Das deutsche Registerwesen steht mit der Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie durch das „DiRUG“ vor einem digitalen Umbruch.
I. Aktueller Stand und Zweck des Gesetzgebungsverfahrens
Seit dem 10. Februar 2021 liegt der Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1151 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht (ABl. L 196 vom 11.7.2019, S. 80) vor.
Zweck der Richtlinie ist die europaweite grenzüberschreitende Vereinfachung der Gründung von Gesellschaften und der Errichtung von Zweigniederlassungen durch den Einsatz digitaler Instrumente und Verfahren. Die bisherigen Verfahren sollen durch die Neuregelungen vor allem im Hinblick auf den Kosten- und Zeitaufwand effizienter gestaltet werden.
Wesentliche Punkte sind unter anderem die Eröffnung der Möglichkeit zur Online-Gründung einer GmbH sowie die Ausgestaltung der Online-Verfahren bei Registeranmeldungen für Kapitalgesellschaften und Zweigniederlassungen, zur Einreichung und Offenlegung von Urkunden und Informationen im Handels- und Unternehmensregister sowie zum grenzüberschreitenden Informationsaustausch über das Europäische System der Registervernetzung (BRIS).
Die Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie durch die Mitgliedstaaten soll im Wesentlichen bis zum 1. August 2021 erfolgen. Darüber hinaus besteht jedoch die Option zur Verlängerung der Umsetzungsfrist um ein Jahr, bis August 2022. Hiervon hat der deutsche Gesetzgeber Gebrauch gemacht.
II. Die Neuregelungen im Einzelnen
Im Folgenden sollen die bevorstehenden grundlegenden Veränderungen genauer in den Blick genommen werden.
1. Ausgestaltung der Online-Verfahren im Hinblick auf die hohen Standards notarieller Beurkundungsverfahren
Mit dem Gesetzesentwurf werden erstmals die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Vornahme virtueller notarieller Beurkundungen und Beglaubigungen im Handels- und Gesellschaftsrecht geschaffen. Das Augenmerk liegt hierbei insbesondere auf der Aufrechterhaltung der hohen Standards notarieller Beurkundungsverfahren.
So spielt die vorsorgende Rechtspflege durch Notarinnen und Notare seit jeher eine wichtige Rolle, insbesondere im Gesellschaftsrecht. Durch die Beratung von Gründerinnen und Gründern, die notarielle Überprüfung der materiell-rechtlichen Eintragungsvoraussetzungen einschließlich der Existenz und Vertretungsberechtigungen der Beteiligten und die Erfüllung der notariellen Identifizierungs- und Mitteilungspflichten sowie Anzeigepflichten im Bereich des Steuerrechts und der Geldwäschebekämpfung entlasten Notarinnen und Notare nicht nur die Registergerichte, sondern sorgen auch für mehr Rechtssicherheit und die Vermeidung späterer Streitigkeiten.
a. Notarielle Beurkundung von Willenserklärungen mittels Videokommunikation
Zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie sieht der neue § 16a BeurkG-E mit Blick auf die Ermöglichung der Online-Gründung der GmbH daher die Option der notariellen Beurkundung von Willenserklärungen mittels Videokommunikation vor.
b. Öffentliche Beglaubigung qualifizierter elektronischer Signaturen
Mit § 40a BeurkG-E wird zudem die öffentliche Beglaubigung qualifizierter elektronischer Signaturen mittels Videokommunikation durch Notarinnen und Notare und damit die Online-Einreichung von Handelsregisteranmeldungen sowie auf gleichem Wege die Eintragung von Zweigniederlassungen ermöglicht.
Dies gilt gemäß der Neuregelung des § 12 HGB für die Anmeldung durch Einzelkaufleute (Nr. 1), für Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und für Genossenschaften (Nr. 2) sowie für Zweigniederlassungen von den in § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 HGB-E genannten Rechtsformen oder von Kapitalgesellschaften, die dem Recht eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum unterliegen.
c. Einrichtung eines sicheren, manipulationsresistenten und zuverlässigen Videokommunikationssystems
Unabdingbar für die Urkundstätigkeit mittels Videokommunikation ist die Installation eines sicheren, manipulationsresistenten und zuverlässigen Videokommunikationssystems. Die Aufgabe zum Betrieb eines solchen Videokommunikationssystems wird durch § 78p Abs. 1 BNotO-E der Bundesnotarkammer übertragen. Neben der technischen Abwicklung der Videokommunikation zwischen den Notaren und den Beteiligten soll der Betrieb des Videokommunikationssystems gem. § 78p Abs. 2 BNotO-E unter anderem und insbesondere die technische Durchführung eines elektronischen Identitätsnachweises nach § 16c S. 1 BeurkG ermöglichen. Nur so können Notarinnen und Notare Beurkundungen mittels Videokommunikation unter gleichzeitiger Erfüllung ihrer Amtspflichten und besonders der sicheren Identifizierung der Beteiligten vornehmen (vgl. § 10 BeurkG).
Kann sich der Notar auf virtuellem Wege keine Gewissheit über die Person eines Beteiligten verschaffen oder hat er Zweifel an der erforderlichen Rechtsfähigkeit oder Geschäftsfähigkeit eines Beteiligten, soll er gem. § 16a Abs. 2 BnotO-E die Beurkundung mittels Videokommunikation jedoch ablehnen.
Hierdurch wird klargestellt, dass trotz der erwünschten Erleichterungen stets die Qualität und Sicherheit notarieller Beurkundungsverfahren aufrechterhalten werden soll – im Zweifel durch einen „Rückschritt“ zu den altbewährten Verfahren.
d. Feststellung der Beteiligten mittels Videokommunikation
Gem. § 16c BeurkG-E erfolgt die Feststellung und Identifizierung der Beteiligten durch Auslesen des Lichtbilds aus dem Chip des Personalausweises und den anschließenden Abgleich mit dem Erscheinungsbild der Beteiligten im Wege der Videokommunikation.
Diese Methodik gewährleistet ein ähnliches Sicherheitsniveau wie das Präsenzverfahren.
e. Zulässige Dateiformate
Neben dem bisher in § 12 Abs. 2 S. 1 HGB zugelassenen elektronischen Format kann die Einreichung von Dokumenten im Zuge von Handelsregisteranmeldungen künftig auch in einem „maschinenlesbaren und durchsuchbaren Datenformat“ erfolgen.
Laut der Entwurfsbegründung (S. 110) bleibt es den Landesregierungen überlassen, entsprechend der Ermächtigung in § 8a Abs. 2 S. 1 und 2 HGB, die Einzelheiten zu den Dateiformaten der zu übermittelnden Dokumente zu regeln. Es muss lediglich sichergestellt sein, dass die jeweiligen Dateiformate maschinenlesbar und durchsuchbar sind. Strukturierte Datensätze im Dateiformat XML seien dafür nicht zwingend erforderlich, ausreichend wären beispielsweise auch durchsuchbare Dateien im PDF-Format, insbesondere auch dann, wenn diese durch einen Scan von originären Papierunterlagen mittels einer Texterkennungssoftware (OCR) erstellt werden. Unschädlich sei dabei auch, wenn Daten, die nicht für die Maschinenlesbarkeit geeignet sind, also beispielsweise eingescannte Unterschriften, etwa im Falle einer Gesellschafterliste, oder bildliche Darstellungen, nicht umfasst werden.
2. Ermöglichung der Online-Gründung von GmbH und UG (haftungsbeschränkt)
Durch die Neufassung des § 2 Abs. 3 GmbHG-E wird schließlich ausdrücklich die Möglichkeit einer Online-Gründung einer GmbH und UG (haftungsbeschränkt) mittels Videokommunikation geschaffen:
"(3) Die notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrags sowie im Rahmen der Gründung der Gesellschaft gefasste Beschlüsse der Gesellschafter können im Fall einer Gründung ohne Sacheinlagen auch mittels Videokommunikation gemäß den §§ 16a bis 16e des Beurkundungsgesetzes erfolgen. In diesem Fall genügen abweichend von Absatz 1 Satz 2 für die Unterzeichnung die qualifizierten elektronischen Signaturen der mittels Videokommunikation an der Beurkundung teilnehmenden Gesellschafter. Die Gründung mittels Videokommunikation kann auch im Wege des vereinfachten Verfahrens nach Absatz 1a oder unter Verwendung der in Anlage 2 bestimmten Musterprotokolle erfolgen. Bei Verwendung der in Anlage 2 bestimmten Musterprotokolle gilt Absatz 1a Satz 3 bis 5 entsprechend.“
Eine Online-Gründung für andere Rechtsformen ist zunächst nicht vorgesehen. Auch beschränkt sich die Möglichkeit der Online-Gründung auf die Fälle einer reinen Bargründung ohne Sacheinlagen.
Dadurch, dass gem. § 2 Abs. 3 GmbHG-E auch die im Rahmen der Gründung der Gesellschaft gefassten Gesellschafterbeschlüsse mittels Videokommunikation beurkundet werden können, wird klargestellt, dass die gegenwärtige Praxis der gemeinsamen Beurkundung des Gesellschaftsvertrages und von Beschlüssen der Gesellschafter auch im Online-Verfahren zulässig bleibt, ohne dass dadurch ein Formerfordernis für derartige Beschlüsse angeordnet würde. Jedoch sind von der Beurkundungsmöglichkeit mittels Videokommunikation nur solche Gesellschafterbeschlüsse umfasst, die mit der Gründung in engem Zusammenhang stehen oder für diese erforderlich sind, nicht etwa Kapitalmaßnahmen oder Umwandlungsvorgänge (vgl. Entwurfsbegründung, S. 190).
Des Weiteren können im Falle der Online-Gründung die gem. § 2 Abs. 1 S. 2 GmbHG erforderlichen Unterschriften der Gesellschafter durch qualifizierte elektronische Signaturen ersetzt werden. Dies gilt jedoch lediglich für die mittels Videokommunikation an der Beurkundung teilnehmenden Gesellschafter. § 2 Abs. 1 S. 2 GmbHG bleibt im Übrigen unberührt.
3. Einführung einer örtlichen Zuständigkeit für Notarinnen und Notare in Online-Verfahren
Zur Verhinderung eines Online-Wettbewerbs und zur Aufrechterhaltung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit notariellen Leistungen sieht der Gesetzesentwurf in § 10a Abs. 3 BNotO-E die Einführung einer örtlichen Zuständigkeit für Notarinnen und Notare in Online-Verfahren vor, die an
- den Sitz der betroffenen Gesellschaft,
- den Sitz der betroffenen Zweigniederlassung bei einer Gesellschaft mit Sitz im Ausland oder
- den Wohnsitz oder Sitz eines Gesellschafters der betroffenen Gesellschaft
anknüpft.
Das geltende Amtsbereichsprinzip wird so auch auf die Online-Verfahren übertragen. Ausnahmen sind jedoch dann möglich, wenn besondere berechtigte Interessen der Rechtssuchenden ein Tätigwerden außerhalb des Amtsbereichs gebieten (vgl. § 10a Abs. 2 BNotO).
4. Regelungen zur Offenlegung von Registerinformationen und zu den Gebühren
Neben den Neuregelungen zum Online-Verfahren sieht der Regierungsentwurf auch eine Reihe von Änderungen hinsichtlich der Regelungen zur Offenlegung von Registerinformationen und zu den Gebühren vor.
Zum einen soll etwa das System der Offenlegung von Rechnungslegungsunterlagen umgestellt werden. Statt des bisherigen Verfahrens (Einreichung der Unterlagen beim Betreiber des Bundesanzeigers, Bekanntmachung im Bundesanzeiger, Übermittlung an das Unternehmensregister) soll die Übermittlung von Rechnungslegungsunterlagen künftig direkt an die das Unternehmensregister führende Stelle zur Einreichung in das Unternehmensregister erfolgen. Sinn und Zweck der Neuregelung ist die Vermeidung der Doppelpublizität und die Stärkung der Funktion des Unternehmensregisters als zentrale Stelle für rechnungslegungsbezogene Unterlagen. Diese sollen aus selbigem Grund fortan nur noch über das Unternehmensregister abrufbar sein.
Zum anderen werden die Gebührenregelungen zum Abruf von Daten aus dem Handels-, Vereins-, Partnerschafts- und Genossenschaftsregister angepasst. Entsprechend Art. 19 Abs. 2 GesRRL soll der Abruf von Daten oder Dokumenten, die zum Register eingereicht wurden, künftig kostenfrei erfolgen. Der Wegfall der Abrufgebühren wird weitgehend durch die Erhebung von Bereitstellungsgebühren gegenüber den Anmeldenden kompensiert werden.
5. Verbesserter grenzüberschreitender Informationsaustausch über Zweigniederlassungen
Neuerdings werden auch Informationen über ausländische Zweigniederlassungen in einem anderen EU-Mitglied- oder EWR-Vertragsstaat von einer Kapitalgesellschaft mit Sitz im Inland ins Handelsregister einzutragen sein. Die Handelsregistereintragung erfolgt unmittelbar durch die Registergerichte nach Übermittlung der entsprechenden Informationen über das Europäische System der Registervernetzung. Ein separates Anmeldeverfahren für ausländische Zweigniederlassungen ist nicht vorgesehen.
Der Gesetzesentwurf sieht daneben Erleichterungen hinsichtlich der Anmeldung und Eintragung von Zweigniederlassungen im Inland von einer Kapitalgesellschaft, die dem Recht eines anderen Mitgliedstaates der EU oder eines anderen Vertragsstaates des EWR unterliegt, vor. So entfällt insbesondere das Erfordernis der Abgabe einer Versicherung über das Nichtvorliegen von Bestellungshindernissen. § 6 Abs. 2 S. 2 und 3 GmbHG und § 76 Abs. 3 S. 2 und 3 AktG werden in Bezug auf Zweigniederlassungen nicht länger anwendbar sein.
Die Umgehung von Bestellungshindernissen wird durch die im Folgenden erläuterten Neuregelungen zum Informationsaustausch über disqualifizierte Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder verhindert.
6. Grenzüberschreitender Informationsaustausch über disqualifizierte Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder
Mit § 9c HGB-E wird eine gesetzliche Regelung zur Beantwortung von Ersuchen der Bundesrepublik Deutschland sowie anderer Mitgliedstaaten oder Vertragsstaaten über das Europäische System der Registervernetzung geschaffen, um die Berücksichtigung sowohl ausländischer als auch inländischer Bestellungshindernisse für die Bestellung von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern von Kapitalgesellschaften zu ermöglichen. Zuständige Behörde für die Beantwortung entsprechender Ersuchen ist die das Unternehmensregister führende Stelle.
Gem. § 9c Abs. 4 HGB-E beschränkt sich der Informationsaustausch auf die Mitteilung, ob eine Disqualifikation nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 und 3 GmbHG oder gem. § 76 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 und 3 AktG vorliegt.
Entsprechend Art. 2 Abs. 2 der Digitalisierungsrichtlinie und abweichend von den übrigen Gesetzesänderungen sollen die Regelungen in § 9c Abs. 1 bis 4 HGB-E erst ab dem 1. August 2023 Anwendung finden. Die in § 9c Abs. 6 HGB-E vorgesehene Ermächtigung zum Verordnungserlass soll jedoch bereits früher in Kraft treten und anwendbar sein. So können die erforderlichen Bestimmungen in Bezug auf die Beantwortung und die Durchführung der Ersuchen durch die zuständige Stelle einschließlich der Bestimmungen über weitere Formalien und technische Einzelheiten auch durch Rechtsverordnung getroffen werden.
Durch die Einfügung eines jeweils neu gefassten § 6 Abs. 2 S. 3 GmbHG-E sowie des § 76 Abs. 3 S. 3 AktG wurde weiterhin der Umfang der materiellen Bestellungshindernisse erweitert. Somit führt auch die Disqualifikation in einem anderen EU-Mitglied- oder Vertragsstaat aufgrund eines Berufs- oder Gewerbeverbots zu einem Bestellungshindernis. Voraussetzung ist jedoch wie nach den bisherigen Regelungen in § 6 Abs. 2 S. 3 GmbHG sowie in § 76 Abs. 3 S. 3 AktG in Bezug auf Straftaten jedenfalls eine Teilidentität zwischen dem jeweiligen Gegenstand des behördlichen oder gerichtlichen Verbots und dem Unternehmensgegenstand der Gesellschaft, mithin eine Vergleichbarkeit.
Auch die Regelungen über die erweiterten Bestellungshindernisse für einschlägige Berufs- und Gewerbeverbote im EU- oder EWR-Ausland sollen erst ab dem 1. August 2023 Anwendung finden.
III. Fazit
Der Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie ist angesichts der fortschreitenden Digitalisierung sehr zu begrüßen und zeigt gerade in Zeiten der COVID-19-Pandemie neue Möglichkeiten zur Gründung von Gesellschaften und Durchführung notarieller Beurkundungsverfahren ohne die Notwendigkeit physischer Präsenz auf.