I. Einleitung
Das Erbschaftsteuergesetz gewährt Nachfolgern in Unternehmen bei deren Erwerb von Todes wegen oder im Wege der Schenkung eine Steuerbegünstigung bis hin zur Steuerfreiheit. Sinn und Zweck dieser Regelungen, die in den §§ 13a - 13c Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) zu finden sind, ist die Erhaltung der traditionellen deutschen Unternehmenskultur sowie die Sicherung der Arbeitsplätze in den übertragenen Unternehmen, für welche die volle Abführung der Schenkung- oder Erbschaftssteuer existenzbedrohend sein könnte. Allerdings knüpft die Steuerbegünstigung an sog. Behaltensregeln an, deren Verstoß die Nachsteuerzahlungspflicht auslöst.
Diese Problematik hat durch die Corona- und die Wirtschaftskrise an Aktualität gewonnen, da nach der Rechtsprechung des BFH die Insolvenz eines steuerbegünstigten Unternehmens grundsätzlich eine Nachsteuerzahlungspflicht auslösen kann. Inwieweit die Insolvenz ein sog. nachsteuerschädliches Ereignis darstellt, erfahren Sie in diesem Fachbeitrag. Aufgrund der Komplexität des Themas werden jedoch nur ausgewählte Problemkreise ohne Anspruch auf Vollständigkeit behandelt.
II. Tatbestand der Steuerbegünstigung: Verschonungsabschlag
Die Verschonungsregel des ErbStG beziehen sich auf Erwerber von Todes wegen sowie die Beschenkten und betreffen das begünstigte Vermögen gemäß § 13b ErbStG. Hierzu zählen insbesondere Wirtschaftsteile des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens innerhalb der EU und des EWR, inländisches Betriebsvermögen oder Anteile an einer Kapitalgesellschaft mit einer Mindestbeteiligung von 25 % am Nennkapital. Die Steuerbegünstigung wird nur dann gewährt, wenn das begünstigte Vermögen den Wert von 26 Mio. € nicht übersteigt. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, steht dem Erwerber ein sog. Verschonungsabschlag zu. Im Rahmen der Regelverschonung wird eine Steuerbefreiung von 85 % mit einer Behaltensfrist von 5 Jahren gewährt. Der Erwerber kann auch unwiderruflich erklären, dass eine Vollverschonung von 100 % gewährt werden soll, dann beträgt die Behaltensfrist 7 Jahre.
III. Behaltenspflichtverstoß
Innerhalb von der Behaltensfrist darf kein nachsteuerschädliches Ereignis nach § 13a Abs. 6 ErbStG eintreten. Ist dies der Fall, liegt ein Behaltenspflichtverstoß vor und der Verschonungsabschlag entfällt rückwirkend. Dies hat zur Folge, dass der Erwerber die bisher einbehaltene Schenkung- bzw. Erbschaftssteuer ganz oder anteilig abführen muss.
1. Veräußerungsvorgänge
Als nachsteuerschädliche Ereignisse kommen zunächst verschiedene Veräußerungsvorgänge in Betracht, beispielsweise die Veräußerung eines Gewerbebetriebs, eines land- und forstwirtschaftlichen Vermögens oder von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft (vgl. § 13a Abs. 6 Nr. 1, 2 und 4 ErbStG). Veräußerung ist jede entgeltliche Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums von einer Person auf eine andere (Jülicher in T/G/J/G ErbStG, 64. EL 2022, § 13a, Rn. 216). Aus welchen Gründen oder mit welcher Motivation der Erwerber die Veräußerung vornimmt, ist dabei unerheblich (BFH, DStR 2014, 847). Die Aufgabe eines Gewerbebetriebs wird der Veräußerung gleichgestellt.
2. Insolvenz
Fraglich ist, ob in der Insolvenz ein Behaltenspflichtverstoß zu sehen ist. Das Gesetz erwähnt den Fall der Insolvenz nicht ausdrücklich. Während des Insolvenzverfahrens kann es jedoch zu unfreiwilligen Veräußerungsvorgängen und letztlich zur Betriebsaufgabe kommen. Die Rechtsprechung des BFH ist in solchen Konstellationen konsequent und führt die Argumentationslinie fort, wonach auch zwangsläufige Veräußerungsvorgänge, die in einer unternehmerischen Zwangslage oder in der Insolvenz getätigt wurden, als Behaltenspflichtverstöße zu werten sind. Eine teleologische Reduktion der Norm erfolgt daher nicht (BFH, DStR 2005, 1136, 1137).
Bei Kapitalgesellschaften stellt bereits die Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Betriebsaufgabe und damit ein nachsteuerschädliches Ereignis dar, wobei es, wie der BFH wiederholt ausgeführt hat, keine Rolle spielt, ob die Betriebsaufgabe unfreiwillig oder ohne Verschulden des Erwerbers erfolgt (BFH, DStRE 2007, 761). Demgegenüber ist die Insolvenzeröffnung bei Personengesellschaften noch kein Grund für den Wegfall des Verschonungsabschlags. Zwar führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Personengesellschaft zu deren Auflösung, ertragssteuerrechtlich liegt aber noch keine Betriebsaufgabe vor. Zudem ist die Fortführung der Personengesellschaft auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiterhin möglich. Erst die Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen oder die Einstellung des Betriebs durch den Insolvenzverwalter löst die Nachversteuerung aus (BFH, DStR 2020, 2599).
3. Insolvenz der Tochtergesellschaft
Noch komplexer wird die Thematik der Steuerbegünstigung, wenn das Unternehmen mehrstufige Strukturen aufweist. Die gesetzlichen Regelungen gelten nur für die Muttergesellschaft. Es stellt sich daher die Frage, ob die Insolvenz der Tochtergesellschaft auch für die Muttergesellschaft ein nachsteuerschädliches Ereignis darstellen kann.
Die Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Tochtergesellschaft ist grundsätzlich unschädlich, wenn es sich auf beiden Ebenen um Personengesellschaften handelt. Da bereits die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Mutterpersonengesellschaft keinen Behaltenspflichtverstoß darstellt, kann für die Tochterpersonengesellschaft nichts anderes gelten. Jedoch können im Einzelfall Veräußerungsvorgänge über das Vermögen der Tochterpersonengesellschaft nachsteuerschädlich sein, wenn dadurch die für die Muttergesellschaft funktional wesentliche Betriebsgrundlagen veräußert werden (BFH, DStR 2021, 1648, 1650). Diese Rechtsprechung lässt sich grundsätzlich auch auf andere Sachverhalte übertragen, sodass die Insolvenz der Tochtergesellschaft in der Mehrzahl der Fälle nicht zum Wegfall des Verschonungsabschlags führt (vgl. im Einzelnen Henning/Quistorp/Günther, ZEV 2022, 706).
IV. Fazit
Das Verschonungssystem des Erbschaftsteuergesetzes ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits wird dem Unternehmensnachfolger durch die Steuererleichterung die Betriebsfortführung ohne beträchtliche Belastungen gewährt. Andererseits droht die Nachversteuerung, wenn das Unternehmen innerhalb von fünf bzw. sieben Jahren in existenzielle Schwierigkeiten gerät. Ausnahmen von der Nachversteuerung im Insolvenzfall erkennt der BFH nicht an. Bei mehrstufigen Gesellschaften ist die Problematik mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung noch komplizierter. Positiv zu vermerken bleibt, dass nach der Rechtsprechung des BFH die Insolvenz der Tochtergesellschaft grundsätzlich keine Auswirkungen auf die gewährte Steuerbegünstigung hat.