OLG Koblenz 1 U 651/21
Keine Amtspflichtverletzung des Notars durch Beurkundung und Vollzug eines Kaufvertrags bei Überschreitung der Vertretungsmacht durch den Geschäftsführer der Verkäufer-GmbH

09.06.2023

Leitsatz | OLG Koblenz 1 U 651/21

  1. Die Vertretungsmacht des Geschäftsführers ist im Außenverhältnis grundsätzlich unbeschränkt. Etwaige Beschränkungen der Vertretungsmacht wirken sich nur im Innenverhältnis der Gesellschaft aus. Ausnahmen kommen nur in Fällen eines evidenten Missbrauchs der Vertretungsmacht in Betracht.
  2. Dementsprechend muss ein Notar die Vertretungsbefugnis eines GmbH-Geschäftsführers zum Abschluss eines Grundstückkaufvertrags auch nur anhand des Handelsregisters feststellen. Etwaige Beschränkungen der Vertretungsmacht im Innenverhältnis muss der Notar dagegen nicht prüfen. Weitergehende Pflichten bestehen nur dann, wenn für den Notar ein Missbrauch der Vertretungsmacht zweifelsfrei erkennbar ist.

 

Sachverhalt | OLG Koblenz 1 U 651/21

Die Klägerin ist eine GmbH mit einer alleinigen Geschäftsführerin. Bis zu seiner Abberufung am 26.07.2019, war laut Handelsregister alleiniger Geschäftsführer X, der von § 181 BGB befreit war. Am 18.04.2019 veräußerte die Klägerin, vertreten durch X, ein Anwesen an K zu einem Kaufpreis von 670.000€. Der Kaufvertrag wurde durch den Beklagten notariell beurkundet, nachdem er sich durch Einsichtnahme in das Handelsregister versichert hatte, dass der damalige Geschäftsführer über eine entsprechende Vertretungsmacht verfügte. Gemäß des Kaufvertrags sollte der Kaufpreis an das Konto der Klägerin gezahlt werden. Mit Schreiben auf dem Briefpapier der Klägerin vom 21.05.2019 teilte X dem Beklagten mit, der restliche Kaufpreis solle wegen eines geplanten Grundstückerwerbs in der Schweiz auf ein privates Konto des Geschäftsführers in der Schweiz gezahlt werden. Dies leitete der Beklagte an den Käufer weiter, welcher der Aufforderung nachkam.

Mit Schreiben vom 10.06.2019 zeigte die Gesellschafterin der Klägerin dem Beklagten an, dass sie mit dem Hausverkauf nicht einverstanden gewesen sei. Sie habe erst einen Tag zuvor durch Zufall von dem Kaufvertrag erfahren und dementsprechend Strafanzeige wegen Veruntreuung des Gesellschaftsvermögens gegen den Geschäftsführer der Klägerin erstattet. Am 17.06.2019 veranlasste der Beklagte nach Bestätigung des Zahlungseingangs durch den damaligen Geschäftsführer die Umschreibung des Eigentums an dem Haus auf den Käufer. Im Nachgang teilte X der Alleingesellschafterin mit, er habe das Geld abgehoben und in einem bankfremden Schließfach hinterlegt.

Das LG hat die Klage abgewiesen.

Entscheidung | OLG Koblenz 1 U 651/21

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg, da die Klägerin gegen den Beklagten keinen Amtshaftungsanspruch aus § 19 Abs. 1 BNotO hat.

Nach § 19 Abs. 1 BNotO hat der Notar, der vorsätzlich oder fahrlässig die ihm anderen gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt, diesen den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

Jedoch ist dem Beklagten bei der Beurkundung des Kaufvertrags keine Amtspflichtverletzung unterlaufen. Gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG muss der Beklagte den Willen der Beteiligten erforschen und, sofern der Vertrag unter Mitwirkung von Vertretern zustande kommt, bei der Beurkundung von Willenserklärungen eines Vertreters dessen Vertretungsmacht prüfen. Denn bei Vorliegen einer Vertretungsmacht wird der Vertretene gem. § 164 Abs. 1 BGB gebunden. Dieser Pflicht ist der Beklagte jedoch nachgekommen, indem er Einsicht in das Handelsregister genommen hat. Bei organschaftlicher Vertretung ist dies ausreichend. Im Handelsregister war X auch als alleinvertretungsberechtigter und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Geschäftsführer eingetragen.

Eine weitere Prüfung musste der Beklagte nicht vornehmen. Zwar muss gem. § 49 Abs. 2 GmbHG die Gesellschafterversammlung dem Verkauf eines Betriebsgrundstücks zustimmen. Dies trifft jedoch nur das Innenverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer. Gegenüber Dritten findet diese Beschränkung keine rechtliche Wirkung, der Vertreter kann weiterhin für die Gesellschaft bindende Willenserklärungen abgeben. Etwas anderes gilt nur, wenn der Vertragspartner nicht schutzwürdig ist, weil er von der fehlenden Vertretungsmacht weiß oder wissen muss. Daraus ergibt sich, dass auch der Notar nur eine zusätzliche Prüfungspflicht hat, wenn die Vollmacht evident unwirksam ist oder ein evidenter Missbrauch der Vollmacht vorliegt. Vorliegend war jedoch für den Notar nicht ersichtlich, dass es sich bei dem Grundstück um das einzige der Klägerin handelte oder dass der Vertreter die erforderliche Zustimmung nicht eingeholt hatte.

Auch bei der Abwicklung des Vertrags liegt keine Amtspflichtverletzung vor. Eine nachträgliche Änderung des Zielkontos bedarf bereits keiner notariellen Beurkundung, wenn die Auflassung bereits bindend geworden ist. Da diese mit dem Kaufvertrag notariell beurkundet wurde, ist dies der Fall. Somit kommt es bereits nicht darauf an, ob das Schreiben von X unterschrieben war. Weiterhin liegt kein Verstoß gegen § 14 Abs. 2 BNotO bzw. § 4 BeurkG dadurch vor, dass der Beklagte den Käufer aufgefordert hat, den Restkaufpreis auf ein Konto des Geschäftsführers in der Schweiz zu zahlen. Es gab keine Anhaltspunkte, dass X unredliche oder unerlaubte Zwecke verfolgte. Dass der Kaufpreis auf ein Privatkonto gezahlt werden sollte, begründet keinen hinreichenden Verdacht auf einen Missbrauch, da gerade eine nachvollziehbare sachliche Erklärung dafür vorlag. Weiterhin ist der Notar grundsätzlich an das gebunden, was die Parteien von ihm verlangen. Es ist nicht seine Aufgabe, dies zu hinterfragen. Auch lag durch die Änderung des Kontos kein Gläubigerwechsel vor, Inhaber der Kaufpreiszahlung blieb die Klägerin. Sie hat jedoch, vertreten durch X, festgelegt, dass mit schuldbefreiender Wirkung an den Geschäftsführer gezahlt werden kann.

Schließlich hat der Beklagte auch keine Amtspflicht dadurch verletzt, dass er die Eigentumsumschreibung veranlasst hat. Er hat gem. § 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 BNotO eine Neutralitätspflicht gegenüber beiden Vertragsparteien und muss gem. § 53 BNotO den Vertrag vollziehen, wenn „Vollzugsreife“ eingetreten ist. Vorliegend geht es darum, ob alle materiellrechtlichen und formellen Voraussetzungen für die Eintragung vorliegen. Dazu gehört neben der wirksamen Auflassung die Bewilligung der Eintragung des Eigentumswechsels, zu der der Beklagte von den Vertragsparteien bevollmächtigt worden ist. Zwar wurde auch diese Erklärung von dem Vertreter der Klägerin abgegeben. Jedoch gilt auch diesbezüglich, dass der Notar seine Pflicht durch die Einsichtnahme ins Handelsregister erfüllt hat. Selbst nach dem Schreiben der Alleingesellschafterin der Klägerin konnte der Beklagte zwar davon ausgehen, dass X im Innenverhältnis gegen Beschränkungen verstoßen hatte. Dies hat jedoch grundsätzlich keine Wirkung auf das Außenverhältnis.  

Sollte dem Notar nur Fahrlässigkeit zur Last fallen, kann ihn die Klägerin nur in Anspruch nehmen, wenn sie nicht auf andere Weise Ersatz erlangen kann. Vorsatz kann dem Beklagten vorliegend nicht nachgewiesen werden. Als anderweitige Ersatzmöglichkeit kommt insbesondere eine Inanspruchnahme des ehemaligen Vertreters in Betracht. Diese ist auch weder aussichtslos noch unzumutbar.

Praxishinweis | OLG Koblenz 1 U 651/21

Aufgrund des Interesses der Beteiligten an einem wirksamen Vertrag, empfiehlt es sich vorsorglich einen Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung einzuholen. Diese Zustimmung sollte möglichst in vollständiger Kenntnis des Vertrags ausdrücklich und vorab, mit Verzicht auf eine Beschlussanfechtung und Klagemöglichkeit, erfolgen. Weiterhin ist es hinsichtlich der Transparenz sinnvoll, für bestimmte Rechtsgeschäfte des Geschäftsführers einen Zustimmungsvorbehalt, sowie Mehrheits- und Formerfordernisse in die Gesellschaftsatzung aufzunehmen.