Kann der Vorsorgebevollmächtigte einen Erbscheinsantrag stellen und auch die dazugehörige eidesstattliche Versicherung abgeben?

Die Frage, ob ein Vorsorgebevollmächtigter einen Erbscheinsantrag stellen kann und dann auch die dazugehörige eidesstattliche Versicherung abgeben kann, war lange Zeit sehr strittig. Mittlerweise scheinen Literatur und Rechtsprechung Konsens darüber zu finden.  

Der Erbe muss grds. seine Berechtigung durch Erbschein nachweisen gem. § 2353 BGB (siehe auch BeckOK BGB Std. 01.05.2022, Siegmann/Höger, § 2353), was zu Problemen führen kann, wenn er geschäftsunfähig ist.

Das Stellen des Erbscheinsantrags und die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung im Erbscheinsverfahren § 352 Abs. III S. 3 FamFG und § 2356 Abs. II BGB muss grundsätzlich durch Antragssteller persönlich erfolgen und eine Vertretung ist nicht zulässig. Die generelle Lösung des Problems ist die Bestellung eines gesetzlichen Betreuers § 1896 Abs. II BGB. so die frühere Ansicht (KG OLGZ 1967, 247, 249; LG Berlin RPfleger 1976, 60, 61; Müller, in: Müller/Renner, Betreuungsrecht und Vorsorgeverfügungen in der Praxis, 2018 (5. Aufl.), Rn. 199). Jedoch gab es hiergegen schon immer Widerspruch (vgl. Litzenburger, ZEV 2004, 450; Staudinger/Herzog, § 2353 Nr. 210).

Die Rechtsprechung hat in den letzten Jahren meist positiv hinsichtlich des Stellens des Antrags und der Abgabe einer solchen eidesstattlichen Erklärung durch einen Vorsorgebevollmächtigten beschieden.
Das OLG Celle entschied ob der Gleichsetzung eines Vorsorgebevollmächtigten mit einem gesetzlichen Vertreter (§ 1896 Abs. II S. 2 BGB), dass die eidesstattliche Versicherung im Erbscheinsverfahren bei Eidesunfähigkeit des Antragsstellers auch von dessen Vorsorgebevollmächtigtem abgegeben werden kann, als eine Erklärung über dessen eigenes Wissen. Jedoch gelte dies nur, wenn dies von der Vollmacht auch umfasst sei. Das OLG Celle wies weiterhin darauf hin, dass das Nachlassgericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden habe, ob der Antragsteller selbst oder dessen Vorsorgebevollmächtigter die eidesstattliche Versicherung hinsichtlich der Richtigkeit der Angaben im Erbscheinsantrag abzugeben habe (NJW-RR 2018, 1031, 1032; BGH WM 2008, 2264).

Ähnlicher Meinung war kurz darauf auch das OLG Düsseldorf, das die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durch den Vorsorgebevollmächtigten dann für zulässig erachtete, wenn der Erbe geschäftsunfähig ist und demnach an einer eigenen Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung gehindert sei (OLG Düsseldorf v. 17.04.2018 – 25 Wx 68/17). Dies gelte auch für das Stellen des Antrags auf Erbschein, denn grds. stehe der Vorsorgebevollmächtigte einem gesetzlichen Vertreter gleich (ZEV 2019, 422), der Vorsorgebevollmächtigte ist antragsberechtigt § 10 Abs. II Nr. 3 FamFG. Dem stünden auch nicht die Beschränkungen des § 10 FamFG entgegen, ein Vorsorgebevollmächtigter (natürliche Person) eines nicht verfahrensfähigen Beteiligten steht einem gesetzlichen Vertreter gleich und falle nicht unter § 9 Abs. II FamFG.

Dies deckt sich teilweise auch mit der Ansicht der aktuellen Literatur (Becker, ZErb 2018, 3122). Wobei auch weiterhin die Meinung vertreten wird, dass zwar die gewillkürte Stellvertretung grds. zulässig sei gem. § 167 BGB, §§ 10, 11 FamFG, dies jedoch nicht für die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach § 352 Abs. III S. 3 gelte, die strafbewehrt ist (BeckOK BGB Std. 01.05.2022, Siegmann/Höger, § 2353 Rn. 24-26).

Zuletzt entschied das OLG Bremen und folgte der vorherigen Linie der OLG Celle und Düsseldorf indem es das Antragsrecht eines Vorsorgeberechtigten bejahrte und auch die eidesstattliche Versicherung durch ihn im Erbscheinsverfahren akzeptierte (OLG Bremen v. 14.09.2021 – 5 W 27/21).

Allerdings muss hier festgehalten werden, dass sowohl im Falle des OLG Celle, als auch OLG Düsseldorf, die Vorsorgevollmacht notariell beurkundet war. Ob dies eine formelle Voraussetzung ist bleibt unklar, lässt sich aber zumindest auch nicht direkt aus beiden Entscheidungen ableiten. Die Vollmacht selbst ist in ihrer Form grds. unabhängig von der Form des Vertretergeschäfts § 167 BGB.

In diesen Entscheidungen zeigt sich ein Wandel in der Wahrnehmung der Vorsorgevollmacht, die nun nicht mehr als der gesetzlichen Betreuung nachrangig betrachtet wird. § 51 Abs. III ZPO stützt diese Ansicht, auch für den Zivilprozess ist der Vorsorgeberechtigte dem gesetzlichen Betreuer gleichgestellt. Dies deckt sich mit der Entscheidung des BGH zur Abgabe einer Vermögensauskunft eines Geschäftsunfähigen und der dazugehörigen eidesstattlichen Erklärung § 802c ZPO, die durch den Vorsorgeberechtigten zulässig war (BGH NJW 2020, 1143, 1145). Der Grundsatz der Subsidiarität der Betreuung aus § 51 Abs. III ZPO kann ebenso herbeigezogen zu werden, um diese Auffassung zu stützen. Der Vorsorgebevollmächtigte ist ein Bevollmächtigter, der die Angelegenheiten des Betroffenen wahrnehmen kann und es bedarf demnach keines anderen Vertreters (So die Intention des Gesetzgebers, siehe BT-Drucks. 15/2494 S. 39-40). Generell bietet sich eine analoge Anwendung des § 51 Abs. III ZPO an, aus der Gesetzgebungsgeschichte des § 352 FamFG lässt sich zumindest nicht direkt ableiten, dass der Gesetzgeber sich bewusst gegen die Möglichkeit der Abgabe einer eidesstattlichen Erklärung durch den Vorsorgebevollmächtigten im Erbscheinsverfahren entscheiden wollte. Weiterhin ist grds. auch der völlige Verzicht auf eine eidesstattliche Erklärung in einem solchen Verfahren möglich § 352 Abs. III S. 4 FamFG, was eine weite Auslegung der Vertretungsregeln umso mehr stärkt.

In der Praxis weitet sich damit der Anwendungsbereich der Vorsorgevollmachten immer weiter aus. In Anbetracht der Erfordernisse, die das OLG Celle stellte, kann darauf hingewiesen werden, dass eine detailliertere und präzisere Vorsorgevollmacht hinsichtlich Erbscheinsangelegenheiten und eidesstattlichen Versicherungen eventuell auftretenden rechtlichen Problemen vorbeugen kann. Zudem kann eine notarielle Vollmacht Problemen vorbeugen, auch wenn sie bisher nicht notwendig zu sein scheint (Harders, in: Builler/Harders/Schwamb, FamFG, 2019 (12. Aufl.), § 352 Rn. 23).

 

» Zum Fachgebiet "Vorsorgevollmacht"

» Zur Startseite