in Ausfertigung erteilt. Der Erbschein als solcher verbleibt in Urschrift beim Nachlassgericht, weswegen jederzeit neue Ausfertigung erteilt werden kann.

Liegen die Voraussetzungen für die Erteilung des Erbscheins dagegen nicht vor, wird der Antrag durch Beschluss zurückgewiesen, wogegen der Antragsteller eine Beschwerde beim Oberlandesgericht einlegen kann.

 

2. Streitiges Erbscheinverfahren

Gegen den Erbscheinantrag kann jeder Beteiligte und aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes auch das Nachlassgericht selbst Einwendungen erheben.  

Häufig streiten sich die Beteiligten über Formulierungen im Testament. Weitere Einwände können die fehlende Testierfähigkeit des Erblassers oder die Fälschung des Testaments sein. Im Rahmen eines streitigen Erbscheinverfahrens entstehen nicht selten hohe Kosten für die Beweisaufnahme. Derartige Streitigkeiten treten erfahrungsgemäß häufiger bei eigenhändig geschriebenen, privatschriftlichen Testamenten auf. Um solchen Streitigkeiten vorzubeugen, empfiehlt es sich, dass der Erblasser seine letztwillige Verfügung vor einem Notar errichtet.

Wurden alle Einwendungen ausgeräumt, fasst das Nachlassgericht einen Feststellungsbeschluss, welcher jedoch erst nach dem Ablauf der Rechtsbehelfsfrist in Rechtskraft erwächst. Können die Einwendungen nicht entkräftet werden, wird der Antrag zurückgewiesen.    

 

V. Europäisches Nachlasszeugnis

Mit der am 17.08.2015 in Kraft getretenen Europäischen Erbrechtsverordnung VO (EU) Nr. 650/2012 (EUErbVO) wurde für grenzüberschreitende Erbfälle im europäischen Ausland neben dem Erbschein ein neues Instrument eingeführt, nämlich das Europäische Nachlasszeugnis (ENZ).

Das ENZ ist, wie der Erbschein, ein Nachweis der Erbenstellung. Als ein Zeugnis über einen grenzüberschreitenden Nachlass wird es in fast allen Mitgliedstaaten der EU anerkannt. Beide Instrumente, Erbschein und ENZ, stehen nebeneinander und schließen einander nicht aus. Das ENZ wird in den Fällen benötigt, in denen der Erblasser Nachlassgegenstände auch im Ausland hinterlassen hat. Das ENZ ist in dem Mitgliedstaat zu beantragen, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. War dies Deutschland, ist das Nachlassgericht im Bezirk des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers zuständig. Antragsberechtigt sind Erben einschließlich Vor- und Nacherben, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter.

Beispiel: Der Erblasser A wohnt in Dresden und hat dort auch seinen Lebensmittelpunkt. Er ist ein Eigentümer mehrerer Wohnungen in Tschechien, die er dort vermietet, und besitzt außerdem eine Villa auf Mallorca, wo er mit seiner Familie im Sommer Urlaub macht. Nach dem Tod von A müssen seine Erben beim Nachlassgericht Dresden ein ENZ beantragen, um einen Erbnachweis für die Nachlassgegenstände in Tschechien und Spanien zu erhalten.

Die für die Beantragung des ENZ erforderlichen Unterlagen variieren von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat, die wesentlichen Angaben des ENZ sind jedoch in Art. 65 Abs. 3 EUErbVO vorgeschrieben. Das ENZ kann wie der Erbschein über einen Notar beantragt werden.

 

VI. Kosten

Die Kosten des Erbscheinverfahrens richten sich nach dem Notarkostengesetz, wobei sich die genaue Kostenberechnung nach dem Wert des bereinigten Gesamtnachlasses richtet. Je nachdem, ob dem Antrag stattgegeben oder der Antrag zurückgewiesen wird, fallen unterschiedlich hohe Kosten an. Sie sind jedoch auf einen Höchstbetrag begrenzt. Die Kosten für die Beantragung eines ENZ sind in Deutschland mit den Kosten für Erbscheinsantrag identisch. Mit dem Gebührenrechner der Bundesnotarkammer können Sie die Gebühren vorläufig und ohne Gewähr berechnen.

 

» Zum Fachgebiet "Testament"

» Zur Startseite