Die Digitalisierungsrichtlinie II – Vereinfachung, Harmonisierung und neue Standards im europäischen Gesellschaftsrecht

1. Einleitung 

Am 10. Januar 2025 wurde nun endlich die Digitalisierungsrichtlinie II (Richtlinie (EU) 2025/26 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 2024 zur Änderung der Richtlinien 2009/102/EG und (EU) 2017/1132 zur Ausweitung und Optimierung des Einsatzes digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht) im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und trat am 31. Januar 2025 in Kraft. Die Mitgliedstaaten haben nun bis zum 31. Juli 2027 Zeit für die Umsetzung, die in Umsetzung der Richtlinie erlassenen Vorschriften sind (spätestens) ab dem 31. Juli 2028 anzuwenden.
Die Richtlinie baut auf der ersten Digitalisierungsrichtlinie (DigiRL I) auf und hat die erneute Überarbeitung der GesRRL (in der sich auch die Digitalisierungsrichtlinie befindet) zum Ziel, die bereits Onlineverfahren im Gesellschaftsrecht in der EU ermöglichte. Die DigiRL II führt weitere Vereinfachungen und Harmonisierungen ein, um Unternehmensdaten grenzüberschreitend einfacher nutzbar zu machen, bürokratische Hürden abzubauen und Transaktionskosten zu senken. Daneben soll vermehrt ein Augenmerk auf die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung gelegt werden. Der folgende Artikel befasst sich mit den tatsächlich in der Richtlinie umgesetzten Neuerungen (vgl. zu den noch im Entwurf vorgesehenen Neuerungen auch unseren Fachbeitrag vom 18.04.2023).

2. Erweiterung der Registerinhalte

Während die finale Fassung der Richtlinie den Entwurf hinsichtlich der Erweiterung der Registerinhalte für Personengesellschaften (die erfassten deutschen Personengesellschaftsformen sind entsprechend des Annexes IIB zum Kommissionsentwurf die oHG und die KG. Die – ab dem 01.01.2024 durch das MoPeG reformierte – (eingetragene) GbR wird hingegen nicht erfasst) in Art. 14a GesRRL n.F. zumindest teilweise übernommen hat (allerdings auch teilweise erweitert wie beispielsweise die Regelung zur Offenlegung der vertretungsberechtigten Personen (hier lag ein zentraler Kritikpunkt) oder abgeschwächt hat wie beispielsweise die zunächst vorgesehene offenlegungspflichtige Sitzverlegung, die in der finalen Fassung gänzlich entfallen ist), hat sie die in Art. 14b GesRRL-E vorgesehenen Offenlegungspflichten von konzernbezogenen Informationen gänzlich gestrichen und in Art. 19b GesRRL n.F. auch inhaltlich teilweise abweichend neu geregelt. 

Keinen Eingang in die finale Fassung hat die Offenlegungspflicht von Hauptverwaltung und Hauptniederlassung für Kapitalgesellschaften in Art. 14 lit. m, l GesRRL-E gefunden. Letzteres findet nun lediglich (und auch ohne Bezug zu Kapitalgesellschaften) Erwähnung in den Erwägungsgründen (konkret: Erwägungsgrund 42) sowie in Art. 3 Abs. 4 GesRRL n.F., der sich mit der Berichterstattung und Überprüfung der Richtlinie beschäftigt („Die Kommission prüft ferner, ob Informationen über den Ort der Hauptverwaltung und die Hauptniederlassung im nationalen Register offengelegt und über das System der Registervernetzung verfügbar gemacht werden sollten und wie diese Begriffe zu definieren sind, um sicherzustellen, dass sie in der gesamten Union einheitlich verstanden werden.“).

3. Ausweitung der öffentlichen Präventivkontrolle

Eine wesentliche und bereits im Kommissionsentwurf vorgesehene Neuerung betrifft die Ausweitung der Präventivkontrolle (s. hierzu Art. 10 GesRRL n.F.). Erstmals werden Notarinnen und Notare ausdrücklich als zuständige Instanzen neben Gerichten und Behörden (auf europäischer Ebene) genannt. Daneben sieht die Richtlinie in Erweiterung der bisherigen Anforderungen auch die Prüfung der Gründungdokumente, von Satzungsänderungen und Kapitaleinlagen sowie eine umfassende rechtliche Prüfung auf formeller und materieller Ebene vor. Die Vorschriften betreffen nicht nur Kapitalgesellschaften, sondern auch auf Personenhandelsgesellschaften, wobei nationale Besonderheiten mit Blick auf die zu prüfenden Gründungsdokumente Beachtung finden können. In Erweiterung der bisherigen Regelungen, wonach sich die Kontrolle hauptsächlich auf Online-Verfahren bezog, bezieht die DigiRL II nun auch analoge Präsenzverfahren mit in ihren Anwendungsbereich ein und schafft dadurch (erstmals) ein einheitliches Mindestniveau auf europäischer Ebene. 

3. Das Once-Only-Principle

In Umsetzung des Richtlinienziels, Registerinformationen und Urkunden aus anderen Mitgliedstaaten einfach verwenden zu können, sieht die Richtlinie nun auch tatsächlich vor, die verschiedenen nationalen Register zu verbinden, um einen unionsweiten Zugang zu den betreffenden unternehmensbezogenen Informationen zu ermöglichen. Näheres soll in einem Durchführungsakt geregelt werden. Daneben schreibt sie auch das sogenannte „Once-Only-Principle“ fest (Art. 13g IIa UAbs. 1, 28a Va UAbs. 1 GesRRL n.F.), wonach Unternehmen bei Gründung einer Tochtergesellschaft oder bei Zweigniederlassungen bereits beim Register des Heimatsstaats eingereichte Dokumente nicht erneut in einem anderen EU-Staat vorlegen müssen. Stattdessen werden diese Informationen über das Business Registers Interconnection System (BRIS) direkt ausgetauscht oder sind über die (siehe dazu sogleich) EU-Gesellschaftsbescheinigung oder durch unmittelbaren Zugriff auf das ausländische Register zu erlangen. 
Die ursprünglich vorgesehene Verknüpfung zusätzlicher Register beispielsweise mit Insolvenz- und Eigentümerregistern (IRI und BORIS) bleibt in der finalen Fassung jedoch optional und findet lediglich Eingang in die Erwägungsgründe. 

4. Die EU-Gesellschaftsbescheinigung

Art. 16b GesRRL n.F. führt (wie im Entwurf vorgesehen) im Rahmen der DigiRL II die EU-Gesellschaftsbescheinigung als standardisiertes Registerdokument ein, das in allen mitgliedstaatlichen (Amts-) Sprachen (kostenlos) verfügbar sein soll und der grenzüberschreitenden Nutzung von Unternehmensdaten zur Stärkung des EU-Binnenmarkts dient. Die Bescheinigung wird (mit grundlegenden Informationen über das jeweilige Unternehmen, wie Existenz, Rechtsform, Sitz) vom jeweiligen Heimatregister ausgestellt und gilt zum Zeitpunkt ihrer Ausstellung als von den Mitgliedstaaten zu akzeptierender „ausreichender Nachweis“ („sufficient evidence“) für die darin enthaltenen Informationen, wobei sie für einen Zeitraum von 15 Tagen als aktuell zu betrachten ist. Gleichzeitig wird klargestellt, dass es sich um einen widerleglichen und nicht wie noch im Kommissionsentwurf „schlüssigen“ Nachweis (vgl. hierzu ausführlich Bender, Die grenzüberschreitende Verwendung von Unternehmensdaten vor dem Hintergrund der Digitalisierungsrichtlinie II. Zugleich ein Beitrag zur unionalen Nachweisdogmatik, NZG 2025, 51, Rn. 25 ff.) handelt, der bei späteren Änderungen zurückgewiesen werden kann, während bezüglich der (unionsrechtlich nicht geregelten) formellen Beweiswirkungen weiterhin nationales Recht gilt.

5. Die digitale EU-Vollmacht

Die digitale EU-Vollmacht nach Art. 16c GesRRL n.F. (gemeint ist die Einführung einer mehrsprachigen Mustervollmacht) soll eine grenzüberschreitende Vertretungsmacht in grenzüberschreitenden, gesellschaftsrechtlichen Vorgängen ermöglichen. Vertreterinnen und Vertreter sollen die Vollmacht unkompliziert über das EU Digital Identity Wallet vorlegen können. Auch in der finalen Fassung der Richtlinie dient sie dann zwar als „Nachweis“, nicht jedoch als „ausreichender Nachweis“. Dies hat zur Folge, dass die EU-Vollmacht auf nationaler Ebene zwar (formal) als Nachweisdokument akzeptiert werden muss, die darin enthaltenen Informationen allerdings nicht automatisch bindend für die Entscheidung sind. Die Vollmacht wird (auch) weiter nach nationalem Recht erstellt und kann auch nach nationalem Recht widerrufen werden. Auch nationale Formvorschriften bleiben unberührt. 

Während der ursprüngliche Entwurf jedoch noch eine Eintragung der Vollmachten in Gesellschaftsregister (und deren Abrufbarkeit durch Dritte bei Bestehen eines berechtigten Interesses) vorsah („die Mitgliedstaaten stellen sicher“; vgl. auch die Ausführliche Erläuterung einzelner Bestimmungen des Vorschlags - Änderungen der Richtlinie (EU) 2017/1132 - Artikel 16c „sollte … eingetragen werden“), wurde dies in der finalen Fassung abgeschwächt („können vorschreiben“; vgl. auch Erwägungsgrund 28 „sollte es den Mitgliedstaaten freistehen“), sodass Mitgliedstaaten selbst entscheiden können, ob eine Registrierungspflicht besteht.

6. Vereinfachter Echtheitsnachweis für ausländische Dokumente

6.1 Wegfall von Legalisation und Apostille

Die Richtlinie hebt in ihrem Anwendungsbereich tatsächlich auch die Pflicht zur Legalisation und ähnliche Förmlichkeiten (mithin auch die Apostille, vgl. Art. 13a Nr. 13 GesRRL n.F.) auf (siehe hierzu konkret Art. 16d GesRRL n.F.). Dadurch wird die Echtheitsprüfung für ausländische Dokumente deutlich erleichtert, was eine erhebliche Zeit- und Kostenersparnis zur Folge hat und deshalb besonders begrüßenswert ist. Elektronische Dokumente bedürfen hiernach einer Authentifizierung nach der eIDAS-Verordnung; papiergestützte Dokumente des Ausstellungsdatum, eines Siegels oder Stempels und eine Protokoll- oder Kennnummer, die die Möglichkeit einer elektronischen Überprüfung eröffnet. 

Übersetzungen bedarf es zudem dann nicht mehr, sofern standardisierte Formate verwendet werden. Das bedeutet konkret, dass, ist der Bedeutungsgehalt durch ein standardisiertes Nachrichtenformat eindeutig (Bsp.: Registerinformationen, die über das System der Registervernetzung bereitgestellt werden), Behörden in der Regel in Zukunft keine Übersetzung mehr verlangen können. Auch die Notwendigkeit beglaubigter Übersetzungen von registerbasierten Unternehmensdokumenten wird eingeschränkt und darf nur noch verlangt werden, wenn dies durch den Verwendungszweck der Urkunde gerechtfertigt ist, etwa aufgrund einer Offenlegungspflicht oder der Vorlage in einem Gerichtsverfahren, und wenn dies unbedingt erforderlich ist (Art. 16g Abs. 2 GesRRL).  Hinsichtlich der Beweiswirkung oder inhaltlichen Bindung solcher Dokumente ist allerdings auch in Zukunft nationales Verfahrensrecht anwendbar. 

Daneben müssen Behörden (in Konkretisierung des Grundsatzes des unionsfreundlichen Verhaltens und der loyalen Zusammenarbeit) bei registerbasierten Dokumenten i.S.d. Art. 16d I GesRRL n.F. (sowie beispielsweise der EU-Gesellschafterbescheinigung (vgl. Art. 16b IV GesRRL n.F.) und der digitalen EU-Vollmacht, sofern ihre Registrierung gem. Art. 16c III GesRRL n.F. beabsichtigt ist) das Ausgangsregister kontaktieren, bevor sie es in dem Fall, in dem Zweifel an der Echtheit eines Dokuments bestehen, zurückweisen (Art. 16e GesRRL nF). Dabei ist eine verpflichtende Bearbeitungsfrist von fünf Arbeitstagen für die entsprechenden Kontaktstellen vorgesehen. 

6.2 Verfahren zur Überprüfung der Dokumentenechtheit bei Verdacht auf Missbrauch oder Betrug

Falls ein (begründeter) Verdacht auf Missbrauch oder Betrug besteht, können Behörden zudem ausnahmsweise und auf Einzelfallbasis Unternehmensdokumente zurückweisen (Art. 16f I GesRRL n.F.), „wenn dies aus Gründen des öffentlichen Interesses zur Verhinderung von Missbrauch oder Betrug gerechtfertigt ist“. In Bezug genommen sind auch hier registerbasierte Dokumente iSv Art. 16d I GesRRL nF, die EU-Gesellschaftsbescheinigung und die digitale EU-Vollmacht, sofern ihre Registrierung gem. Art. 16c III GesRRL n.F.  beabsichtigt ist. 

7. Fazit

Die Digitalisierungsrichtlinie II bringt bedeutende Erleichterungen für den grenzüberschreitenden Unternehmensverkehr, insbesondere durch das „Once-Only-Principle“, die Einführung der EU-Gesellschaftsbescheinigung und den Wegfall der Apostille und trägt damit erkennbar zur Stärkung des Binnenmarkts und damit auch der Wettbewerbsfähigkeit der EU bei. Sie vereinheitlicht Abläufe, senkt administrative Hürden und stärkt die Rechtssicherheit für Unternehmen.
Gegenüber dem ursprünglichen Entwurf gibt es mehrere Abweichungen, die sich größtenteils auf eine flexiblere Umsetzung für die Mitgliedstaaten beziehen. Während einige Vorschriften abgeschwächt wurden, wurden andere, wie die Offenlegungspflichten bei Vertretungsregelungen der betreffenden Gesellschaften, präziser geregelt.
Die finalen Regelungen ermöglichen eine bessere praktische Umsetzung, ohne die ursprünglichen Ziele der Richtlinie zu gefährden. Dennoch bleibt abzuwarten, wie konsequent die Mitgliedstaaten die Neuerungen umsetzen und praktisch anwenden und ob sie den Bürokratieabbau und damit die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Unternehmen tatsächlich spürbar fördern.
 

» Zum Fachgebiet “GmbH gründen”

» Zur Startseite