Der Deutsche Bundestag und der Bundesrat haben im Sommer nach intensiven Diskussionen das „Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts“ verabschiedet. Dieses am 22.07.2021 verkündete Gesetz stellt sich als die umfassendste Reform des Stiftungsrechts seit Einführung des BGB heraus. Durch die auf das Stiftungszivilrecht beschränkte Umgestaltung des Rechtsrahmens soll das Recht übersichtlicher und für Stiftungen handhabbarer werden. Systematisch wird das Stiftungszivilrecht zum 01.07.2023 aus den aufzuhebenden Landesstiftungsgesetzen in das BGB (§§ 80 ff. BGB n. F.) überführt und damit bundesweit vereinheitlicht. Auf diesem Wege sollen bestehende Rechtsunsicherheiten behoben werden. Das Stiftungsrecht wird jedoch nicht von Kopf bis Fuß neu gefasst. Kernbestandteil dieser Umgestaltung des Stiftungsrechts ist die Einführung eines öffentlichen Stiftungsregisters nach dem Vorbild des Handelsregisters.
Der Reform vorausgegangen waren ein auf Vorarbeiten einer Bund-Länder-Gruppe basierender Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums (BMJ) sowie ein alternativer Entwurf, der als Reaktion auf die Kritik am Referentenentwurf von einer Vielzahl an Hochschullehrern entwickelt worden war („Professorenentwurf“). Das neue Stiftungsrecht tritt zweistufig in Kraft. Während alle sonstigen Neuerungen ab dem 01.07.2023 Geltung beanspruchen werden, wird das neue Stiftungsregister angesichts des damit verbundenen Verwaltungsaufwands erst zum 01.01.2026 seine Arbeit aufnehmen.
1. Vereinheitlichung des Stiftungsrechts
Das zentrale Ziel der Stiftungsrechtsreform ist die Vereinheitlichung des Stiftungsrechts. Bislang ist das Stiftungsrecht nicht bundeseinheitlich geregelt. Das Recht speist sich aus den wenig ergiebigen §§ 80-87 BGB sowie 16 Landesstiftungsgesetzen, welche die Stiftungsaufsicht regeln und darüber hinaus auch die grundlegenden Vorschriften aus dem BGB ergänzen. Dieser Flickenteppich an heterogenen Länderregelungen führt – auch aufgrund unterschiedlicher Auslegungstraditionen – zu vielen Streitragen und Rechtsunsicherheiten, die die Praxis bislang erheblich erschweren. Eine Folge dieser Uneinheitlichkeit war beispielsweise ein stiftungsrechtliches „forum shopping“ bei der Wahl des Gründungssitzes, um in den Genuss des als am vorteilhaftesten empfundenen Landesrechts zu kommen.
Durch die Reform wird das Stiftungsrecht nun einheitlich in das BGB überführt (§§ 80 bis 87d BGB). Damit geht ein deutlich größerer Umfang der Regelungen im Vergleich zu den bislang nur bruchstückhaften Regelungen in den §§ 80 ff. BGB einher. Darüber wird das Stiftungsregistergesetz (StiftRG) eingeführt, mit welchem die Einzelheiten zu dem neuen Stiftungsregister geklärt werden. Die Stiftung wird in § 80 Abs. 1 S. 1 BGB n. F. – im Einklang mit dem bisherigen Verständnis – erstmals als „eine mit einem Vermögen zur dauernden und nachhaltigen Erfüllung eines vom Stifter vorgegebenen Zwecks ausgestattete, mitgliederlose juristische Person“ legaldefiniert. Legislatives Leitbild ist nach wie vor die auf unbestimmte Zeit errichtete „Ewigkeitsstiftung“.
2. Einführung eines Stiftungsregisters
Das Herzstück der Reform bildet die Einführung eines mit Publizitätswirkung ausgestatteten (elektronischen) Stiftungsregister, dessen Einzelheiten in dem Stiftungsregistergesetz geregelt werden. Mit der Kreation eines Stiftungsregisters wurde auf erhebliche praktische Schwierigkeiten reagiert, die von vielen Seiten schon lange und zurecht moniert worden sind.
Der Vorstand einer Stiftung muss seine Legitimität bislang in Ermangelung eines Registers mit Publizitätswirkung durch eine schriftliche Auskunft der Stiftungsaufsichtsbehörde nachweisen. Dies stellt ein umständliches Verfahren dar, insbesondere im Ausland. Darüber hinaus liegt es in der Natur der Sache, dass Vertretungsbescheinigungen immer nur den gegenwärtigen Kenntnisstand der Stiftungsaufsichtsbehörde wiedergeben können; dieser kann jedoch nach kurzer Zeit bereits wieder veraltet sein. Dies führt dazu, dass eine Vertretungsbestätigung in der Praxis nur eine geringe Halbwertszeit aufweist und immer wieder neu beantragt werden muss. Wird eine aktuelle Vertretungsbestätigung zeitnah benötigt, kann dies zu praktischen Schwierigkeiten führen, wenn die Stiftungsaufsichtsbehörde die Bescheinigung nicht rechtzeitig zur Verfügung stellt.
Schon lange sind daher Stimmen laut geworden, die für die Einführung eines Stiftungsregisters plädierten, die nun – was nachdrücklich zu begrüßen ist – endlich gehört worden sind. Ausschlagegebend für die Einführung des Stiftungsregisters war der Wunsch nach größerer Transparenz von Stiftungen, die im Gegenzug bekanntlich eine hohe Reputation und – insbesondere im Fall der gemeinnützigen Stiftung – steuerliche Begünstigungen genießen. Über die Erhöhung der Transparenz über Stiftungen hinaus sollen die dargestellten praktischen Schwierigkeiten beim Nachweis der Vertretungsberechtigung ausgemerzt werden.
Das beim Bundesjustizministerium angesiedelte Register wird erst zum 01.01.2026 seinen Betrieb aufnehmen. Es entfaltet nicht nur für die nach diesem Zeitpunkt errichtete Stiftungen, sondern auch für Bestandsstiftungen Rechtswirkungen. Sämtliche Stiftungen müssen sich (bis spätestens zum 31.12.2026) zur Eintragung in dieses Register anmelden. In der Anmeldung anzugeben sind die Vorstandsmitglieder und etwaige besondere Vertreter, die zur Vertretung der Stiftung berechtigt sind, einschließlich etwaiger Beschränkungen in der Vertretungsmacht. Dies gilt gleichermaßen für spätere Änderungen hinsichtlich dieser Tatsachen. Eintragungspflichtig sind gem. § 84d ff. BGB n. F. auch – mit deklaratorischer Wirkung – Satzungsänderungen sowie Statusänderungen wie die Zulegung und Zusammenlegung sowie die Auflösung, Aufhebung und Liquidation der Stiftung.
Ab der Einführung des Stiftungsregisters müssen sämtliche Stiftungen ihren Namen mit einem Rechtsformzusatz führen (§ 82c BGB n. F.). Während Ewigkeitsstiftungen den Namenszusatz „eingetragene Stiftung“ (oder kurz: „e. S.“) führen müssen, ist für Verbrauchsstiftungen der Zusatz „eingetragene Verbrauchsstiftung“ (oder kurz: „e. VS.“) vorgesehen. Diese neue Vorschrift dient der Abgrenzung von alternativen Rechtskonstruktionen, die nicht Stiftung im Rechtssinne sind wie z.B. die Treuhandstiftung, einem Verein oder Kapitalgesellschaften, die als „Stiftung Kapitalgesellschaft“ auftreten. Ein Beispiel hierfür ist die Konrad-Adenauer-Stiftung, bei der es sich in Wahrheit um einen eingetragenen Verein handelt. Rechtskonstruktiv wurde aber darauf verzichtet, die Führung des Terminus „Stiftung“ Stiftungen i. S. d. §§ 80 ff. BGB vorzubehalten und sie dem allgemeinen handelsrechtlichen Irreführungsschutz gem. § 18 II HGB weiter zu unterwerfen.
Gem. § 82d BGB n. F. wird dem Stiftungsregister – ähnlich dem § 15 HGB – Publizitätswirkung zukommen. Dies dient der erleichterten Teilnahme von Stiftungen am Rechtsverkehr. Nach dem Vorbild des Vereinsregisters wird das Stiftungsregister aber nur negative Publizitätswirkung entfalten. Durch die Einführung der negativen Publizität wird gewährleistet, dass Dritte sich auf das „Schweigen“ des Stiftungsregisters verlassen können. Dies wird dadurch bewerkstelligt, dass im Geschäftsverkehr eine in das Stiftungsregister einzutragende Tatsache einem Dritten von der Stiftung nur entgegengesetzt werden, wenn sie im Stiftungsregister eingetragen wurde oder dem Dritten bekannt ist (§ 82d Abs. 1 BGB n. F.). Umgekehrt muss ein Dritter aber eine im Stiftungsregister einzutragende und eingetragene Tatsache im Geschäftsverkehr gegenüber der Stiftung gegen sich gelten lassen, es sei denn, dass er die Tatsache weder kannte noch kennen musste (§ 82d Abs. 2 BGB n. F.). Auf diese Weise wird die Ausstellung von Vertretungsbescheinigungen durch Stiftungsaufsichtsbehörden entbehrlich.
Im Unterschied zum Handelsregister sowie zu dem neu einzuführenden Gesellschaftsregister wird auf eine positive Publizität des Stiftungsregister verzichtet. Ebenfalls einen wichtigen Unterschied zu diesen beiden Registern markiert der Umstand, dass die beim Stiftungsregister eingereichten Dokumente nicht jedem Interessierten uneingeschränkt zugänglich zu machen sind, auch wenn im Grundsatz jedermann Einsicht nehmen darf (§ 15 StiftRG). Die Einsichtnahme wird aber verwehrt, wenn und soweit berechtigte Interessen betroffener Personen oder der Stiftung entgegenstehen (vgl. § 15 StiftRG). Diese Voraussetzung wurde nach harscher Kritik an dem Vorschlag des Referentenentwurfs aufgenommen, nach dem die Einsicht in das Stiftungsregister uneingeschränkt möglich sein sollte. In Betracht kommt ein der unbeschränkten Einsichtnahme entgegenstehendes Interesse daher etwa bei personenbezogenen Daten von Destinatären oder für sensible Bereiche der Stiftungssatzung. Vor allem für Familienstiftungen dürfte diese Änderung wichtig sein, deren Satzungen häufig die privaten Vorstellungen des Stifters und seine Familienverhältnisse beinhalten. Das genaue Verfahren zur Einsichtnahme einschließlich Regelungen zur Beschränkung oder zum Ausschluss der Einsicht in die eingereichten Dokumente wird durch eine noch ausstehende Rechtsverordnung geregelt werden.
3. Kodifizierung althergebrachter Grundsätze durch die Stiftungsrechtsreform
In vielen Punkten beschränkt sich die Reform auf die Normierung von bislang ungeschriebenen Rechtsgrundsätzen. Dies betrifft zum einen die Kodifizierung der schon auf Basis des geltenden Rechtslager anerkannten sog. Business Judgement Rule in § 84a Abs. 2 BGB n. F. Danach verhält sich ein Stiftungsorgan (Mitglieder des Vorstands oder – wenn die Stiftungssatzung dies vorsieht – auch des Kuratoriums oder des Beirats) nicht pflichtwidrig, wenn es unter Beachtung gesetzlicher und satzungsmäßiger Vorgaben und auf der Grundlage angemessener Informationen vernünftigerweise annehmen durfte, zum Wohle der Stiftung zu handeln. Auf diese Weise werden die Organmitglieder bei der Wahrnehmung von Geschäftsführungsaufgaben mit Prognosecharakter weitgehend von ihrer Haftung freigestellt. Praktisch relevant wird dies beispielsweise, wenn eine Vermögensanlage des Stiftungsvermögens an Wert verliert und dadurch die Frage im Raum steht, ob der Vorstand gegenüber der Stiftung hierfür haftet. Für den Nachweis des Verschuldens greift die allgemeine zivilrechtliche Beweislastverteilung, d.h. das Verschulden des Organmitglieds wird vermutet. Dieses muss diese Vermutung entkräften, indem es darlegt, weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt zu haben. Etwas anderes gilt für ehrenamtliche Organmitglieder, deren Haftung gem. §§ 84a Abs. 3 BGB n. F. i. V. m. 31a Abs. 1 S. 3 BGB vorbehaltlich einer anderslautenden Satzungsbestimmung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt wird. Darüber hinaus ist eine Modifikation der Haftungsmaßstäbe der Organmitglieder durch die Satzung möglich (§ 84a Abs. 1 S. 3 BGB n. F.). Die gesetzliche Beschränkung der Innenhaftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit kann in der Satzung beschränkt oder sogar ausgeschlossen werden, ebenso der gesetzliche Freistellungsanspruch für eine Außenhaftung im Falle einfacher Fahrlässigkeit. In der Praxis kann ein solcher Ausschluss der Außenhaftung für Fälle der einfachen Fahrlässigkeit zweckmäßig sein.
Auf der anderen Seite werden weiterhin die Gestaltungsmöglichkeiten des Stifters betont. Nicht durchzusetzen vermochte sich der Referentenentwurf des BMJ mit dem Vorschlag, das aus dem Aktienrecht bekannte Prinzip der Satzungsstrenge in das Stiftungsrecht zu implementieren und damit einen Paradigmenwechsel vom geltenden Grundsatz der Satzungsautonomie herbeizuführen. Danach hätte durch die Satzung nur noch vom Gesetz abgewichen werden können, wenn entsprechende Vorschrift der Stiftung ausdrücklich zur Disposition gestellt wird. Diese wenig durchdachte Überlegung ist in der Literatur auf berechtigte Kritik gestoßen, die dazu geführt hat, dass die neue Rechtslage nicht am Grundsatz der Satzungsautonomie rüttelt. Die weiterhin ausgesprochen restriktiven Voraussetzungen von Satzungsänderungen ergeben sich aus § 85 BGB n. F.
4. (Materielle) Neuerungen durch die Stiftungsrechtsreform
Gleichzeitig beinhaltet die Stiftungsrechtsreform auch behutsame materielle Änderungen des Stiftungsrechts. Neu in das BGB eingeführt wurden u.a. Regelungen zum zwingend im Inland belegenen Verwaltungssitz (§ 83a BGB n. F.), zu Vermögenszusammensetzung und -verwaltung (§§ 83b, 83c BGB n. F.) sowie zu Satzungsänderungen (§§ 85, 85a BGB n. F.) und Strukturmaßnahmen (§§ 86 ff. BGB n. F.). Nachfolgend sollen einige zentrale Punkte herausgegriffen und gewürdigt werden.
a) Notmaßnahmen bei dem Fehlen von Organmitgliedern
Neu ist eine in § 84c Abs. 1 BGB n. F. enthaltene Ermächtigung der Stiftungsaufsicht zur Notbestellung von Organmitgliedern. Danach hat die Stiftungsaufsicht im Falle des Fehlens von Organmitgliedern die notwendigen Maßnahmen treffen, um die Handlungsfähigkeit des Organs zu gewährleisten. Gem. § 84c Abs. 1 S. 2 BGB n. F kann sie insbesondere Organmitglieder befristet bestellen oder von der satzungsmäßig vorgesehenen Zahl von Organmitgliedern befristet abweichen. Stiftungen sollten aber alles daran setzen, einer solchen Situation vorzubeugen.
b) Auflösung von Stiftungen
Die bislang dem Landesrecht zu entnehmenden Voraussetzungen für die Auflösung von Stiftungen werden in den §§ 87 ff. BGB n. F. harmonisiert. Die Anforderungen hierfür sind – korrespondierend zu der heutigen Rechtslage – sehr hoch angesetzt. Die Selbstauflösung einer Stiftung ist gem. § 87 Abs. 1 BGB n. F. durch den Vorstand mit Genehmigung der zuständigen Behörde (nur) zulässig, wenn diese ihren Zweck endgültig nicht mehr dauernd und nachhaltig erfüllen kann, d.h. wenn die dauernde und nachhaltige Zweckerfüllung nicht durch eine Umgestaltung der Satzung wiederhergestellt werden kann. Eine behördliche Aufhebung durch die Stiftungsaufsicht kann gem. § 87a BGB n. F. nur subsidiär erfolgen. Hierfür müssen die genannten Voraussetzungen vorliegen und das zuständige Organ muss über die Auflösung nicht oder nicht rechtzeitig entschieden haben. Weitere Tatbestände, die die Behörde zur Aufhebung der Stiftung verpflichten sind die Gemeinwohlgefährdung durch die Stiftung sowie ein im Ausland belegener Verwaltungssitz, wenn dieser nicht binnen angemessener Zeit in das Inland zurückverlegt werden kann (vgl. § 87a Abs. 2 BGB n. F.).
c) „Umwandlung“ von Ewigkeitsstiftungen in eine Verbrauchsstiftung
Neu in das BGB aufgenommen worden sind auch Vorschriften zur „Umwandlung“ (es handelt sich nicht um eine Umwandlung im Rechtssinne, d.h. insbesondere nicht um eine solche nach dem UmwG) einer “Ewigkeitsstiftung” in eine Verbrauchsstiftung (d.h. eine auf bestimmte Zeit, innerhalb derer ihr gesamtes Vermögen zur Erfüllung ihres Zwecks zu verbrauchen ist, errichtete Stiftung, vgl. hierzu die Legaldefinition in § 80 Abs. 1 S. 2 BGB n. F.). Hierfür erforderlich ist eine Satzungsänderung (§ 85 Abs. 1 S. 4 BGB n. F.). Die materiellen Voraussetzungen für den Wechsel in eine Verbrauchsstiftung entsprechen den Anforderungen an eine Satzungsänderung. Eine solche “Umwandlung” ist danach insbesondere zulässig, wenn eine Stiftung ihren Zweck nicht mehr dauernd und nachhaltig erfüllen kann. In Betracht kommen hierfür finanziell schwach ausgestattete Stiftungen, deren Mittel – etwa angesichts der gegenwärtig langanhaltenden Niedrigzinsphase – nicht mehr genügen, den Stiftungszweck zu erfüllen und bei denen auch kein hinreichender Mittelzuwachs zu erwarten steht. Kumulativ muss es gesichert erscheinen, dass die Stiftung den beabsichtigten neuen oder beschränkten Zweck dauernd und nachhaltig erfüllen kann (§ 85 Abs. 1 S. 3 BGB n. F.).
d) Stiftungsvermögen (insbes. Zulässigkeit der Verwendung von Umschichtungsgewinnen für die Zweckverwirklichung)
Nach der gesetzlichen Neuregelung setzt sich das das Stiftungsvermögen aus dem Grundstockvermögen sowie dem „sonstigen Vermögen“ zusammen (vgl. § 83b BGB n. F.). Während das Grundstockvermögen ungeschmälert zu erhalten ist, kann das sontige Vermögen unmittelbar für die Erfüllung des Stiftungszwecks verbraucht werden. Wie das Grundstockvermögen zu erhalten sein muss – in Betracht kommen eine nominale und eine real Betrachtungsweise – wird nicht geregelt. Beides ist zulässig und richtet sich nach der Maßgabe des Stifterwillens. Ein teilweiser Verbrauch des Grundstockvermögens ist nur zulässig, wenn die Stiftung sich satzungsmäßig verpflichtet, das Grundstockvermögen in absehbarer Zeit wieder um den verbrauchten Teil aufzustocken (§ 83c Abs. 2 BGB n. F.). Darüber hinaus wird in einer für die Praxis erfreulichen Weise gesetzlich klargestellt, dass Zuwächse aus der Umschichtung des Grundstockvermögens – sog. Umschichtungsgewinne – für die Erfüllung des Stiftungszwecks verwendet werden können, soweit dies durch die Satzung nicht ausgeschlossen wurde und die Erhaltung des Grundstockvermögen gewährleistet ist (§ 83c Abs. 1 S. 3 BGB n. F.). Hierdurch wird die Flexibilität von Stiftungen beim Einsatz ihres Grundstockvermögens erhöht. Bislang war dies uneinheitlich geregelt und in einigen Bundesländern unzulässig.
e) Zu- und Zusammenlegung von Stiftungen
Schließlich regeln die §§ 86 ff. BGB n. F. die Voraussetzungen sowie das Verfahren einer Zulegung und einer Zusammenlegung von Stiftungen. Von einer Stiftungsauflösung oder Aufhebung unterscheiden sich diese Maßnahmen durch die Vermögensübertragung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge. Von einer Zulegung spricht man, wenn – vergleichbar einer Verschmelzung zur Aufnahme – das Vermögen einer oder mehrerer übertragender Stiftung(en) auf eine andere, bereits bestehende Stiftung, übertragen wird. Im Unterschied hierzu werden bei der Zusammenlegung mehrere bestehende übertragende Stiftungen – vergleichbar einer Verschmelzung durch zur Neugründung – durch Übertragung ihres Vermögens auf eine neue Stiftung vereinigt.
Die Voraussetzungen für diese Strukturmaßnahmen sind hoch angesetzt (vgl. § 86a Nr. 1-3 BGB n. F.). Möglich sind Zulegung und Zusammenlegung nur dann, wenn sich für die Stiftungen die Verhältnisse wesentlich verändert haben und eine Anpassung durch Satzungsänderung an diese neuen Umstände nicht möglich ist. Zudem muss der Zweck der übertragenden Stiftung im Wesentlichen mit einem Zweck der übernehmenden Stiftung übereinstimmen. Zuletzt müssen die Rechte von Personen gewahrt werden, für die in den Satzungen der übertragenden Stiftungen Ansprüche auf Stiftungsleistungen begründet sind.
5. Kritik an der Stiftungsrechtsreform
Das neue Stiftungsrecht ist in der Literatur auf ein geteiltes und überwiegend negatives Echo gestoßen. Bemängelt wird insbesondere, dass der Entwurf zu wenig weitreichend sei, indem er im Wesentlichen lediglich die gängige Praxis oder anerkannte Grundsätze (z.B. die Maßgeblichkeit des Stifterwillens als Leitmaxime für jegliche Stiftungshandlung) kodifiziere. Aus dieser Kritik ist die Erstellung eines alternativen Entwurfs zur Reform des Stiftungsrechts durch verschiedene Hochschullehrer („Professorenentwurf“) geboren, der großen Zuspruch in der Literatur gefunden hat. Einer der zentralen Punkte, der weiterhin vermisst wird, ist die Zulässigkeit einer „Stiftung auf Zeit“. Bei dieser viel geforderte Stiftungsform würde der Stiftungszweck nur für einen bestimmten Zeitraum mit den Erträgen aus dem Stiftungsvermögen erfüllt. Anschließend würde das Vermögen wieder an den Stifter oder einen Dritten zurückfallen. Bei diesem Typus fehlt es aber an der für die Stiftung typischen dauerhaften Verbindung zwischen Zweck und Vermögen. Weiterhin wird das Fehlen einer „actio pro fundatione“, d.h. einer Klagebefugnis von Organmitgliedern, bemängelt. Fraglich ist zuletzt auch, ob das Stiftungsregister beim BMJ an der richtigen Stelle angesiedelt ist, oder ob es nicht bei den Amtsgerichten besser aufgehoben wäre. Die derzeitige Zuordnung ist genauso unsystematisch wie auch die Regelungen zur Zu- und Zusammenlegung, die ihren Platz im Umwandlungsgesetz hätten finden sollen.
6. Vorwirkung der Stiftungsrechtsreform / Anpassungsbedarf für Bestandsstiftungen?
Grundsätzlich besteht ein langer Interimszeitraum bis zum Inkrafttreten der Reform. Ungeklärt ist jedoch bislang, welche Implikationen das neue Recht für die geltende Rechtslage entfaltet. Hier ist zu berücksichtigen, dass nach der Gesetzesbegründung im Hinblick auf viele Regelungen lediglich die heutige ungeschrieben Rechtslage in Gesetzesform gegossen wird. Dies betrifft beispielsweise die Kodifizierung der sog. Business Judgement Rule, die nach herrschender Meinung aber bereits heute anzuwenden ist. Von daher entfaltet das neue Stiftungsrecht bereits jetzt durch die gesetzgeberische Klarstellung der lex lata eine gewisse Vorwirkung. Denn das neue Recht indiziert die gegenwärtige Rechtslage. Werden durch die Stiftungsrechtsreform jedoch materielle Änderungen eingefügt, so beanspruchen diese bis zum 01.07.2023 noch keine Geltung.
Aus der Reform ergibt sich damit die Notwendigkeit, für Bestandsstiftungen auf die neue Rechtslage zu reagieren und sich auf das Inkrafttreten der neuen Rechtslage vorzubereiten. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen empfiehlt die Prüfung, inwiefern das neue Recht auch schon vor Inkrafttreten genutzt werden kann, um notwendige Strukturentscheidungen umzusetzen, oder ob eventuell Satzungsregelungen klargestellt werden sollten, die den Stifterwillen unzureichend wiedergeben. Bestandsstiftungen sollten ihre Satzungen dringend mit dem zukünftigen Recht abgleichen und den sich daraus ergebenden Änderungsbedarf identifizieren.
7. Fazit
Die Stiftungsrechtsreform stellt auf der einen Seite durch die Vereinheitlichung des Stiftungsrechts und die damit einhergehende Ausmerzung bestehender föderaler Rechtszersplitterungen und Rechtsunsicherheiten sowie durch die Schaffung eines Stiftungsregisters zwar einen Meilenstein dar. Auf der anderen Seite wird das geltende Stiftungsrecht trotz der hohen Regelungsdichte der neuen Regelungen nicht auf ein vollkommen neues Fundament gestellt. Dem Gesetz liegt dasselbe Verständnis von der Rechtsform der Stiftung zugrunde wie auch den bisherigen §§ 80 ff. BGB und den Landesstiftungsgesetzen. Im Wesentlichen beschränkt sich die Reform materiell auf behutsame Änderungen der geltenden Rechtslage sowie auf die Kodifizierung anerkannter Grundsätze. Der maßgebliche Wert der Reform liegt in der längst überfälligen Schaffung eines im BGB gebündelten Stiftungsprivatrechts zum 01.07.2023, nachdem die Rechtslage bislang durch die durchaus unterschiedlichen 16 verschiedenen Landesstiftungsgesetzen geprägt war. Damit wird auch eine einheitliche Verwaltungspraxis sichergestellt. Der zweite wichtige Schritt ist die Schaffung eines mit Publizitätswirkung ausgestatteten öffentlichen Stiftungsregisters mit Wirkung zum 01.01.2026. Diese Punkte stoßen auf angesichts der damit geschaffenen Rechtssicherheit zurecht auf uneingeschränkte Zustimmung in der Literatur. In der Praxis müssen bestehende Stiftungen überprüfen, ob sich aus der Reform ein konkreter Handlungsbedarf ergibt. Bereits vor Inkrafttreten der neuen Regelungen sollten diese für Stiftungsgründungen berücksichtigt werden.
Zwei Jahre nach dem Inkrafttreten ist eine Evaluierung der Vorschriften vorgesehen. Dann wird sich die Frage stellen, ob die Forderungen, die keinen Eingang in die Reform gefunden haben, nachträglich eingefügt werden.
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