06.12.2024
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Schleswig
03.04.2024
2 Wx 57/23
ZIP 2024, 945
Die Erhöhung des Stammkapitals einer GmbH macht es nicht in jedem Fall erforderlich, alle Geschäftsanteile proportional zu erhöhen, wenn das Beteiligungsverhältnis der einzelnen Gesellschafter hierdurch nicht verändert wird.
Die Beschwerdeführerin ist eine GmbH mit vier Gesellschaftern. Das Stammkapital der GmbH betrug bisher 170.000 EUR verteilt auf zwölf Geschäftsanteile. Die Gesellschafter H und A halten jeweils drei Geschäftsanteile, die in der Summe je 45 % des Stammkapitals entsprechen. Die Gesellschafter M und K halten jeweils zwei Geschäftsanteile, welche jeweils 5 % des gesamten Gesellschaftsanteils ausmachen.
Am 14.08.2023 beschloss die Gesellschafterversammlung die Erhöhung des Stammkapitals auf 1 Mio. EUR durch Erhöhung der Geschäftsanteile aus einer Gewinnrücklage. Die Gesellschafter beschlossen, die jeweiligen Geschäftsanteile dergestalt zu erhöhen, dass nur einer der von den jeweiligen Gesellschaftern gehaltenen Gesellschaftsanteile erhöht wurde. Dadurch blieben M und X jeweils Inhaber von 5 % des Stammkapitals, während die übrigen beiden Gesellschafter jeweils Inhaber von 45 % des Stammkapitals blieben.
Der beurkundende Notar hat beim Registergericht die Kapitalerhöhung sowie die Satzungsänderung einschließlich der aktualisierten Gesellschafterliste zur Eintragung angemeldet. Mit Verfügung vom 28.08.2023 hat das AG darauf hingewiesen, dass der Antrag unvollständig sei und aus rechtlichen Gründen zur Rücknahme des Antrags aufgefordert. Der Beschluss zur Kapitalerhöhung sei nichtig, da gem. § 57j S. 1 GmbHG alle Geschäftsanteile proportional an der Erhöhung teilnehmen müssten. Auch nach Übersendung der geforderten Unterlagen hielt das AG an seiner Rechtsauffassung zur Kapitalerhöhung fest.
In der Zwischenzeit fassten die Gesellschafter der Beschwerdeführerin einen weiteren Beschluss vom 15.09.2023 dahingehend, dass nunmehr jeder einzelne Geschäftsanteil proportional erhöht wird. Trotz Übersendung des ergänzenden Beschlusses wies das AG den Antrag zurück, da der ursprüngliche Beschluss nicht abgeändert werden könne, da dieser gem. § 57j S. 2 GmbHG nichtig sei. Gegen diesen Beschluss hat die GmbH Beschwerde eingelegt. Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Das AG habe zutreffend festgestellt, dass eine Erhöhung des Stammkapitals einer GmbH im Wege der Erhöhung des Nennbetrags der bisherigen Geschäftsanteile grundsätzlich zu einer proportionalen Erhöhung aller Anteile führe (§ 52h Abs. 1 Alt. 2, § 52j S. 1, § 57l Abs. 1 GmbHG), auch wenn mehrere Geschäftsanteile in einer Hand liegen. Die Norm des § 57j GmbHG sei trotz ihres Wortlautes, der sich auf die „neuen“ Geschäftsanteile bezieht, auch auf die Kapitalerhöhung im Wege der Nennbetragserhöhung anzuwenden. In bestimmten Situationen – beispielsweise, wenn die Geschäftsanteile mit unterschiedlichen Rechten oder Belastungen versehen sind (z.B. abweichende Stimmrechte) – ist zudem eine differenzierte Betrachtung der jeweiligen Geschäftsanteile erforderlich. Eine Differenzierung sei zudem hinsichtlich der Ausführung der Kapitalerhöhung möglich. Es könne etwa zulässig sein, die Kapitalerhöhung bei einem Gesellschafter durch Nennbetragserhöhung und bei einem anderen Gesellschafter durch Ausgabe neuer Geschäftsanteile oder eine Kombination beider Vorgehensweisen durchzuführen. Eine weitere Einschränkung der Gestaltungsfreiheit ergebe sich schließlich aus § 57m GmbHG, der sicherstellen soll, dass sich die Beziehungen der Gesellschafter untereinander oder gegenüber Dritten nicht verändern.
In Fällen, in denen – wie hier – alle Geschäftsanteile vollständig eingezahlt, keine unterschiedlichen Stimmrechte mit den Geschäftsanteilen verbunden sind und keine anderen Unterschiede in den Rechten, Pflichten und Belastungen im Verhältnis der Gesellschafter oder gegenüber Dritten vorliegen, seien zwar keine Gründe ersichtlich, bei einem einstimmigen Gesellschafterbeschluss eine abweichende Verteilung in den Grenzen des § 57m Abs. 1 GmbHG vorzunehmen. Allerdings führe insbesondere der Umstand, dass die Erhöhung des Stammkapitals in derartigen Fällen auch durch Schaffung neuer Geschäftsanteile oder Mischformen erfolgen könne, dazu, dass es nicht zwingend ist, alle vorhandenen Geschäftsanteile proportional zu erhöhen. Demzufolge war die von den Gesellschaftern getroffene abweichende Vereinbarung wirksam, sodass sie durch den nachfolgenden Beschluss, der eine proportionale Erhöhung der Anteile vorsieht, wirksam geändert werden könne.
Abschließend führt das OLG Schleswig aus, dass das Registergericht auch im Falle der Nichtigkeit des Beschluss bezüglich der Verteilung der Kapitalerhöhung auf die einzelnen Geschäftsanteile hätte prüfen müssen, ob eine Eintragung auf Basis des Änderungsbeschlusses erfolgen könnte. Die Gesellschafter hätten durch die Fassung des Änderungsbeschlusses verdeutlicht, dass das Rechtsgeschäft betreffend die Kapitalerhöhung aufrechterhalten werden sollte (§ 139 BGB). Insoweit hätte eine Ersetzung des nichtigen Teils erfolgen können.
Nach Ansicht des OLG Schleswig ist es in Kapitalerhöhungsfällen, in denen alle Geschäftsanteile vollständig eingezahlt sind, keine unterschiedlichen Stimmrechte mit den Geschäftsanteilen verbunden sind und keine anderen Unterschiede in den Rechten, Pflichten und Belastungen im Verhältnis der Gesellschafter untereinander oder gegenüber Dritten vorliegen, zulässig, nur einzelne Geschäftsanteile proportional zu erhöhen, soweit das Beteiligungsverhältnis der einzelnen Gesellschafter hierdurch nicht verändert wird. Dies entspricht der herrschenden Auffassung in der Literatur (vgl. etwa Altmeppen, 11. Aufl. 2023, GmbHG, Rn. 5–7; MüKoGmbHG/Liener, 4. Aufl. 2022, § 57h Rn. 9; Schemmann, NZG 2009, 241 (244)). Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der Kapitalerhöhung durch Schaffung neuer Geschäftsanteile oder Mischformen der genannten Alternativen.
Das OLG betont zwar die Möglichkeit dieser abweichenden Verteilung in derartigen Fällen, lässt aber dabei offen, in welchen Fällen eine solche Abweichung zwingend erforderlich ist.
Das erstinstanzliche AG lehnte die Anmeldung der Kapitalerhöhung ab, da ein nichtiger Gesellschafterbeschluss nicht nachträglich durch einen Änderungsbeschluss abgeändert werden könne. Das OLG Schleswig stellt diesbezüglich jedoch fest, dass gem. § 139 BGB eine Ersetzung des nichtigen Teil erfolgen kann, sofern ein ergänzender Änderungsbeschluss der Gesellschaft deutlich macht, dass das Rechtsgeschäft aufrechterhalten werden soll.