Der Referentenentwurf zum Vierten Bürokratieentlastungsgesetz (BEG-IV)

I.    Einleitung

Wie können Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaft und Verwaltung von unnötiger Bürokratie entlastet werden? Die Regierungsparteien hatten für die 20. Legislaturperiode die Vorlage eines Bürokratieentlastungsgesetzes vereinbart. Den Referentenentwurf zum Vierten Bürokratieentlastungsgesetz hat das Bundesministerium der Justiz am 11.01.2024 veröffentlicht. Das BEG-IV ist Teil des Meseberger Entbürokratieentlastungspakets. Danach soll überflüssige Bürokratie in Deutschland erheblich reduziert und nach Möglichkeit gänzlich vermieden werden. Überflüssig im Sinne des Entwurfes sind Regelungen, die einen Aufwand für Bürgerinnen und Bürger, Verwaltung oder Wirtschaft verursachen und dabei keinem berechtigten Zweck dienen oder bei denen ein Missverhältnis zwischen Aufwand und dem verfolgten Zweck besteht.

Im Rahmen der Entlastungen durch das BEG-IV stehen drei Maßnahmen im Vordergrund:

  1. Der Entwurf sieht weitreichende Änderungen des Handelsgesetzbuches, der Abgabenordnung und des Umsatzsteuergesetzes vor, welche die Aufbewahrungsfrist für Buchungsbelege einheitlich von zehn auf acht Jahre verkürzen.
  2. Für deutsche Staatsangehörige besteht zukünftig keine Hotelmeldepflicht mehr. Dadurch soll eine erhebliche Entlastung der Beherbergungswirtschaft und der betroffenen Übernachtungsgäste erfolgen.
  3. Der digitale Wandel soll durch den Verzicht oder die Absenkung von Formerfordernissen im Zivilrecht gefördert werden. Dies bezieht auch weitere Maßnahmen mit ein, beispielsweise die Digitalisierung der Betriebskostenabrechnung und die Option, bei der Flugabfertigung künftig Reisepässe digital auszulesen.

 

II.    Die wesentlichen Regelungen des Entwurfs

1.    Verkürzung der Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege im Steuer- und Handelsrecht

Bislang sind Buchungsbelege, wie Rechnungskopien, Kontoauszüge oder Lohn- und Gehaltslisten, grundsätzlich zehn Jahre aufzubewahren. Seitens der Wirtschaft wird diese Aufbewahrungsdauer schon seit längerem als unnötige bürokratische Belastung kritisiert. Nach dem BEG-IV soll die Aufbewahrungsfrist für Buchungsbelege nun auf acht Jahre verkürzt werden (§ 257 Abs. 4 HGB-E). Unternehmen können die Belege somit früher entsorgen und dadurch Aufbewahrungskosten einsparen. Im Einzelnen sind Änderungen des Handelsgesetzbuches und des Einführungsgesetzes zum HGB, der Abgabenordnung, des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung und des Umsatzsteuergesetzes betroffen.

 

2.    Abbau von Melde- und Informationspflichten

Es soll eine weitgehende Abschaffung der Meldepflicht bei touristischen Übernachtungen erfolgen. Dahingehende Änderungen betreffen das Bundesmeldegesetz und die Beherbergungsmeldedatenverordnung. Für deutsche Staatsangehörige entfällt damit das Ausfüllen von Meldescheinen. Dadurch soll eine erhebliche Entlastung der Beherbergungswirtschaft und der Bürgerinnen und Bürger erreicht werden.

Der Entwurf sieht des Weiteren die Abschaffung von Anzeige- und Informationspflichten in weiten Bereichen vor. Hierzu gehört insbesondere die Abschaffung der Anzeigepflicht nach dem Mess- und Eichgesetz und eine Aufhebung der Informationspflicht nach dem Fünften Vermögensbildungsgesetz.

 

3.    Maßnahmen zur Förderung der Digitalisierung

Der Entwurf enthält außerdem zahlreiche Änderungen, um Digitalisierungsvorhaben schneller voranzutreiben oder der bereits realisierten Digitalisierung von Sachverhalten Rechnung zu tragen. Insbesondere soll der digitale Wandel durch die Aufhebung von Schriftformerfordernissen oder deren Herabstufung auf die Textform nach § 126b BGB vorangetrieben werden. Problematisch ist im Rahmen der bisherigen Rechtslage, dass die Schriftform die eigenhändige Unterschrift auf Papier erfordert und es so zu Medienbrüchen in digitalisierten Prozessen kommt.

Der Entwurf senkt Formerfordernisse durch Änderungen im BGB (z.B. in den  §§ 32 Abs. 3, 33 Abs. 1 S. 2, 574b Abs. 1 S. 1 BGB-E) und im Einführungsgesetz zum BGB ab. Beispielsweise entfällt das Schriftformerfordernis für Gewerberaum-Mietverträge durch Änderung des Art. 229 EGBGB-E und auch im Bereich des Vereinsrechts und des Schuldrechts finden Erleichterungen der Formerfordernisse statt. Die Schriftformerfordernisse werden außerdem im Wirtschaftsrecht und in verschiedenen berufsrechtlichen Bestimmungen herabgestuft und es gilt zukünftig die Textform. Betroffen sind diesbezüglich Änderungen des HGB, der Bundesrechtsanwaltsordnung, des Umwandlungsgesetzes, des Aktiengesetzes, des SE-Ausführungsgesetzes, des GmbHG, des SCE-Ausführungsgesetzes, des Depotgesetzes, des Schuldverschreibungsgesetzes, des Patentgesetzes, der Patentanwaltsordnung, des Urheberrechtsgesetzes, des Steuerberatungsgesetzes und der Wirtschaftsprüferordnung. Des Weiteren findet eine Herabstufung der Schriftformerfordernisse auf die Textform auch durch Änderungen des Akkreditierungsgesetzes, des Jugendschutzgesetzes und des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit statt. Dies soll eine vollständige Digitalisierung von Prozessen ermöglichen.

Darüber hinaus soll die Digitalisierung insbesondere durch folgende Maßnahmen gefördert werden:

  • Die Einführung des § 18a PassG-E ermöglicht es, bei der Flugabfertigung Reisepässe künftig digital auszulesen. Ziel ist eine erhebliche Beschleunigung und Erleichterung von Abfertigungsprozessen sowie die erschwerte Möglichkeit des Missbrauchs gefälschter Ausweisdokumente.
  • Durch Änderungen des BGB, des HGB, der Bundesnotarordnung und der Versteigerungsordnung, wird es künftig möglich sein, öffentliche Versteigerungen online per Live-Stream und mit Gebotsabgaben in hybrider Form (vor Ort und virtuell) durchzuführen.
  • Für Vermieter soll künftig nach § 556 Abs. 4 BGB-E die Möglichkeit bestehen, Belege im Rahmen der Betriebskostenabrechnung auch digital zur Einsichtnahme bereitzustellen. So sollen Ressourcen und Zeit gespart werden.
  • Das Berufsrecht der Wirtschaftsprüfer ermöglicht in Zukunft die Nutzung einer Portallösung für Anmeldungen zum Wirtschaftsprüferexamen, zur Eignungsprüfung und für Mitteilungen an das Berufsregister. Verzichtet wird auf die Vorlage von Urschriften und beglaubigten Abschriften. Außerdem wird eine IT-gestützte Durchführung von schriftlichen Examensprüfungen ermöglicht. Umgesetzt wird dies durch Änderungen der WPO und der Wirtschaftsprüferverordnung.
  • Anträge auf Elternzeit sollen zukünftig in Textform möglich sein und so die Kommunikation zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und Arbeitgebern erleichtern. Durch einen automatisierten Abruf bei den Standesämtern wird der Nachweis von Geburten bei der Beantragung von Elterngeld vereinfacht.
  • Die stärkere Nutzung digitaler Verfahren zeigt sich auch in den Änderungen im Arbeitszeitgesetz und im Jugendarbeitsschutzgesetz.
  • Zudem soll die elektronische Übertragung der Daten über eine Arbeitsunfähigkeit der Empfänger von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende von den gesetzlichen Krankenkassen an die zuständigen Behörden durch eine Änderung der §§ 6b Abs. 1 S. 1, 56 SGB II-E und des § 109a SGB IV-E sein.

 

4.    Projekte zur Verwaltungsvereinfachung und -beschleunigung

Im Rahmen der geplanten Entlastung der Verwaltung sind ebenfalls zahlreiche Neuregelungen geplant. Die Änderungen des Unterhaltsvorschussgesetzes stellen Beginn und Dauer der Unterhaltsleistungen klar. Die für die Vorschussgewährung zuständigen Stellen sollen das Recht erhalten, ohne vorherigen Erlass eines Bescheides die Leistung vorläufig einzustellen, wenn eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt. Zukünftig soll nach § 22 UVPG-E außerdem die Möglichkeit bestehen, die Äußerungsfrist im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung angemessen zu verkürzen. Dadurch wird die Durchführung der Öffentlichkeitsarbeit in Zulassungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung beschleunigt, in denen aufgrund von Änderungen des Vorhabens eine erneute Beteiligung der Öffentlichkeit erforderlich ist. Notare, die Erklärungen im Zusammenhang mit einer Unternehmensgründung beurkunden oder beglaubigen, sind durch eine Ergänzung der §§ 20 Abs. 3, 24 Abs. 1 BNotO-E befugt, Anzeigen für die Beteiligten zu erstatten, Mitteilungen vorzunehmen oder Anträge zu stellen, die im Zusammenhang mit der Gründung stehen. Oberflächennahe Geothermie bis 400 m Tiefe entfällt nach Änderung des § 3 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 lit. b BBergG-E nicht dem Bergrecht. Dadurch werden die Bergbehörden von Prüfungen entlastet und die Nutzung geothermischer Energie erleichtert. Mit Schaffung der Ermächtigungsgrundlagen für allgemeine Verwaltungsvorschriften in § 54 Abs. 12 BNatSchG-E soll die artenschutzrechtliche Prüfung hinsichtlich ausgewählter und im Schienenbereich besonders relevanter Arten fachgerecht standardisiert werden. Dadurch findet eine Vereinfachung des Prüfungsverfahrens im Rahmen der Ertüchtigung des Schienennetzes statt, ohne dass der Schutzumfang abgesenkt wird. Klarstellungen im BEEG (z.B. in § 1 Abs. 6, 7 Satz 1, § 2b, § 15 BEEG-E) und eine Folgeänderung in der Elternzeitverordnung für Soldatinnen und Soldaten sorgen für mehr Rechtssicherheit und eine Vereinfachung des Verfahrens der zuständigen Behörden. Durch Aufhebung der §§ 97a Abs. 6 S. 3, 151c SGB VI und Änderung des § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 45 FVG-E erfolgt mangels Erforderlichkeit die Abschaffung von Stichprobenprüfungen von Einkünften aus Kapitalvermögen bei der Grundrente. Durch Modifikationen in den §§ 193 Abs. 1, 7, 202 SGB VII-E und Folgeänderungen in den §§ 2 Abs. 2 S. 2, 6 Abs. 2  UVAV-E wird ein einheitlicher und vereinfachter Meldeweg für Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung geschaffen. Außerdem werden das Seeamtsverfahren und das Verfahren der Vorprüfstelle als gesondertes Verwaltungsverfahren durch eine Anpassung des Seesicherheits-Untersuchungs-Gesetz und die Folgeänderungen aufgegeben und durch das standardisierte Verwaltungsverfahren nach der See-BV abgelöst. Dies entspricht dem Fahrerlaubnisentzug bei anderen Verkehrsträgern.

 

5.    Weitere Erleichterungen, insbesondere Streichung überflüssiger Regelungen

Zu den weiteren Änderungen, die dem Abbau unnötiger Bürokratie dienen, zählen beispielsweise die Änderungen des Heimarbeitsgesetzes, die Aufhebung der Verordnung über das Schlichtungsverfahren nach § 16 der Handwerksordnung, die Aufhebung des Gesetzes zur Abwicklung des Ausgleichsfonds nach dem Dritten Verstromungsgesetz und des Steinkohlebeihilfengesetzes.

 

III.    Fazit

Der Entwurf zum BEG-IV hat grundsätzlich Zuspruch verdient. Insbesondere die Erleichterungen hinsichtlich des Schriftformerfordernisses sind begrüßenswert. Allerdings sollte beachtet werden, dass Zweck der Schriftform die Gewährung von Rechtssicherheit und Übereilungsschutz ist und eine Reduzierung auf die Textform denjenigen Fällen vorbehalten sein sollte, in denen ihr Zweck anders gewährleistet ist oder nur eine untergeordnete Bedeutung hat (Stellungnahme BRAK Nr. 8/2024 S. 4). Kritisch zu betrachten ist die geplante Verkürzung der Äußerungsfrist im Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren bei Umweltverträglichkeitsprüfungen. Dadurch könnte es zu einer Beeinträchtigung des Rechtsschutzes der Betroffenen nach Art. 19 Abs. 4 GG kommen, da ihnen die Möglichkeit der Kenntnisnahme von entsprechenden Vorgängen und der angemessenen Äußerung, ggf. auch nach vorheriger anwaltlicher Beratung, faktisch genommen wird (Stellungnahmen BRAK Nr. 8/2024 S. 9).  

 

Quellen:
Bundesministeriums der Justiz, Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie (Viertes Bürokratieentlastungsgesetz), abrufbar unter:

https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzgebung/RefE/RefE_BEG_IV.pdf?__blob=publicationFile&v=6&trk=public_post_comment-textBundesrechtsanwaltskammer, Stellungnahme Nr. 8 Februar 2024, abrufbar unter: https://www.brak.de/fileadmin/05_zur_rechtspolitik/stellungnahmen-pdf/stellungnahmen-deutschland/2024/stellungnahme-der-brak-2024-08.pdf

 

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