21.06.2023
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BFH
24.08.2022
II R 14/20
DStR 2022, 2619
Grundstückswertermittlung bei Existenz eines zeitnahen Kaufpreises [ PDF ]
Der Kläger wendete seiner Tochter im März 2017 aufgrund eines Schenkungsvertrags einen Betrag i.H.v. 920.000 € zuzüglich Notar- und Gerichtskosten sowie der anfallenden Grunderwerbssteuer für den Erwerb bestimmter Grundstücke zu. Die anfallende Schenkungssteuer sollte laut Vertrag der Kläger übernehmen. Die Tochter erwarb daraufhin im März 2017 mit einem freistehenden Einfamilienhaus bebaute Grundstücke.
In seiner Erklärung gegenüber dem Finanzamt ermittelte der Kläger den Grundbesitzwert im Sachwertverfahren mit 518.403 €. In einem Bescheid von September 2019 legte das Finanzamt jedoch einen im Wege des Vergleichswertverfahrens ermittelten Grundbesitzwert i.H.v. 920.000 € fest, wobei es den tatsächlich gezahlten Kaufpreis heranzog. Vergleichspreise für vergleichbare Grundstücke oder Vergleichsfaktoren konnte der Gutachterausschuss für das zu bewertende Grundstück nicht mitteilen.
Der Kläger macht geltend, der Grundbesitzwert könne nicht im Vergleichswertverfahren bestimmt werden, da Vergleichspreise für mehrere Grundstücke und damit eine Abbildung der Marktsituation nicht vorlägen. Ein Rückgriff auf einen einzelnen Verkaufspreis sei nur i.R.d. § 198 BewG vorgesehen.
Die Revision ist unbegründet und wird zurückgewiesen.
Die Besteuerungsgrundlagen werden durch Feststellungsbescheid gesondert festgestellt, wenn die Werte für die Schenkungssteuer von Bedeutung sind, § 179 Abs. 1 AO, § 12 Abs. 3 ErbStG iVm § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BewG. Die Grundbesitzwerte sind nach § 157 Abs. 3 S. 1 BewG für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens unter Anwendung der §§ 159 und 176 bis 198 BewG zu ermitteln.
Grundsätzlich erfolgt die Bewertung im typisierten Verfahren und erlaubt einen unmittelbaren Rückgriff auf den gemeinen Wert im Rahmen des § 198 BewG nur zugunsten des Steuerpflichtigen.
§ 177 BewG bestimmt, dass für die Bewertungen nach §§ 179 und 182 - 196 BewG der gemeine Wert zugrunde zu legen ist. Dieser bestimmt sich durch den Preis, der nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts normalerweise bei einer Veräußerung erzielt würde. Auch die Ermittlung des gemeinen Wertes erfolgt grundsätzlich anhand der typisierenden Bewertungsregeln in §§ 179 und 182 - 196 BewG. Diese Bewertungssystematik entspricht den verfassungsrechtlichen Anforderungen, insbesondere kann der Gesetzgeber die Wertermittlungsregeln selbst ausgestalten, solange der gemeine Wert ungefähr erreicht wird. Dies wird durch die in §§ 179 und 182 - 196 BewG vorgesehenen Bewertungsarten für verschiedene Grundstücke erfüllt.
Nach § 182 Abs. 2 Nr. 3 BewG sind Ein- und Zweifamilienhäuser grundsätzlich im Vergleichswertverfahren zu bewerten. Nur wenn kein Vergleichswert oder keine Vergleichsfaktoren vorliegen, sind sie im Sachwertverfahren zu bewerten. Grundlage im Vergleichsverfahren sind die von den Gutachterausschüssen i.S.d. §§ 192 ff. des Baugesetzbuchs mitgeteilten Vergleichspreise. Erst wenn die Gutachterausschüsse keine Vergleichspreise oder Vergleichsfaktoren zur Verfügung stellen, kann auf andere Berechnungsgrundlagen und -werte zurückgegriffen werden. Dies ergibt sich daraus, dass § 183 Abs. 1 S. 2 BewG „vorrangig“, aber nicht ausschließlich auf die Daten der Gutachterausschüsse abstellt. Zwar spricht der Wortlaut des § 183 Abs. 1 S. 1 BewG grundsätzlich von „Vergleichsgrundstücken“ im Plural, jedoch kann auch ein einzelnes Grundstück relevant werden. Voraussetzung ist jedoch, dass der Kaufpreis unter fremden Dritten unter marktüblichen Bedingungen vereinbart wurde.
Weiterhin kann ein Vergleichsgrundstück auch das zu bewertende Grundstück selbst sein. Zwar sollen vorrangig andere Grundstücke herangezogen werden. Sollten solche jedoch nicht vorliegen, kann auf das eigene Grundstück abgestellt werden. Hierfür spricht auch die aus § 183 BewG folgende Orientierung am gemeinen Wert. Mangels anderer Vergleichspreise bietet hier somit der vereinbarte Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück eine ausreichende Grundlage für eine Bewertung im Vergleichswertverfahren. Ein Rückgriff auf das Sachwertverfahren ist weder erforderlich noch geboten, da gerade ein hinreichender Vergleichswert gegeben ist.
Schließlich bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser Kaufpreis nicht marktüblichen Bedingungen entsprach. Auch hat der Kläger weder vorgetragen noch nachgewiesen (§ 198 Abs. 1 BewG), dass der gemeine Wert niedriger sei als der gezahlte Kaufpreis.
Mit seiner Entscheidung betont der BFH, dass nach Maßgabe des BVerfG für die Bewertung von Grund und Boden der gemeine Wert entscheidend ist. Die durch den Gesetzgeber aufgestellten typisierten Bewertungsregeln dienen der Vereinfachung in einem Massenverfahren und erreichen eine Annäherung an den gemeinen Wert. Der Gesetzeswortlaut des § 183 Abs. 1 BewG lässt es hierbei zu, dass auch der zeitnah zur Bewertung vereinbarte Kaufpreis des zu bewertenden Grundstücks selbst herangezogen werden kann, wenn er unter fremdüblichen Bedingungen zustande gekommen ist. Denn er spiegelt den gemeinen Wert am besten wieder. Durch § 198 BewG ist schließlich sichergestellt, dass der Steuerpflichtige den Nachweis erbringen kann, der gemeine Wert sei niedriger als der im typisierten Bewertungsverfahren ermittelte Wert. Ein solcher Nachweis ist sinnvoll, wenn das Grundstück deutliche Mängel aufweist und das typisierte Bewertungsverfahren zu einem offensichtlich überhöhten Wert kommt.